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MILITÄR/898: Pentagon will mehr Geld für Atomwaffen - Rückschlag für nukleare Abrüstung befürchtet (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. Juni 2011

Rüstung: Pentagon will mehr Geld für Atomwaffen - Rückschlag für nukleare Abrüstung befürchtet

Von Haider Rizvi


New York, 8. Juni (IPS) - In den USA haben unabhängige Analysten Pläne des Pentagons kritisiert, die Ausgaben für Atomwaffen zu erhöhen. Damit würden die Bemühungen, eine atomwaffenfreie Welt zu schaffen, unterlaufen.

Nach den Vorstellungen der US-amerikanischen Streitkräfte soll der Kongress für die nächsten zehn Jahre 213 Milliarden US-Dollar für die Modernisierung der Atomwaffen und ihrer Trägersysteme bewilligen. Derzeit geben die USA im Schnitt 54 Milliarden Dollar im Jahr für die Erhaltung ihrer nuklearen Schlagkraft aus.

Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI gibt die Zahl der in US-Arsenalen befindlichen Atomwaffen in seinem neuen Jahrbuch 2011 mit 8.500 an. Russland soll sogar über 11.000 Kernwaffen verfügen, Frankreich über 300, China über 240, Großbritannien über 225, Pakistan 90 bis 110, Indien mit über 80 bis 110 und Israel über 80.

Experten zufolge soll ein Teil der vom US-Militär geforderten Finanzmittel für die Anschaffung neuer Drohnen, U-Boote, Interkontinentalraketen und den Bau einer neuen Generation von Atomwaffen ausgegeben werden.

Der Kongress debattiert derzeit über Einschnitte in das nächste Budget. Aller Wahrscheinlichkeit nach, werden die Mehrheit der Abgeordneten und die Regierung von Präsident Barack Obama die Gründe für die Entwicklung neuer Atomwaffensysteme nicht hinterfragen.

Seit Amtsantritt im Januar 2009 hat sich Obama zwar in zahlreichen Reden für die atomare Abrüstung ausgesprochen. Doch wie schon seine Vorgänger hat er sich auf einen konkreten Zeitpunkt für die Abschaffung von Kernwaffen in den USA und anderswo nicht festgelegt.


Kritik an Obama

"Er mag nette Dinge zugunsten der nuklearen Abrüstung gesagt haben, allerdings hat er offenbar auch den Ausgaben in Höhe von mehr als 200 Milliarden Dollar zur Modernisierung der Atomwaffenarsenale zugestimmt", sagte David Krieger, Direktor der 'Nuclear Age Peace Foundation' gegenüber IPS. Er wies ferner darauf hin, dass das sogenannte neue Atomwaffenprogramm Drohnen beinhalte, die mit atomaren Sprengköpfen bestückt werden können. Solche Waffen seien eine Einladung an andere Staaten zur nuklearen Aufrüstung.

Seit über einem Jahrzehnt üben die USA Druck auf den Iran und Nordkorea aus - Staaten, die im Verdacht stehen, Atomwaffen zu entwickeln, oder die Arbeit an einem Atomwaffenprogramm eingeräumt haben. Selbst schweigt sich die Regierung in Washington darüber aus, wann sie ihre eigenen und riesigen Atomwaffenarsenale vernichten wird.


2.000 Kernwaffen im Zustand 'hoher Einsatzalarmbereitschaft'

Derzeit besitzen die acht Atommächte USA, Großbritannien, Russland, Frankreich, China, Indien und Pakistan SIPRI zufolge insgesamt 20.500 Atomwaffen, 2.000 weniger als 2009. Doch mehr als 5.000 dieser zerstörerischen Waffen sind einsatzbereit. 2.000 von ihnen befinden sich sogar in einem 'Zustand hoher Einsatzalarmbereitschaft'.

Kriegers Stiftung ist Teil der 'Middle Powers Initiative' (MRI), ein Dachverband von acht großen internationalen Abrüstungsorganisationen, die den von den Vereinten Nationen vorangetriebenen Prozess der Nichtverbreitung von Atomwaffen und der vollständigen nuklearen Abrüstung unterstützen.

Die MRI steht für ein nachvollziehbares, irreversibles und einklagbares Kernwaffenverbot. Sie drängt die internationale Gemeinschaft dazu, möglichst rasch auf den Fünf-Punkte-Plan von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon zur nuklearen Abrüstung zu reagieren. Der Plan sieht die "gegenseitige Verstärkung" von Rahmenabkommen oder eine Atomwaffenkonvention vor.

"Der Wunsch einer überwältigenden Mehrheit von Regierungen und Menschen, Atomwaffen abzuschaffen, verlangt Handeln", sagte der MRI-Vorsitzende Richard Butler in einer IPS vorliegenden Mitteilung. "Die fortgesetzte Existenz von Atomwaffen bedroht uns alle und birgt unannehmbare Risiken."

Die MRI wirbt derzeit bei UN-Diplomaten um Unterstützung für die Umsetzung von Artikel VI des Atomwaffensperrvertrags (Non-Proliferation Treaty - NPT), in dem sich die Atommächte zur Vernichtung von Atomwaffen verpflichten.

Butler ist ein erfahrener australischer Diplomat, der für die UN als Atomwaffeninspekteur tätig war. Er informierte die Regierungen bei den Vereinten Nationen unlängst über die MPI-Aktivitäten zur Umsetzung der im Rahmen des NPT getroffenen Absprachen.

Während er sich am Sitz der Vereinten Nationen in New York auf Gespräche mit Diplomaten aus anderen Ländern vorbereitete, brach der MRI-Gründer, der kanadische Senator Douglas Roche, aus dem gleichen Grund zu einer internationalen Informationsreise nach Europa, Russland, China und Indien auf.


Forderung nach Konvention

Vor seiner Abreise erklärte Roche, einer der Kandidaten für den Friedensnobelpreis, auch Landminen und Streubomben seien per Konvention verboten worden, nachdem der Menschheit die Folgen eines fortgesetzten Einsatzes dieser Waffen bewusst geworden seien. Nun sei sie, was den Einsatz, den Besitz und die Verbreitung von Atomwaffen angehe, zum gleichen Punkt gekommen.

Nach Ansicht von Krieger stellt der Wunsch der USA, "die Welt zu dominieren", ein großes Problem dar. Wie er gegenüber IPS erklärte, müssten die politischen Entscheidungsträger in Washington endlich zur Kenntnis nehmen, dass die Sicherheit der USA nicht von einem höheren, sondern von einem niedrigeren Militärbudget abhänge. Eine Erhöhung der Ausgaben für Atomwaffen sende die Botschaft aus, dass es den USA mit der atomaren Abrüstung nicht ernst sei. (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.wagingpeace.org/
http://www.gsinstitute.org/mpi/
http://www.sipri.org/yearbook
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=55938
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=55966

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juni 2011