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REDE/863: Zu Guttenberg zur Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan, 21.01.11 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede des Bundesministers der Verteidigung, Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, zur Fortsetzung der Beteiligung der Bundeswehr am Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (ISAF) unter Führung der NATO vor dem Deutschen Bundestag am 21. Januar 2011 in Berlin:


Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Lieber Herr Kollege Mützenich, das Rednerpult scheppert noch. Ich danke Ihnen für die Feststellung, ein Zivilist zu sein. Das ist richtig. Bevor ich auf die Diskussion über das ISAF-Mandat und gerne auch auf die Punkte, die Sie, Kollege Mützenich, genannt haben, eingehe, darf ich noch einige Sätze zu drei Fällen sagen, die die Bundeswehr, aber auch die Öffentlichkeit in diesem Land beschäftigen. Hier gilt der ganz klare Anspruch, dass man rückhaltlos aufklärt, dass man die Dinge bewertet und man sie, wenn die Vorwürfe Tatsachen entsprechen sollten, abstellt und die entsprechenden, notwendigerweise harten Konsequenzen zieht. Das ist die Herangehensweise. Ich glaube, so sollte man solche Punkte angehen: nicht mit Vorverurteilungen, nicht mit irgendwelchen Mutmaßungen oder Vermutungen, sondern auf der Grundlage von Tatsachen.

In diesem Kontext darf ich auch sagen - auf der Tribüne sitzen heute Soldaten; sie wurden vom Kollegen Westerwelle bereits begrüßt -, dass in der Bundeswehr mehr als 300.000 Menschen arbeiten. Es ist nie auszuschließen, dass es auch mal zu Verfehlungen und zu Fehlern kommt. Daraus ein Pauschalurteil abzuleiten und gleichzeitig die großartigen Leistungen der anderen hinunterzuziehen, wäre aber vermessen. Auch das können wir nicht machen.

Ich darf auch deutlich machen, dass ich mich mit aller Entschiedenheit gegen Vorwürfe verwahre, meine Mitarbeiter oder ich hätten das Parlament vorsätzlich getäuscht oder Tatsachen vertuscht. Solche Verdächtigungen sind infam und fallen letztlich auf diejenigen zurück, die sie abgeben. Es geht auch weiterhin darum, dass wir die Dinge mit größtmöglicher Offenheit ansprechen und vortragen und man einen vertrauensvollen Umgang miteinander pflegt. Diesen haben wir in den letzten Jahren grundsätzlich entwickelt. Auch heute fand diesbezüglich eine Obleuteunterrichtung statt. Ich glaube, das ist der richtige Weg.

Ein Fall betrifft Afghanistan. Wenn man über Afghanistan spricht, ist es wichtig, über Tatsachen und nicht über Mutmaßungen zu sprechen, insbesondere dann nicht, wenn der Schutz eines Soldaten, der gerade Ermittlungen ausgesetzt ist, deswegen gefährdet sein könnte. Ich glaube, es ist notwendig, auch das zu sagen.

Was das ISAF-Mandat anbelangt, hat Kollege Westerwelle völlig zu Recht darauf hingewiesen, wie wichtig und stark das Signal ist, das wir heute geben; das begann mit der Regierungserklärung des Kollegen Niebel. Zum Bezugspunkt, lieber Kollege Mützenich: Es wäre verwegen, die Zukunft Afghanistans und die zukünftige Gestaltung Afghanistans nur durch die militärische Brille zu betrachten. Das würde zeigen, dass man glaubt, die Ziele in Afghanistan allein militärisch erreichen zu können. Das ist eine schiere Illusion. Das ist nicht machbar und nicht darstellbar. Das geht nur durch ein Zusammenwirken der Kräfte. Das geht nur, wenn die Entwicklungshilfe, also die zivile und diplomatische Herangehensweise, eine wirklich starke Säule darstellt. Ich kann nur sagen: Die ressortübergreifende Zusammenarbeit innerhalb des Kabinetts in den letzten Monaten ist besser als das, was wir in den Jahren vorher erlebt haben. Dafür danke ich den Kollegen noch einmal. Das Zusammenwirken hinsichtlich der Zielsetzung Afghanistan ist erstklassig.

Im Übrigen führt der Verteidigungsminister die Truppe natürlich nicht heim. Das würde ich mir auch nie anmaßen, lieber Herr Kollege Mützenich. Es ist interessant, welche Zitatbrocken vermengt wurden. Aber der Verteidigungsminister gibt während eines Mandates immer wieder eine militärische Bewertung ab, so wie der Minister des Auswärtigen eine Bewertung der anderen Punkte - auch eine übergreifende Bewertung - vornimmt, so wie der Entwicklungsminister eine entwicklungspolitische Bewertung abzugeben hat. Das entspricht der Erwartungshaltung, die letztlich auch Sie an uns haben.

Die NATO hat den in Lissabon und auf den Konferenzen in Kabul und London beschlossenen Strategiewechsel mittlerweile umgesetzt. Dieser Strategiewechsel trägt in meinen Augen erste Früchte. Das kann man wirklich sagen.

Über meinen Fachbereich haben wir auch im letzten Jahr intensive Diskussionen geführt, etwa was das Konzept des Partnerings anbelangt. Das Konzept des Partnerings - als ein Ausbildungskonzept, als ein Schutzkonzept, ja, auch als ein Konzept, um die Aufständischen letztlich aus ihren schon ergriffenen Räumen in andere Räume zu verdrängen - ist eines, das erfolgreich läuft. Mit den Ausbildungsleistungen sind wir im Zeitplan. Es ist sogar so, dass wir vor dem Zeitplan liegen. Ich glaube, das kann als ein Erfolg gewertet werden. Das ist ein Erfolg der Leistungen der militärischen wie der zivilen Kräfte vor Ort, ein Erfolg des Zusammenwirkens, und das funktioniert.

Wir haben natürlich Zielsetzungen zu erfüllen, auch ehrgeizige, ambitionierte Zielsetzungen. Wir haben in den letzten Monaten und im letzten Jahr gottlob auch eine Diskussion über realistische Ziele geführt: Was ist in Afghanistan erreichbar? Wann ist es erreichbar? Mit welchen Partnern ist es erreichbar?

Vor diesem Hintergrund sage ich: Ja, 2011 wird für uns ein forderndes Jahr werden. Präsident Karzai hat gesagt, er will diesen Prozess der Übergabe in Verantwortung, von dem der Kollege Westerwelle gesprochen hat, bis zum Jahr 2014 abschließen. Natürlich unterstützen wir ihn nachdrücklich in diesem Vorhaben; das versteht sich von selbst.

Das Jahr 2011 steht für den Gedanken, dass niemand dauerhaft in Afghanistan bleiben will. Das ist ein Gedanke, der nicht nur uns und die Bevölkerung in diesem Lande umtreibt, sondern dieser Wunsch erfüllt natürlich auch die Menschen in Afghanistan. Gleichzeitig wäre es aber verantwortungslos, wenn wir jetzt unmittelbar und übereilt abziehen wollten. Das würde die jungen afghanischen Sicherheitskräfte zum jetzigen Zeitpunkt noch überfordern. Deswegen ist der Plan, die Ausbildung bis 2014 konsequent abzuschließen.

Wir liegen im Plan; das habe ich Ihnen gesagt. Wir gehen unseren Weg zum Abzug. Ich teile ganz ausdrücklich die geäußerte Zuversicht, dass wir bereits in diesem Jahr mit einem ersten Abzug beginnen können. Den Satz, den Guido Westerwelle vorhin verlesen hat, kann man, wenn man irgendwo einen Streit hineinbringen will, so und so deuten. Wir haben uns auf diesen Satz geeinigt. Er ist die Position der Bundesregierung. Die Position der Bundesregierung enthält das Ziel und die Zuversicht, in diesem Jahr mit dem Abzug zu beginnen. Guido Westerwelle hat auch klar gesagt - das ist ein völlig logischer Ansatz -: wenn es die Lage erlaubt. Wir tun alles dafür, dass es die Lage erlaubt.

Ich glaube, dieser Ansatz ist ehrgeizig. Lieber Kollege Mützenich, dieser Ansatz wird auch vom Zivilisten Karl-Theodor zu Guttenberg mitgetragen, und zwar aus Verantwortung für unsere Soldatinnen und Soldaten, denen ich von dieser Stelle aus für ihren Dienst ausdrücklich danken will. Sie haben die Anerkennung in diesem fordernden Einsatz verdient.

Dieser Ansatz ist von der Verantwortung mitgetragen, dass wir immer auch sagen: Verantwortung haben wir auch für diejenigen, die dort verbleiben. Auch daran haben wir unsere Entscheidungen auszurichten. Es werden gemeinsam getragene und kluge Entscheidungen sein, die wir treffen, und solche, die endlich auch einer Perspektive für Afghanistan, die das Land verdient hat, die aber auch unsere Soldaten und unsere zivilen Helfer verdient haben, Ausdruck geben.


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Quelle:
Bulletin Nr. 06-3 vom 21.01.2011
Rede des Bundesministers der Verteidigung, Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg,
zur Fortsetzung der Beteiligung der Bundeswehr am Einsatz der
Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (ISAF)
unter Führung der NATO vor dem Deutschen Bundestag am 21. Januar 2011 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Januar 2011