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REDE/876: Bundesinnenminister Friedrich zum Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Zwangsheirat, 17.3.11 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede des Bundesministers des Innern, Dr. Hans-Peter Friedrich, zum Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften vor dem Deutschen Bundestag am 17. März 2011 in Berlin:


Sehr verehrte Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!

In den letzten Jahrzehnten haben Menschen aus aller Welt in Deutschland eine neue Heimat gefunden. Sie haben durch ihre Arbeit und ihr gesellschaftliches Engagement, sei es in Vereinen, Kultureinrichtungen oder Sozialinitiativen, einen Beitrag zum Wohle unseres Landes geleistet und sich an der Gestaltung unserer Gesellschaft, ihrer neuen Heimat, beteiligt.

Menschen unterschiedlicher Religionen und unterschiedlicher Kulturen leben in unserem Lande friedlich zusammen. Der Respekt vor unterschiedlichen religiösen Überzeugungen und kulturellen Traditionen ist ein Grundpfeiler unserer toleranten und weltoffenen Gesellschaft. Die Religionsfreiheit ist ein elementar wichtiger Pfeiler unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Das Pflegen von mitgebrachten Traditionen ist ein Recht, das in diesem freien Land ein jeder hat.

Aber wir sind uns wohl auch einig, dass alle Menschen, die in unserem Lande leben, sich nach unseren freiheitlich-demokratischen Werten richten müssen. Die Mehrheit der in unserem Land lebenden Migranten hat sich bereits erfolgreich in die Gesellschaft integriert. Gleichwohl kennen wir auch Defizite. Sie anzusprechen und zu beseitigen, ist unser Auftrag. Wir wollen eine Gesellschaft, in der Jungen und Mädchen aus Migrantenfamilien eine echte Chance bekommen, hier in unserem Land erfolgreich ihren Weg zu gehen. Wir wollen ein wirkliches Miteinander, kein Nebeneinander und schon gar nicht ein Gegeneinander. Deswegen muss es darum gehen, gemeinsam pragmatische Lösungen zu finden, um Integrationspolitik in unserem Land noch erfolgreicher zu machen.

Die Änderungen, über die wir heute sprechen, sind in einem sorgfältigen Reifeprozess geplant und vorbereitet worden. Wir beraten heute einen Gesetzentwurf, der nach meiner festen Überzeugung geeignet ist, die Integration der Menschen in unserem Land zu fördern und voranzubringen. Fördern und Fordern, das sind ehrliche und gute Koordinaten für eine erfolgreiche Integrationspolitik, übrigens nicht nur in Bezug auf die Integration von Migranten, sondern auch in Bezug auf alle Menschen, die in der Mitte der Gesellschaft aufgenommen werden sollen.

Wir fördern die Integration der bei uns lebenden Migranten, indem wir sie nicht alleinlassen. Wir schaffen Rahmenbedingungen, die den Menschen eine erfolgreiche Eingliederung in unsere Gesellschaft ermöglichen. Zugleich fordern wir die Bereitschaft, sich selbst aktiv um Integration zu bemühen. Jeder Migrant trägt selbst die Verantwortung für seine erfolgreiche Integration in unsere Gesellschaft.

Der Gesetzentwurf, den wir heute beraten, umfasst verschiedene Regelungsbereiche:

Erstens. Wir gewähren Ausländerinnen, die in Deutschland integriert waren und in ihr Herkunftsland verschleppt und zwangsverheiratet wurden, ein eigenständiges Rückkehrrecht. Gleichzeitig führen wir einen eigenen Straftatbestand "Zwangsheirat" ein. Das klare Signal, das wir damit geben, lautet: Wer junge Frauen zwangsverheiratet oder solches Handeln unterstützt, kann sich nicht auf andersartige kulturelle oder religiöse Traditionen berufen, sondern er begeht strafbares Unrecht, das unsere Gesellschaft nicht zu tolerieren bereit ist.

Zweitens. Wir verlängern die Mindestbestandsdauer einer Ehe, die erforderlich ist, um ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zu erhalten, auf drei Jahre. Damit verringern wir den Anreiz zur Eingehung einer Scheinehe und erhöhen die Möglichkeit der Aufdeckung. Wir fordern von denjenigen, die sich um Zuzug nach Deutschland bemühen, dass sie dies unter Beachtung der geltenden Zuwanderungsregeln tun. Wer eine Ehe allein zu dem Zweck eingeht, ein Aufenthaltsrecht zu begründen, unterläuft diese Regel. Deswegen machen wir mit unserem Gesetzentwurf deutlich, dass wir diesen Missbrauch mit aller Entschiedenheit bekämpfen.

Drittens. Wir gewähren bislang nur geduldeten Jugendlichen, die sich schon lange in Deutschland aufhalten, erfolgreich die Schule besuchen, einen Schul- oder Berufsabschluss haben und gut integriert sind, ein eigenes Aufenthaltsrecht. Wenn sie bisher geduldet waren und sich gut integriert haben, erhalten sie also jetzt ein eigenes Aufenthaltsrecht. Denn es gehört zu unserer Politik des Förderns und Forderns, dass erbrachte Integrationsleistungen entsprechend belohnt werden.

Viertens. Zu unserer Politik des Forderns gehört es, dass wir Verstöße gegen Integrationsverpflichtungen künftig stärker sanktionieren. Wir verlangen von den hier lebenden Ausländern, dass sie sich mit den Grundwerten unserer Gesellschaft vertraut machen und Deutsch lernen. Denn wer auf Dauer hier leben will, muss Deutsch sprechen können. Der Besuch der Integrationskurse ist deshalb für noch nicht integrierte Ausländer verpflichtend.

Klar ist: Integration ist ein langer Prozess, und Integration braucht vielfältige Begegnungen: im privaten Bereich, in der Nachbarschaft, in der Schule, im Verein und im Beruf. Gerade deswegen ist das Erlernen der deutschen Sprache der wichtigste Schlüssel zur Integration. Aus diesem Grunde machen wir deutlich, dass es auf eine erfolgreiche Teilnahme an diesen Integrationskursen ankommt. Vor allem verlangen wir, dass ausreichende Deutschkenntnisse erworben werden. Von denjenigen, denen das nicht gelingt, werden wir künftig regelmäßig weitere Integrationsbemühungen einfordern. Ihre Aufenthaltserlaubnis wird deshalb jeweils nur um maximal ein Jahr verlängert, bis sie den Integrationskurs erfolgreich abgeschlossen haben oder nachweisen können, dass ihre Integration anderweitig erfolgt ist. Wir schaffen damit einen Anreiz, sich zügig in die Lebensverhältnisse in Deutschland zu integrieren.

Keiner wird wohl leugnen, dass sich nur derjenige in unsere Gesellschaft einbringen und sie aktiv mitgestalten kann, der auch Deutsch spricht. Wer die aktive Bereitschaft zum Erwerb der deutschen Sprache nicht klar und unmissverständlich einfordert, der schädigt letztlich die Migranten selbst. Er beraubt sie der Möglichkeit, sich sozial und wirtschaftlich zu integrieren. Er lässt zu, dass diese Menschen Gefahr laufen, dauerhaft von Sozialleistungen abhängig zu sein. Das will keiner von uns.

Der vorliegende Gesetzentwurf bietet pragmatische Lösungsansätze für eine solide und wahrhaftige Integrationspolitik. Ich möchte Sie herzlich bitten, diesen Gesetzentwurf zu unterstützen.


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Quelle:
Bulletin Nr. 27-2 vom 17.03.2011
Rede des Bundesministers des Innern, Dr. Hans-Peter Friedrich,
zum Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum
besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung
weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften vor dem
Deutschen Bundestag am 17. März 2011 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2011