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SICHERHEIT/122: Abrüstung - "UN kann Atomwaffen langfristig als geopolitische Währung abwerten" (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. Juni 2013

Abrüstung: 'UN kann Atomwaffen langfristig als geopolitische Währung abwerten'

von Thalif Deen



New York, 4. Juni (IPS) - Im kommenden September wird die 193 Mitgliedsländer zählende UN-Vollversammlung (UNGA) ihr überhaupt erstes hochrangiges Treffen zum Thema atomare Abrüstung abhalten. Auch wenn die Chancen gleich null sind, dass sich die Atommächte zu einer Verringerung ihrer Bestände verpflichten, sehen Friedensforscher durchaus Möglichkeiten für die UNGA, Einfluss zu nehmen.

Wie aus dem am 3. Juni veröffentlichten neuen Jahrbuch des Stockholmer Friedensforschungsinstituts IFPRI hervorgeht, verfügten die acht Atommächte China, Frankreich, Großbritannien, Indien, Israel, Pakistan, Russland und die USA Anfang 2013 über etwa 4.400 einsatzbereite Atomwaffen. Fast 2.000 befanden sich in höchster Alarmbereitschaft.

Wie Jonathan Granoff, Vorsitzender des 'Global Security Institute' mit Sitz in den USA und beigeordneter Professor am rechtswissenschaftlichen Institut der 'Widener University', betonte, "müssen wir Waffenkontrolle und Abrüstung beschleunigen und ihnen mehr politisches Profil verleihen."

Der neue SIPRI-Bericht betont die Notwendigkeit, auf die Einhaltung der Versprechen zu drängen, die auf der Konferenz zur Revision des Atomwaffensperrvertrags (NPT) 2012 gemacht worden sind. "Versprechen sollten eine Bedeutung haben", sagte Granoff.


Keine Anzeichen für Bereitschaft zur Aufgabe von Atomwaffen

Die Zahl der atomaren Sprengköpfe der acht Atommächte schätzt SIPRI auf 17.265. Anfang 2012 waren es noch 19.000 gewesen. Den Rückgang erklären die Abrüstungsexperten mit der Verringerung russischer und US- amerikanischer Kernwaffen im Rahmen des neuen Vertrags über die Begrenzung strategischer Offensivwaffen (START-Nachfolgevertrag) und dem Verzicht auf alte und obsolete Kernwaffen.

Gleichzeitig weist SIPRI darauf hin, dass alle fünf offiziell anerkannten Atomwaffenstaaten - China, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA - entweder neue Atomwaffenliefersysteme entwickeln oder entsprechende Programme angekündigt haben. Sie seien offenbar dazu entschlossen, ihre Atomwaffenarsenale für immer zu behalten. Von allen fünf Ländern ist China das einzige, das seine Kernwaffenarsenale vergrößert. Und von den nicht offiziellen Atomstaaten gilt dies sowohl für Indien als auch Pakistan, die zudem an einem Ausbau ihrer Atomwaffenliefersysteme arbeiten.

Wieder gebe es keine Anzeichen dafür, dass die Atomwaffenstaaten bereit seien, ihre nuklearen Arsenale aufzugeben, heißt es in dem SIPRI-Bericht. Die langfristig ausgelegten Modernisierungsmaßnahmen, die in diesen Staaten durchgeführt würden, legten nahe, dass Atomwaffen offenbar noch immer als Status- und Machtsymbole geschätzt würden, meinte Shannon Kile vom SIPRI-Projekt für Nukleare Waffenkontrolle, Abrüstung und Nichtweiterverbreitung.

Auch wenn die UN-Vollversammlung im September nicht in der Lage sein wird, die Atomwaffenstaaten zur nuklearen Abrüstung zu bewegen, sollte ihre Bedeutung, bestehende Normen zu stärken und auf die Einhaltung eingegangener politischer Verpflichtungen zu dringen, nach Ansicht von Kile nicht unterschätzt werden.

Dem Experten zufolge ist es wichtig, dass die UNGA ihren Druck auf die Atomwaffenstaaten aufrechterhält, damit diese die Rolle von Atomwaffen für ihre eigenen Sicherheitsstrategen überdenken. Es gelte die Länder dazu zu bewegen, dass sie nukleare Erstschläge öffentlich ausschlössen und garantieren, keine Atomwaffen gegen kernwaffenlose Staaten einzusetzen.


"Besitz von Atomwaffen delegitimieren"

Auf lange Sicht "kann die UN-Vollversammlung Atomwaffen als geopolitische Währung abwerten und den Besitz von Atomwaffen delegitimieren", meinte Kile. "Das wird zugegebenermaßen einen langwierigen Prozess erfordern, der viel Geduld und beharrliche Diplomatie erfordert", fügte er hinzu.

Wie Granoff gegenüber IPS erklärte, ist die US-Regierung unter Barack Obama der Auffassung, dass der Senat das START-Abkommen unter der Voraussetzung, dass die verbleibenden US-Waffenarsenale modernisiert werden, ratifiziert. Doch eine Modernisierung der Bestände werde lediglich dafür sorgen, dass die Atomwaffenarsenale bleiben wie sie sind und die Präzision anderer Kernwaffen verbessert würde.

"Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Abschaffung dieser tödlichen Waffen einen immer höheren Stellenwert auf der politischen Tagesordnung einnimmt", meinte Granoff. "Und zwar solange, bis die Atommächte bereit sind, in der Abrüstungsfrage zu kooperieren." (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.sipri.org/yearbook/2013
http://www.ipsnews.net/2013/06/u-n-can-help-devalue-nukes-as-geopolitical-currency/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2013