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REDE/832: Zu Gutenberg - Fortsetzung des UNIFIL-Bundeswehreinsatzes im Libanon, 11.06.10 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede des Bundesministers der Verteidigung, Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, zur Fortsetzung der Beteiligung der Bundeswehr an der United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) vor dem Deutschen Bundestag am 10. Juni 2010 in Berlin:


Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Kollege Mützenich, Sie haben einen breiten Bogen gespannt. Sie haben in acht Minuten einen breiten Bogen gespannt, der bemerkenswerter Weise zu vier Fünfteln relativ deutliche Kritik enthielt. Man fragt sich, wie dann der Weg von dieser sehr geharnischten Kritik zu einer gemeinsamen Zustimmung zu einem doch von uns allen - fast allen, ich weiß; der Protest musste ja gleich kommen - oder doch von fast allen für notwendig erachteten Mandat aussehen soll. Da wird die Diskussion gesucht werden müssen.

Ich darf aber auch sagen: Hier geht es nicht um koalitionäre Gesichtswahrung, sondern hier geht es tatsächlich darum, die richtigen Signale in die Region zu senden. Und die sendet diese Koalition. Das möchte ich auch noch einmal ausdrücklich sagen.

Sie haben angesprochen, dass es etwas seltsam sei, dass sich jetzt unterschiedliche Militärs, selbst aus Bangladesch, beteiligen würden und müssten. Ich halte es nicht grundsätzlich für ein negatives Signal, wenn eine Mission der Vereinten Nationen nicht allein auf deutsche Beiträge zurückgreifen muss, sondern wenn man bei einem von allen für richtig erachteten Mandat tatsächlich auch auf Beiträge anderer zurückgreifen kann.

Wir sind mit der deutschen Marine mittlerweile seit Oktober 2006 im Rahmen einer UN-Friedenstruppe von heute rund 12.000 Soldaten im UNIFIL-Einsatz. Zuvor hatte der Sommerkrieg 2006 unsägliches Leid und auch dramatische Zerstörung auf beiden Seiten hervorgerufen. Die Spannungen im Nahen Osten hatten sich ein weiteres Mal in einem gewaltsamen Konflikt entladen.

Der Kollege Westerwelle hat darauf hingewiesen - Herr Kollege Mützenich, Sie haben das auch gesagt -, dass sich seither die innenpolitische Situation im Libanon, insbesondere nach den Wahlen und der Bildung einer Regierung unter Saad Hariri, auf erfreuliche Weise stabilisiert hat. Das ist eine positive Entwicklung. Wenn wir die Region allerdings insgesamt betrachten, besteht weiterhin Anlass zur Sorge.

Es sind sehr wohl aktuelle Punkte aufgegriffen worden, und es ist sehr wohl hier auch der notwendige Bogen durch den Kollegen Westerwelle gespannt worden.

Generell gilt, egal ob das für den Libanon oder für andere Staaten in der Region anzusetzen ist: Die auf Konfrontation ausgerichtete Anhäufung von Waffenarsenalen dient nicht dem friedlichen Interessenausgleich. Das ist ein weiterer und auch der maßgebliche Zweck für diesen Einsatz.

Es ist ein Verdienst der UNIFIL, zur Deeskalation beigetragen zu haben - auf See ebenso wie an Land. Das ist eine Leistung, die nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Unser eigener Beitrag bestand und besteht auch darin, die libanesischen Marinekräfte zu einer zunehmend eigenständigen Überwachung des eigenen Seeraumes zu befähigen. So haben wir etwa die Einrichtung von Küstenradarstationen materiell und auch durch praktische Ausbildungshilfe unterstützt. Ich glaube, das war ein sehr richtiger und maßgeblicher Schritt. Wir haben dem Libanon drei Küstenschutzboote überlassen und deren Besatzungen mit dem Ziel ausgebildet, die allgemeine Leistungsfähigkeit der libanesischen Marine zu erhöhen. Wir sind kontinuierlich in der Ausbildung engagiert gewesen und auch engagiert geblieben.

Von daher können wir heute in zweifacher Hinsicht eine positive Zwischenbilanz ziehen:

Zum Ersten betrifft das die hilfreiche Rolle der UNIFIL-Operation als stabilisierender Faktor im gesamten Nahen Osten. Das ist ein stabilisierender Faktor. Die durch die Entsendung der Maritime Task Force möglich gewordene Aufhebung der Seeblockade gegenüber dem Libanon wie auch die wirksame Unterbindung des Waffenschmuggels auf See machen bis heute deutlich, dass die Präsenz der UNIFIL sehr konkrete Folgen hat. - Es gab immer wieder die Diskussion über die Frage: Was nützt uns das, wenn man überhaupt keine Schmuggelerfolge vorweisen kann? Es ist bereits ein Erfolg beim Kampf gegen den Schmuggel von Waffen und Ähnlichem, wenn er auf See tatsächlich nicht mehr stattfindet - wohl wissend, welche Herausforderungen wir weiterhin auf dem Landweg haben und dass man diese Herausforderungen auch anzunehmen hat.

Zum Zweiten können wir konstatieren, dass die libanesische Marine vor allem aufgrund der durch UNIFIL, aber auch bilateral geleisteten Ausbildungsunterstützung bereits heute einen Zuwachs an Fähigkeiten erreicht hat, der sich im Ergebnis wiederum entlastend für UNIFIL auswirkt. Das zeigt, auch hier sind wir auf dem richtigen Weg.

Ich bin davon überzeugt, es wäre kontraproduktiv, wenn wir den eingeschlagenen, durch den UN-Sicherheitsrat vorgegebenen Kurs nicht weiter verfolgten. Ganz konkret geht es darum, mit unseren Möglichkeiten den Libanon weiter dabei zu unterstützen, seine Souveränität zu festigen. Deswegen werden wir die Aktivitäten unserer an UNIFIL beteiligten Marinekräfte noch mehr auf diesen Ausbildungsaspekt hin konzentrieren. Wir wollen der libanesischen Marine eine Zukunftsperspektive geben. Diese Zukunftsperspektive beinhaltet für uns zugleich eine Abzugsperspektive. Wir wollen auch deutlich machen, dass man gegenüber denjenigen, denen man bei der Ausbildung, mit Schutzmechanismen und ähnlichen Dingen hilft, Erwartungen dahin gehend hat, dass auch sie Leistungen erbringen, dass sie sich nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag lediglich darauf verlassen, dass schon immer andere da sein werden. Ich glaube, das bleibt maßgeblich.

Wenn wir uns die Fähigkeitslücken der libanesischen Marine genau ansehen und prüfen, wo wir sinnvoll helfen können, um sie zu schließen, dann erkennen wir: Das geht von der Optimierung des Küstenradarsystems bis hin zu Fragen der Wartung und Instandsetzung. Wir werden all das weiterhin in enger Abstimmung mit unseren libanesischen Partnern tun.

Kollege Westerwelle hat darauf hingewiesen, dass die Obergrenze von 800 auf nunmehr 300 Soldaten abgesenkt wurde. Mit dieser im Vergleich zum bisherigen Mandat mehr als halbierten Grenze werden wir zwar nicht mehr das ganze bisherige Spektrum der potenziell geforderten Fähigkeiten abdecken können, aber wir bleiben handlungsfähig, auch in alternativer Hinsicht. Auch das ist ein wichtiges und klares Signal.

In einer Mission, die sowohl mit Blick auf die Wahrnehmung deutscher Verantwortung unter dem Dach der Vereinten Nationen als auch im Kontext der Situation im Nahen Osten von größerer Bedeutung ist, leisten wir unter dem Strich einen äußerst konstruktiven Beitrag. Diejenigen, die dem UNIFIL-Mandat und unserem Beitrag weiterhin kritisch gegenüberstehen, darf man immer wieder daran erinnern, dass nicht alleine Libanon uns darum bittet, weiterhin diesem Mandat nachzukommen, sondern gerade auch Israel und dass wir damit einen übergreifend wichtigen Beitrag zur Stabilisierung dieser Region leisten. Ich darf Sie diesbezüglich um Ihre Unterstützung bitten.


*


Quelle:
Bulletin Nr. 66-4 vom 10.06.2010
Rede des Bundesministers der Verteidigung, Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg,
zur Fortsetzung der Beteiligung der Bundeswehr an der United Nations
Interim Force in Lebanon (UNIFIL) vor dem Deutschen Bundestag am 10. Juni 2010 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juni 2010