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WISSENSCHAFT/1062: Ergebnisse der Herbstsitzungen des Wissenschaftsrates (idw)


Wissenschaftsrat - 15.11.2010

Ergebnisse der Herbstsitzungen des Wissenschaftsrates


Mit der Verabschiedung übergreifender Empfehlungen zur Profilierung der Einrichtungen mit Ressortforschungsaufgaben des Bundes hat der Wissenschaftsrat nach rund sechs Jahren die Begutachtung der Bundesressortforschung abgeschlossen. Insgesamt verfügen die seit 2004 begutachteten 40 Ressortforschungseinrichtungen über beachtliches Potential, das allerdings vielfach nicht hinreichend realisiert wird. Die Qualitätsunterschiede zwischen den Einrichtungen sind erheblich.

Die Hochschultypen Universität und Fachhochschule allein reichen nicht aus, um die Vielzahl der Erwartungen erfüllen zu können, die an das Hochschulsystem gerichtet werden, so der Wissenschaftsrat in seinen Empfehlungen zur Differenzierung der Hochschulen. Vor allem mit Blick auf eine wachsende und heterogener werdende Gruppe von Studierenden sind mehr alternative Hochschulformen notwendig. "Professional Schools" sollen berufsbezogenen Ausbildungsangeboten einen Ort in der Hochschule geben, "Colleges" sollen breite Bildungsmöglichkeiten eröffnen. Mit neuen Hochschulformen und Verbünden bestehender Hochschulen sollen neue Profile von Studium und Forschung auch zusätzlich zum Paradigma der "Forschungsexzellenz" akzentuiert werden.

In seiner Stellungnahme zum Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR) unterstützt der Wissenschaftsrat die grundsätzlichen Absichten und Ziele, die mit diesem bildungspolitischen Instrument verfolgt werden. Es wird als sinnvoll und notwendig angesehen, alle Abschlüsse und Qualifikationen, die in Europa an Schulen, Hochschulen und in der beruflichen Bildung erworben werden, in Bezug auf die vermittelten Kompetenzen transparenter und damit vergleichbarer zu machen. Damit erhöht sich die Mobilität von hochqualifizierten Fachkräften und Lernenden in Europa.

Um auch in Zukunft die international anerkannte Stellung Deutschlands in der Meeres- und Polarforschung zu sichern, empfiehlt der Wissenschaftsrat, zeitgerecht Ersatz für die Forschungsschiffe "Polarstern" und "Meteor" zu schaffen. Darüber hinaus sieht er die Chance, Deutschland ein europäisch und international einmaliges Profil und damit eine Vorreiterrolle in der Polarforschung zu verschaffen. Innerhalb der nächsten zehn Jahre werden vier der sieben hochseetauglichen Forschungsschiffe für die Meeres- und Polarforschung aus Altersgründen außer Dienst gestellt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hatte deshalb den Wissenschaftsrat gebeten, eine Stellungnahme zur Gesamtkonzeption der deutschen Forschungsflotte in den nächsten Dekaden zu erarbeiten und Empfehlungen für Bau und Betrieb der Forschungsschiffe abzugeben.

Sehr positiv bewertet hat der Wissenschaftsrat das Institut für Europäische Geschichte (IEG), Mainz, das in international einzigartiger Weise Forschung zur europäischen Universalgeschichte und Religionsgeschichte seit dem ausgehenden Mittelalter bis in das 20. Jahrhundert verbindet. Er spricht sich für eine Aufnahme des Instituts in die gemeinsame Förderung von Bund und Ländern im Rahmen der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz (WGL) aus.

Eine insgesamt positive Entwicklung bescheinigt der Wissenschaftsrat auch dem Forschungszentrum L3S, Hannover, das sich mit informationstechnischen Fragen der Entwicklung des World Wide Web beschäftigt. Das Forschungszentrum L3S bearbeitet innovative Fragestellungen äußerst praxisnah. Angesichts der rasanten Entwicklung des World Wide Web ist diese Forschung gesellschaftlich hoch relevant.

Zugestimmt hat der Wissenschaftsrat der Gründung eines neuen medizinischen Standortes an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und damit der Erprobung neuer Wege in der ärztlichen Ausbildung. Er hält das Gründungskonzept, um dessen Bewertung ihn das Land Niedersachsen gebeten hatte, grundsätzlich für überzeugend und die standortspezifische Ausgangssituation für förderlich. Kennzeichnend für das Konzept ist eine enge Kooperation mit der niederländischen Nachbaruniversität in Groningen. Im Rahmen der so genannten "European Medical School Oldenburg-Groningen" sollen Studierende beider Universitäten ein gemeinsames humanmedizinisches Studium von sechs Jahren durchlaufen.

Im Rahmen der Institutionellen Akkreditierung wurden zwei Verfahren beraten. In beiden Fällen gelangte der Wissenschaftsrat zu einem positiven Akkreditierungsvotum. Akkreditiert wurden die Hochschule Fresenius, Idstein, und die Karlshochschule International University, Karlsruhe.


Hinweis: Die genannten Empfehlungen und Stellungnahmen werden im Netz als Volltext veröffentlicht
(http://www.wissenschaftsrat.de/veroeffentlichungen/veroeffentlichungen-ab-1980/),
sie können aber auch bei der Geschäftsstelle des Wissenschaftsrates per E-Mail (post@wissenschaftsrat.de) angefordert werden.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.wissenschaftsrat.de/veroeffentlichungen/veroeffentlichungen-ab-1980/


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Wissenschaftsrat: "Es bleibt noch viel zu tun" - Evaluation der Ressortforschung abgeschlossen

Mit der Verabschiedung übergreifender "Empfehlungen zur Profilierung der Einrichtungen mit Ressortforschungsaufgaben des Bundes" hat der Wissenschaftsrat am vergangenen Freitag nach rund sechs Jahren die Begutachtung der Bundesressortforschung abgeschlossen. "Die Qualitätsunterschiede zwischen den Einrichtungen sind erheblich", resümiert der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Professor Peter Strohschneider, die Ergebnisse aus mehr als 40 Einzelbegutachtungen, die der Wissenschaftsrat seit Herbst 2004 durchgeführt hat.

"Neben einzelnen Einrichtungen, deren Forschungsleistungen unzureichend sind, stehen andere wie etwa die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, die im internationalen Vergleich eine führende Stellung einnehmen. Insgesamt verfügen die Ressortforschungseinrichtungen über beachtliches Potenzial, das allerdings vielfach nicht hinreichend realisiert wird. Es bleibt noch viel zu tun."

Gute Forschungsleistungen sind die notwendige Grundlage für eine gute Politikberatung und für hochwertige Dienstleistungen beispielsweise im Bereich der Zulassung, Normung und Standardisierung, so der Wissenschaftsrat in seiner Stellungnahme. Damit die Ressortforschungseinrichtungen diese Aufgaben zur Unterstützung der Bundesregierung besser erfüllen können, sollten sie in größerem Umfang Maßnahmen zur Sicherung ihrer wissenschaftlichen Qualität ergreifen. Auch sollten Ressortforschungseinrichtungen enger mit Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen zusammenarbeiten. Unerlässlich sind in diesem Zusammenhang flexiblere Regelungen im Personal- und Haushaltswesen, insbesondere die Einrichtung befristeter Stellen für wissenschaftliche Nachwuchskräfte und die Einführung von Globalhaushalten. Der Wissenschaftsrat spricht sich dafür aus, die forschungsstärkeren Ressortforschungseinrichtungen in die "Initiative Wissenschaftsfreiheitsgesetz" der Bundesregierung einzubeziehen.

Ebenfalls an die Bundesregierung richten sich die Empfehlungen zu einer transparenteren Gestaltung des gesamten Bereichs der Ressortforschung. In diesem Zusammenhang tritt der Wissenschaftsrat vor allem für eine regelmäßige Überprüfung der Forschungsbedarfe ein. Auf dieser Grundlage sollte die Bundesregierung entscheiden, ob Ressortforschungseinrichtungen gegründet, umstrukturiert oder geschlossen werden. Stärker als bislang sollten auch Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen in die Bearbeitung von Forschungsaufträgen der Bundesministerien einbezogen werden. Unabhängig davon empfiehlt der Wissenschaftsrat der Bundesregierung, alle Bundesbehörden, die in nennenswertem Umfang Forschungstätigkeiten durchführen, im Bundesforschungsbericht auszuweisen. Dies ist bislang nicht der Fall, für die Sichtbarkeit der Ressortforschungseinrichtungen im Wissenschaftssystem jedoch unerlässlich.

Verbesserungsbedarf hat der Wissenschaftsrat schließlich auch im Hinblick auf die internationale Einbindung der Ressortforschungseinrichtungen festgestellt. Er empfiehlt, die internationalen Aktivitäten der Ressortforschungseinrichtungen ressortübergreifend besser zu koordinieren sowie gemeinsam insbesondere mit den europäischen Partnern Möglichkeiten der Zusammenarbeit und der Arbeitsteilung zu prüfen und zu nutzen. "Die deutsche Ressortforschung muss sich auch international besser vernetzen - nicht nur, aber auch im wissenschaftlichen Bereich", so Strohschneider. Dies sollte sich auch in der Forschungsplanung, im Organisationsaufbau sowie in der Personal- und Haushaltsführung niederschlagen. Die umfassende Integration der Ressortforschung in die Strategie der Bundesregierung zur Internationalisierung von Wissenschaft und Forschung wäre aus Sicht des Wissenschaftsrates hierfür ein wichtiger erster Schritt.

Darüber hinaus hat der Wissenschaftsrat Stellung genommen zur Umsetzung der Empfehlungen aus den Evaluationen des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE), Bonn, und des Bundesinstituts für Strahlenschutz (BfS), Salzgitter. Dem DIE ist es gelungen, seine sehr guten Forschungsleistungen weiter zu verbessern und damit eine stabile Grundlage für seine ausgezeichnete Beratungstätigkeit zu legen. Auch das BfS hat in einigen Bereichen Verbesserungen erzielt. Allerdings kritisiert der Wissenschaftsrat, dass in den wichtigen Arbeitsbereichen "Sicherheit in der Kerntechnik" und "Sicherheit nuklearer Entsorgung" nach wie vor zu wenig eigene Forschung betrieben wird.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/10295-10.pdf
http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/10291-10.pdf
http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/10290-10.pdf


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Mehr Differenzierung wagen!

Wissenschaftsrat plädiert für einen größeren Alternativenreichtum im Hochschulsystem

Die Hochschultypen Universität und Fachhochschule allein reichen nicht mehr aus, um die gewachsene Vielfalt der individuellen und gesellschaftlichen Erwartungen an akademische Einrichtungen erfüllen zu können, so der Wissenschaftsrat in seinen jüngst verabschiedeten Empfehlungen zur Differenzierung der Hochschulen in Deutschland. Vor allem auch mit Blick auf die wachsende und heterogener werdende Zahl von Studierenden sind mehr alternative Hochschulformen notwendig. Überdies müssen Berufstätige, Studierende in Teilzeit und Studienanfänger aus dem Ausland ebenso bessere Angebote finden wie die an Weiterbildung Interessierten. Der Wissenschaftsrat plädiert deshalb für eine grundsätzliche Offenheit neuen Hochschulformen gegenüber. "Auch wenn die Universität eine Leitinstitution im deutschen Hochschulsystem darstellt, muss es Formen geben, die sich von ihr unterscheiden und nicht zu den Fachhochschulen zählen", so Professor Peter Strohschneider, Vorsitzender des Wissenschaftsrates. Das Risiko einer möglicherweise wachsenden Unübersichtlichkeit in der Hochschullandschaft bestehe; es könne aber für eine Übergangsphase in Kauf genommen werden angesichts der Chance, durch größere Vielfalt von Hochschulen und funktionale Differenzierung den Alternativenreichtum im Gesamtsystem zu vergrößern.

Auch innerhalb der einzelnen Hochschulen sollten bestimmte Aufgaben stärker gebündelt werden. So schlägt der Wissenschaftsrat vor, "Colleges" und "Professional Schools" als Untereinheiten von Hochschulen zu erproben. "Colleges" bieten ein breit angelegtes Studienprogramm mit Kursen aus Geistes-, Natur- und Sozialwissenschaften. In "Professional Schools" steht der Bezug des Studiums zu einem spezifischen Berufsfeld im Zentrum. So könnten in Hochschulen weitere Untereinheiten entstehen, die auf die Lehramtsausbildung spezialisiert sind.

Kritisch sieht der Wissenschaftsrat die derzeit in öffentlichen Diskussionen vorherrschende ausschließliche Fixierung auf Forschungsexzellenz. "Es verwundert nicht", so Strohschneider, "dass die Hochschulen nur selten originelle Selbstbeschreibungen entwickeln, wenn im gegenwärtigen politischen wie wissenschaftlichen Umfeld allein 'Exzellenz' in der Forschung zählt. Ein Hochschulsystem braucht aber unterschiedliche Qualitäten und Schwerpunkte in unterschiedlichen Leistungsbereichen - zum Beispiel auch in der Lehre." Eine Aufspaltung in Forschungs- und Lehruniversitäten lehnt das Gremium jedoch ab.

Eine wachsende Bedeutung misst der Wissenschaftsrat dem Thema Region bei. Er warnt vor dem Risiko, dass durch die unterschiedlichen demografischen wie finanziellen Entwicklungen in den verschiedenen Regionen Deutschlands die Gestaltungsmöglichkeiten mancher Hochschulstandorte eingeschränkt werden könnten. Bund und Länder werden dazu aufgefordert, entsprechende Maßnahmen - gegebenenfalls auch gemeinsam - zu ergreifen, um die möglichen negativen Folgen von regional unterschiedlichen Entwicklungen auszugleichen. Vor allem mit Blick auf den Flächenbedarf an stark nachgefragten Hochschulstandorten werden dringlich rasche Lösungen eingefordert. Gleichzeitig sieht der Wissenschaftsrat die Hochschulen selbst in der Pflicht, sich stärker als bislang strategisch auf ihre regionalen Bedingungen einzustellen.

Kooperationen von Hochschulen, auch in hochschultypübergreifenden Verbünden, stellen aus Sicht des Wissenschaftsrates ein geeignetes Mittel dar, die Hochschullandschaft übersichtlicher zu machen, gemeinsame Profile zu entwickeln und den Austausch untereinander zu befördern. Insbesondere zur Verbesserung der Durchlässigkeit und Mobilität im Hochschulsystem müsse die Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Hochschulen gestärkt werden. Auf Kooperation setzt der Wissenschaftsrat, wo das Promotionsrecht als Instrument der sachlichen Weiterentwicklung einzelner Hochschulen eingesetzt werden soll. Hier empfiehlt das Gremium stets die Einbeziehung von Universitäten.

Der Wissenschaftsrat lenkt den Blick zudem auf die Pflege institutioneller Kulturen. "Die Hochschulen bekommen immer mehr Konkurrenz bei der Erzeugung von Wissen", so Peter Strohschneider. "Umso wichtiger ist es, dass sie als Ort des akademischen Lebens wieder stärker in Erscheinung treten und ihren kulturellen 'Eigensinn' zur Geltung bringen".

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/10387-10.pdf


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WR empfiehlt Erneuerung und Weiterentwicklung der deutschen marinen Forschungsflotte

Um auch in Zukunft die international anerkannte Stellung Deutschlands in der Meeres- und Polarforschung zu sichern, empfiehlt der Wissenschaftsrat, zeitgerecht Ersatz für die Forschungsschiffe "Polarstern" und "Meteor" zu schaffen. Darüber hinaus sieht er die Chance, Deutschland ein europäisch und international einmaliges Profil und damit eine Vorreiterrolle in der Polarforschung zu verschaffen.

Innerhalb der nächsten zehn Jahre werden vier der sieben hochseetauglichen Forschungsschiffe für die Meeres- und Polarforschung aus Altersgründen außer Dienst gestellt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hatte deshalb den Wissenschaftsrat gebeten, eine Stellungnahme zur Gesamtkonzeption der deutschen Forschungsflotte in den nächsten Dekaden zu erarbeiten und Empfehlungen für Bau und Betrieb der Forschungsschiffe abzugeben.

Der globale Klimawandel ist eine der großen Herausforderungen ("global challenges") des 21. Jahrhunderts, bei deren Bewältigung der Meeres- und Polarforschung eine zentrale Rolle zukommt. Der Wissenschaftsrat hält es für dringend erforderlich, dass sich Deutschland als eines der wirtschafts- und wissenschaftsstarken Länder mit seiner Polarforschung federführend an der Erforschung der für diese Entwicklung verantwortlichen Prozesse beteiligt. Konkret empfiehlt der Wissenschaftsrat, über einen begrenzten Zeitraum zeitgleich zwei Eis brechende Forschungsschiffe zu betreiben, um bipolar, das heißt sowohl in der Arktis als auch der Antarktis, ganzjährig forschen zu können. Dazu sollte ab 2016 ein neues Eis brechendes Forschungsschiff verfügbar sein und zugleich, zeitlich begrenzt über drei bis fünf Jahre, die Laufzeit der "Polarstern" verlängert werden. Der Betrieb der "Polarstern" während der Laufzeitverlängerung sollte nach Möglichkeit gemeinsam mit europäischen Partnern finanziert werden: Deutschland würde eine Forschungsplattform bereitstellen, an deren Unterhalt sich die in der marinen Arktisforschung aktiven europäischen Länder beteiligen könnten. Dies würde die Position der europäischen Meeres- und Polarforschung sichtbar stärken.

Effizienter genutzt werden sollten die sogenannten "mittelgroßen" Forschungsschiffe, die vorwiegend in den europäischen Schelf- und Randmeeren, insbesondere der Nord- und Ostsee, eingesetzt werden. Nach Auffassung des Wissenschaftsrates sollte kritisch geprüft werden, ob Schiffskapazitäten in diesem Segment künftig reduziert werden können. Das Vorgehen in der Frage, welches Schiff gegebenenfalls nicht ersetzt wird beziehungsweise außer Fahrt geht, ist an die Entscheidung über die "Poseidon" als dem nächsten zum Ersatz anstehenden Forschungsschiff zu koppeln und ist unter Berücksichtigung des Kapazitätsbedarfs für die universitäre Lehre und Nachwuchsförderung sowie einer überregionalen, europäisch integrierten Küstenforschung zu treffen.

Da sich die Anforderungsprofile der Forschungsschiffe, die weltweit und ozeanisch zum Einsatz kommen, ähneln, hält es der Wissenschaftsrat für sinnvoll, künftig die Einsätze dieser Schiffe in einer Begutachtungs-sowie einer Planungsgruppe gemeinsam zu organisieren. Die Anträge auf Schiffszeit sollten von der DFG-Senatskommission für Ozeanographie in einem wettbewerbsgeleiteten und transparenten Verfahren vergeben werden. Die Einsatzplanung sollte von der existierenden "Leitstelle" an der Universität Hamburg, die entsprechend personell ausgestattet werden sollte, weitergeführt werden. Die Einsatzplanung für "Polarstern" beziehungsweise von zwei Eis brechenden Forschungsschiffen sollte wegen der besonderen logistischen Aufgaben beim Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven bleiben. Zusätzlich empfiehlt der Wissenschaftsrat, eine "Leitstelle für Unterwassertechnologie" zur Koordinierung der seegängigen Großgeräte in einem gemeinsamen Nutzerpool zu gründen. Sie sollte an einem meereskundlichen Institut angesiedelt sein und von einem wissenschaftlich-technischem Team geleitet werden.

Für diese Empfehlungen hat der Wissenschaftsrat erstmals eine Analyse der deutschen Meeres- und Polarforschung im internationalen Vergleich durchgeführt. Dabei wurde deutlich, dass eine international vergleichende sowie alle Gebiete der Meeresforschung umfassende Untersuchung nützlich für eine mit weitem Zeithorizont über Länder- und Ressortgrenzen hinaus koordinierte, transparente Planung von Forschungsinfrastrukturen ist.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/10330-10.pdf


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Wissenschaftsrat würdigt positive Entwicklung des Forschungszentrum L3S, Hannover

Eine insgesamt positive Entwicklung bescheinigt der Wissenschaftsrat dem Forschungszentrum L3S, Hannover, das sich mit informationstechnischen Fragen der Entwicklung des World Wide Web beschäftigt.

"Das Forschungszentrum L3S bearbeitet innovative Fragestellungen äußerst praxisnah. Angesichts der rasanten Entwicklung des World Wide Web ist diese Forschung gesellschaftlich hoch relevant. Beides macht das Forschungszentrum L3S zu einer wichtigen Einrichtung in Deutschland", so der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Professor Peter Strohschneider. Die Evaluation durch den Wissenschaftsrat erfolgte auf Bitten des Landes Niedersachsen.

Die Drittmitteleinwerbung und die Publikationsaktivitäten des L3S haben seit der Gründung im Jahr 2001 kontinuierlich zugenommen. Sie sind Ausdruck der hohen Leistungsfähigkeit des Instituts und der Qualität seiner Forschung. Verbesserungsbedarf besteht nach Meinung des Wissenschaftsrates jedoch bei der Sicherstellung der Kohärenz der Forschungsaktivitäten. Empfohlen wird, die Grundfinanzierung des Forschungszentrums langfristig zu sichern und deutlich zu erhöhen. Diese Mittel sollen zur Stärkung der theoretisch orientierten Forschung genutzt werden. Zudem sollen eine stabile Leitungsstruktur und vermehrt Stellen für unbefristet beschäftigte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geschaffen werden.

Der Wissenschaftsrat sieht zwei Entwicklungsoptionen für das L3S. Die erste Option besteht darin, innerhalb der breiten ausschließlich informationstechnischen Forschung zum Thema Web Science eine Konzentration auf ausgewählte Schwerpunkte vorzunehmen. Die zweite Option wäre eine Erweiterung der Forschung des L3S um Fragen der technischen und insbesondere gesellschaftlichen Vorraussetzungen und Folgen der Entwicklung des Webs. Hierfür wären weitere Disziplinen wie Psychologie, Soziologie, Ökonomie und Rechtswissenschaften mit einzubeziehen.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/10294-10.pdf


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Wissenschaftsrat ebnet Weg für Gründung einer neuen Universitätsmedizin in Oldenburg

Zugestimmt hat der Wissenschaftsrat der Gründung eines neuen medizinischen Standortes an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und damit der Erprobung neuer Wege in der ärztlichen Ausbildung. Er hält das Gründungskonzept, um dessen Bewertung ihn das Land Niedersachsen gebeten hatte, grundsätzlich für überzeugend und die standortspezifische Ausgangssituation für förderlich. Kennzeichnend für das Konzept ist eine enge Kooperation mit der niederländischen Nachbaruniversität in Groningen.

Im Rahmen der so genannten "European Medical School Oldenburg-Groningen" sollen Studierende beider Universitäten ein gemeinsames humanmedizinisches Studium von sechs Jahren durchlaufen. Mindestens ein Drittel der Studienleistung ist am jeweils anderen Ort zu erbringen.

Allerdings knüpft der Wissenschaftsrat sein positives Votum an einige Bedingungen. "Wenngleich das Konzept einer European Medical School Oldenburg-Groningen grundsätzlich unterstützenswert ist", fasst Professor Peter Strohschneider, Vorsitzender des Wissenschaftsrates, das Urteil zusammen, "besteht in einigen Punkten erheblicher Nachbesserungsbedarf, damit aus dem exzeptionellen Reformvorhaben an der Universität Oldenburg ein universitätsmedizinischer Standort werden kann, der auch auf Dauer den notwendigen Qualitätsansprüchen in Lehre, Forschung und Krankenversorgung genügen kann." Die Kritikpunkte, insbesondere die personelle Abdeckung einzelner medizinischer Fächer, die rechtliche Ausgestaltung zur Schaffung eines Universitätsklinikums und Teile des Finanzierungskonzeptes, werden in der Stellungnahme benannt, Nachbesserungsbedarf wird aufgezeigt.

Im Einzelnen sieht das Konzept den Aufbau einer Medizinischen Fakultät und entsprechender klinischer Einrichtungen von zunächst kleinerer Anfangsgröße vor. Planmäßig soll zum Wintersemester 2011/2012 der erste Jahrgang mit 40 Studienanfängerinnen und -anfängern ein Studium der Humanmedizin aufnehmen können. Insbesondere aufgrund der bereits bestehenden Kooperation mit der Rijksuniversiteit Groningen ist die konsequente Erprobung neuer Wege in der medizinischen Lehre in Aussicht gestellt. In Groningen wird bereits seit mehreren Jahren ein innovatives Studienkonzept mit Erfolg umgesetzt. "Das in den Niederlanden etablierte problemorientierte und kompetenzbasierte Lernen, in dem von Beginn an die Patienten im Zentrum stehen und gleichzeitig wissenschaftliches Arbeiten trainiert wird, bietet wichtige Impulse für die hochschulmedizinische Ausbildung in Deutschland", so Strohschneider.

Am Ende des sechsjährigen Studiums erhalten die Studierenden die Möglichkeit, das Studium entweder mit einem niederländischen Master of Science in Geneeskunde oder mit dem in Deutschland üblichen Staatsexamen abzuschließen. Beide Abschlüsse befähigen nach europarechtlichen Anerkennungsrichtlinien zur Ausübung der ärztlichen Tätigkeit in allen Staaten der Europäischen Union. Der an der European Medical School Oldenburg-Groningen zudem nach drei Jahren angebotene Bachelor of Science trägt außerdem dazu bei, neue Möglichkeiten zur inhaltlichen und zeitlichen Flexibilisierung der deutschen Medizinausbildung zu erproben. Dieser Bachelor-Abschluss qualifiziert für medizinnahe Berufsbereiche, nicht jedoch für die ärztliche Tätigkeit.

Neben dem Studienkonzept hebt der Wissenschaftsrat in seiner Empfehlung auch die bereits erbrachten Forschungsleistungen der Universität Oldenburg in medizinnahen Bereichen positiv hervor. Hervorragende Forschungsleistungen, beispielsweise in der Hörforschung, stellten eine gute Grundlage für die Gründung der Medizinischen Fakultät dar. Auf der anderen Seite lässt das Forschungskonzept der künftigen Medizinischen Fakultät eine Stärkung der Forschungsleistungen auf Gebieten der Lebenswissenschaften und der Biophysik erwarten.

Ausdrücklich behält sich der Wissenschaftsrat vor, im Jahr 2017 den Aufbau der Universitätsmedizin in Oldenburg unter den Gesichtspunkten des aufgezeigten Verbesserungsbedarfs und mit Blick auf die Nachhaltigkeit der Gründung überhaupt zu begutachten.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/10345-10.pdf


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Wissenschaftsrat: Zwei Entscheidungen im Verfahren der institutionellen Akkreditierung

Auf seinen Herbstsitzungen hat der Wissenschaftsrat zwei Verfahren der institutionellen Akkreditierung beraten. In beiden Fällen gelangte er zu einem positiven Akkreditierungsvotum. Ein weiterer Antrag wurde vom Sitzland zurückgenommen. Zu den Ergebnissen im Einzelnen:

Die Hochschule Fresenius, Idstein wurde im Jahr 1971 staatlich anerkannt und zählt mit über 3000 Studierenden zu den größten privaten Fachhochschulen in Deutschland. Neben dem Stammhaus in Idstein betreibt die Hochschule Fresenius Standorte in Köln, München und Hamburg. Die Hochschule zeichnet sich durch ein breites und innovatives Angebot von Bachelor- und Masterstudiengängen in den Fachbereichen Chemie & Biologie, Gesundheit und Wirtschaft & Medien aus. Alle Studienangebote weisen einen überzeugend gestalteten Praxisbezug auf. Besonders hervorzuheben sind der für eine private Fachhochschule insgesamt sehr hohe Stellenwert der Forschung sowie die gelungene Internationalisierungsstrategie, die den Studierenden vielfältige Möglichkeiten für Studienaufenthalte im Ausland bietet.

Der Wissenschaftsrat hat die Hochschule institutionell akkreditiert. Er hält eine Reakkreditierung nach fünf Jahren für notwendig.

Die 2004 gegründete Karlshochschule International University, Karlsruhe hat es nach der Erstakkreditierung 2005 und insbesondere nach dem Trägerwechsel im Jahr 2009 erreicht, sich erfolgreich im regionalen Bildungsmarkt zu positionieren. Überzeugend sind die gelungene Ausrichtung der wirtschaftswissenschaftlichen Studienangebote an den Marktbedürfnissen und der gut ausgeprägte Praxisbezug. Hervorzuheben ist auch das Engagement der Professorenschaft insbesondere in der Zusammenarbeit mit den Lehrbeauftragten aus der Praxis. Konsequent verfolgt die Hochschule die Weiterentwicklung der anwendungsorientierten Forschung. Kritisch angemerkt wurde der zu große Einfluss des Trägers in den zentralen Gremien der Hochschule. In diesem Zusammenhang bedarf es einer Anpassung der Grundordnung an die bereits existierende Praxis der Hochschule.

Der Wissenschaftsrat spricht eine Reakkreditierung für fünf Jahre aus. Er hält eine Verlängerung des Akkreditierungszeitraums um weitere fünf Jahre nach Auflagenerfüllung für möglich.

Das Land Baden-Württemberg hat den Antrag auf Reakkreditierung der Wissenschaftlichen Hochschule Lahr zurückgenommen.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/10303-10.pdf
http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/10308-10.pdf


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Wissenschaftsrat, Dr. Christiane Kling-Mathey, 15.11.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. November 2010