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MENSCHENRECHTE/281: Iran - Bewertung der Menschenrechtslage aus weiter Ferne (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. März 2014

Iran: Bewertung der Menschenrechtslage aus weiter Ferne - UN-Sonderberichterstatter fordert Einladung

von Omid Memarian


Bild: © Mit freundlicher Genehmigung von Shaheeds Büro

UN-Sonderberichterstatter Ahmed Shaheed bei der Vorstellung seines Berichts vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf am 14. März
Bild: © Mit freundlicher Genehmigung von Shaheeds Büro

Genf, 17. März (IPS) - Nach der Veröffentlichung seines Menschenrechtsberichts über die Lage im Iran hat der UN-Sonderberichterstatter Ahmed Shaheed die Regierung in Teheran aufgefordert, ihm die Ausübung seines Mandats zu ermöglichen, indem ihm der Besuch des Landes gestattet wird.

Seit neun Jahren sei keinem einzigen UN-Mandatsträger erlaubt worden, sich vor Ort umzusehen, erklärte Shaheed am Sitz des UN-Menschenrechtsrats in Genf gegenüber IPS. Es sei an der Zeit, "dass man mir und anderen erlaubt, unsere Arbeit zu tun". Shaheed ist seit Juni 2011 UN-Sonderberichterstatter für den Iran und hat dem UN-Menschenrechtsrat am 14. März in Genf seinen dritten Bericht vorgelegt.

Der 104 Seiten lange Report basiert auf Interviews, die im Dezember mit 72 in Europa lebenden Iranern geführt wurden. Ferner berücksichtigt er die Aussagen von 61 Iranern im Iran und in der Türkei, die im letzten Quartal 2014 befragt werden konnten. Zudem wertete der UN-Sonderberichterstatter die Berichte verschiedener Organisationen aus, die die Rechte ethnischer und religiöser Minderheiten im Iran im Blick haben.

Shaheed begrüßte zwar die "positiven Zugeständnisse" des Irans seit Beginn der Präsidentschaft von Hassan Rouhani im vergangenen August. Doch reichten sie derzeit bei weitem nicht aus, um die fundamentalen Menschenrechtsbedenken auszuräumen.

Seit Beginn seiner Amtszeit wurden dem Bericht zufolge mindestens 1.539 Menschen im Iran hingerichtet, 955 bis 962 von ihnen wegen Drogenhandel. Für das letzte Jahr geht Shaheed von 687 Hinrichtungen aus, von denen 369 von offizieller oder halboffizieller Stelle angekündigt worden waren. Das sind 165 Exekutionen mehr als 2012, obwohl es 2013 Zeiträume mit einer geringen Zahl von Hinrichtungen gab: Vom 1. März bis 15. April waren es vier, während der Präsidentschaftswahlen vom 23. Mai bis 16. Juni zwei und im Fastenmonat Ramadan vom 8. Juli bis 13. August drei.


Öffentliche Hinrichtungen

2013 wurden mindestens 57 Iraner öffentlich gehängt, wobei einer von ihnen überlebte und begnadigt wurde. Bei den Opfern handelte es sich in 28 Fällen um Frauen. Ausgehend von Beschuldigungen, wonach Aktivisten, Vertreter ethnischer und religiöser Minderheiten und Journalisten Übergriffen und willkürlichen Verhaftungen ausgesetzt sind, schätzt der UN-Sonderberichterstatter die Zahl der politischen Gefangenen im Iran auf derzeit etwa 900.

Sarah Leah Whitson, die Leiterin der Abteilung Nahost und Nordafrika bei 'Human Rights Watch', erklärte gegenüber IPS, dass Shaheeds Untersuchungsergebnisse mit denen von HRW übereinstimmten. "Wenn Rouhani wirklich den Eindruck vermitteln will, ein politischer Entscheidungsträger zu sein, der es ernst mit den Reformen im Iran meint, sollte er als ersten Schritt ein Hinrichtungsmoratorium ausrufen", sagte sie. "Die erschütternd hohen Zahlen in einem offensichtlich unfairen Rechtssystem schreien nach einer sorgfältigen Revision und Überprüfung der Beweismittel gegen all jene, die im Iran von der Todesstrafe bedroht sind."

Am 12. März hatte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon bei der Vorstellung seines eigenen Berichts für die UN-Vollversammlung über die Menschenrechtssituation im Iran erklärt, dass Rouhani sein Versprechen, die Menschenrechtslage in seinem Land zu verbessern, nicht gehalten habe.

Seine Vorwürfe stießen in Teheran auf heftige Kritik. Ali Akbar Velayati, ein Berater des Obersten Führers Ayatollah Ali Khamenei bezeichnete Ban "als den schwächsten Generalsekretär in der Geschichte der UN". Und der Parlamentssprecher des Landes, Ali Larijani, erklärte, dass Bans Bericht von den israelischen und US-amerikanischen Geheimdiensten Mossad und CIA diktiert worden sei.

Ban hatte den Iran in seinem Bericht zudem dazu aufgefordert, den ehemaligen maledivischen Außenminister Shaheed in den Iran einzuladen, damit dieser den Vorwürfen vor Ort nachgehen kann.

Im Januar hatte der Iran den Entwurf des Berichts des UN-Sonderberichterstatters erhalten und war um eine Stellungnahme gebeten worden. "Es ist allen klar, dass die Vorbereitung von voreingenommenen Berichten über die Menschenrechtssituation im Iran darauf abzielt, den Druck auf die Islamische Republik zu erhöhen ", erklärte daraufhin der iranische Justizchef Sadegh Larijani auf einem Treffen mit hochrangigen Rechtsvertretern seines Landes. Mit der öffentlichen Verurteilung des Reports verstieß Teheran gegen ein UN-Protokoll, das den vertraulichen Umgang mit Berichten verlangt, solange sie nicht vom Menschenrechtsrat veröffentlicht wurden.

"Persönliche Angriffe sind nichts Neues", meinte Shaheed gegenüber IPS. "Wenn schon ein UN-Mandatsträger oder der UN-Generalsekretär so stark attackiert werden, stellen Sie sich nur vor, was iranischen Bürgern in Teheran oder anderen Teilen des Landes blüht, wenn sie Kritik üben."


Kritik an Einfluss des Ayatollahs auf die Gerichtsbarkeit

In Shaheeds Bericht wird auch der Einfluss des Obersten Führers auf das Justizsystem thematisiert: Dieser kann gerichtliche Entscheidungen aufheben. Darüber hinaus weist der Report darauf hin, dass die meisten Menschrechtsverletzungen im Iran im Stadium der Voruntersuchungen, in den Haftzentren oder vor Gericht begangen werden.

Wie jedoch ein Mitglied der iranischen Delegation, der sich Anonymität ausbat, gegenüber IPS erklärte, "ist die Situation im Iran, wie von Herrn Shaheed in dessen Bericht geschildert, nicht ganz so düster". Er verwies auf die auch im Bericht thematisierte Freilassung von 80 politischen Häftlingen im letzten Jahr und die in der Verfassung festgeschriebene Trennung von Judikative und Exekutive. Doch zeigten sich die Hardliner, die die Gerichtsbarkeit und den Sicherheitssektor dominierten, wenig reformwillig.

"Jedes Land hat (Menschenrechts-)Probleme. Im Iran sind sie jedoch besonders ausgeprägt und sollten aktiv angegangen werden", meinte Shaheed gegenüber IPS. Nach Durchsicht seines Berichts durch den Menschenrechtsrat am 17. März wird über eine Verlängerung seines Mandats entschieden. (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/03/un-human-rights-rapporteur-forced-grade-iran-afar/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. März 2014