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SICHERHEIT/033: Risikomanagement - Teil 1 (german-foreign-policy.com)


Informationen zur Deutschen Außenpolitik - 24.02.2009
(german-foreign-policy.com)

Risikomanagement (I)


BERLIN - Berlin bereitet sich auf Terroranschläge in der Bundesrepublik als Reaktion auf die weltweiten deutschen Militärinterventionen vor. Als möglich gelten unter anderem Angriffe auf die Versorgungsinfrastruktur, etwa in Form einer gezielten Vergiftung des Trinkwassers deutscher Großstädte. Um die prognostizierten Gefahren zu kontern, fördert die Bundesregierung die Entwicklung von Überwachungs-und Repressionstechnologien mit Staatsgeldern im dreistelligen Millionenbereich. Aktuell steht die Absicherung des Warenverkehrs von und nach Deutschland auf dem Programm. Begleitet wird das Vorhaben von sozialwissenschaftlichen Untersuchungen. Diese sollen die Widerstände in der Bevölkerung gegen den eiligen Ausbau von Überwachungs- und Repressionsmaßnahmen ausloten, mit dem Deutschland im Inneren kriegsfest gemacht wird, und die Grundlagen für eine entsprechende Akzeptanzwerbung liefern.

Trinkwasserüberwachung

Aktuelle Ausschreibungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) stellen Rüstungskonzernen, Hochschulen und außeruniversitären Wissenschaftseinrichtungen weitere Millionensummen im Rahmen des bereits laufenden Programms "Forschung für die zivile Sicherheit" in Aussicht. Bisher wurden öffentliche Mittel in Höhe von insgesamt 97,2 Millionen Euro vergeben - für Arbeiten in den Bereichen "Schutz von Verkehrsinfrastrukturen", "Integrierte Schutzsysteme für Rettungs- und Sicherheitskräfte" sowie "Detektionssysteme für chemische, biologische, radiologische, nukleare und explosive Gefahrstoffe".[1] Von dem letztgenanntem Projekt profitiert unter anderem die Waffenschmiede Diehl. Forschungsgelder aus dem Programm, mit dem die Verwundbarkeit der Bundesrepublik minimiert werden soll, fließen aber auch an Unternehmen wie die Berliner Wasserbetriebe, die sich mit der "Trinkwasserüberwachung und schnellen Alarmierung bei Anschlägen" befassen.[2]

Warenketten

Zentraler Aspekt der jetzt vom BMBF neu ausgeschriebenen Forschungsprojekte ist die "Sicherung der Warenketten", die zwischen der "Exportnation" Deutschland und anderen Ländern bestehen. Wie aus dem Ministerium zu vernehmen ist, geht es darum, die Belieferung der Bundesrepublik mit den gewünschten Gütern gegen Angriffe zu sichern: Demnach sollen "Sicherheitsszenarien betrachtet werden, in denen die Warenversorgung durch Anschläge, Naturkatastrophen, Großunfälle oder kriminelle Handlungen bedroht oder betroffen ist". Ausgangspunkt dieser Szenarien ist ein "vollständige(r) oder teilweise(r) Ausfall von Produktionsprozessen", der zu gravierenden "Versorgungsengpässen" führt. Der Mangel an lebenswichtigen Gütern wiederum könne "erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit" nach sich ziehen, heißt es.[3]

Exportförderung

Im Vordergrund des Maßnahmenkatalogs steht nicht der Schutz der deutschen Zivilbevölkerung, sondern die Stärkung der Exportindustrie. Laut BMBF werden von der Forschung "Lösungen" erwartet, die "den internationalen Markt für Sicherheitsprodukte und -verfahren aus Deutschland erschließen". Des weiteren müssten die Forschungsvorhaben "über die Erarbeitung technischer Sicherheitslösungen weit hinaus" gehen und betriebswirtschaftliche Rentabilität sowie soziale Eskalationspotenziale in Rechnung stellen, heißt es. Gefragt sind die Beschäftigung mit "Bedrohungsszenarien", "Kosten/Nutzen-Analysen" sowie Arbeiten über die "Dynamik von Personen und Organisationen in Krisensituationen".[4]

Warnung vor Widerständen

Entscheidend für die Aufnahme von Unternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen in das Förderprogramm der Bundesregierung ist außerdem die Behandlung von "geistes- und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen" im Rahmen eines umfassenden "Risikomanagements". Dabei geht es explizit auch um die Steigerung der "Technik- und Maßnahmenakzeptanz" in der Bevölkerung; man müsse "Ganzheitlichkeit" und "Breitenwirkung" der Repression in Rechnung stellen, warnt das BMBF vor Widerständen gegen die innere Aufrüstung der Bundesrepublik.[5]

Akzeptanzforschung

Zu diesem Zweck hat das BMBF jetzt auch das eigenständige Programm "Gesellschaftliche Dimensionen der Sicherheitsforschung" aufgelegt. Es beinhaltet die Erfassung von "Werten", "Wahrnehmungen" und "Verhaltensweisen" in der Bevölkerung und dient dem Ziel, die "gesellschaftlichen Voraussetzungen" für die Akzeptanz der "avisierten Sicherheitslösungen" zu verbessern. Laut BMBF müsse letztlich ein "besseres Verständnis" für die Repressionsforschung "in Wissenschaft und Öffentlichkeit“ entwickelt werden. Als möglicher Ansatzpunkt gilt das "Sicherheitsbewusstsein", dessen Erforschung daher vorgeschlagen wird - ausdifferenziert und milieuspezifisch: "Soziokulturelle Unterschiede" müssten berücksichtigt werden.[6]

Totalmobilisierung

Es sei außerdem auch zu erforschen, welche Perspektiven eine "Einbeziehung von Kommunen, Verbänden, Bürgerinnen und Bürgern sowie insbesondere kommerziellen Sicherheitsanbietern" in eine gesamtgesellschaftliche "Sicherheitsarchitektur" biete, heißt es über den Versuch, sämtliche Kräfte für die innere Mobilisierung zu gewinnen.[7]

Medienpräsenz

Die Förderung durch das BMBF ist an die Vorlage eines differenzierten "Verwertungsplans" gebunden. Die beteiligten Unternehmen und Wissenschaftseinrichtungen sollen, wenn nötig, auch neue "Vorschriften, Richtlinien und rechtliche Rahmenbedingungen" entwerfen, also die Anpassung geltender Normen an die Erfordernisse künftiger Repression vorbereiten. Ausschlaggebend für den "Projekterfolg" sei zudem, schreibt das Ministerium, eine "öffentlichwirksame Präsentation des Vorhabens" in Form von Konferenzen, Podiumsdiskussionen, Medienbeiträgen oder Ausstellungen: So erziele man "Medienpräsenz", eine Bedingung für Akzeptanz der Repressionstechnologien.[8]


Anmerkungen:

[1] Förderung in der Sicherheitsforschung; www.bmbf.de

[2] Angaben nach: Forschung für die zivile Sicherheit - bewilligte Projekte; vditz.de und foerderportal.bund.de

[3], [4], [5] Bekanntmachung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung von Richtlinien über die Förderung zum Themenfeld "Sicherung der Warenketten" im Rahmen des Programms "Forschung für die zivile Sicherheit" der Bundesregierung vom 18. Dezember 2008; www.bmbf.de

[6], [7], [8] Bekanntmachung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung von Richtlinien über die Förderung zum Themenfeld "Gesellschaftliche Dimensionen der Sicherheitsforschung" im Rahmen des Programms der Bundesregierung "Forschung für die zivile Sicherheit" vom 21. Oktober 2008; www.bmbf.de


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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Februar 2009