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INTERNATIONAL/081: Meilen- oder Stolperstein? - 3. Konferenz über Entwicklungsfinanzierung (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2015
Ökosystem Boden
Die dünne Haut der Erde

Meilen- oder Stolperstein?
Die 3. Konferenz über Entwicklungsfinanzierung

Von Wolfgang Obenland


Das Jahr 2015 ist zweifellos bedeutend für die internationale Nachhaltigkeitspolitik. Gleich drei Weltkonferenzen finden innerhalb von nur fünf Monaten statt. Im November soll in Paris ein Nachfolger für das Kyoto-Protokoll auf den Weg gebracht werden. Im September tagen bei den Vereinten Nationen in New York die Staats- und Regierungschefs, um eine Agenda nachhaltiger Entwicklung für die Zeit nach 2015 (Post-2015-Agenda) zu verabschieden. Den Anfang aber macht vom 13. bis 17. Juli die 3. Internationale Konferenz über Entwicklungsfinanzierung (FfD3) in Addis Abeba, Äthiopien. Sie soll Maßnahmen und strukturelle Voraussetzungen auf den Weg bringen, um die Finanzierung der später im Jahr zu verabschiedenden Agenden sicherzustellen.


Wie stark die drei Ereignisse zusammenhängen, ist umstritten. Die einen sehen FfD3 als Gelegenheit, die Mittel zur Umsetzung einer Post-2015-Agenda zu erörtern (eine Position, die von den Industrieländern stark gemacht wird). Andere verweisen auf die Unterschiede zwischen FfD3 und der Post-2015-Agenda. Tatsächlich werden in Addis Abeba Fragen erörtert, die über die als Teil der Post-2015-Agenda verhandelten Ziele für nachhaltige Entwicklung (der Sustainable Development Goals, SDG) hinausgehen (zum Beispiel Details der Finanzmarktregulierung). Genau so richtig ist es, dass für die Umsetzung der Post-2015-Agenda Maßnahmen nötig sein werden, die nicht auf der Tagesordnung von FfD3 stehen (wie die Einrichtung von Meeresschutzgebieten). Trotzdem muss man festhalten: Sollten die Verhandlungen für FfD3 scheitern, so wäre das ein schlechtes Omen für die Ergebnisse der beiden folgenden Gipfel.

Bei der ersten Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung 2002 im mexikanischen Monterrey und einer zweiten in Doha, Katar, 2008 wurden sechs Themengebiete etabliert, die auch FfD3 bestimmen(1): Die Mobilisierung heimischer Ressourcen, internationale private Finanzflüsse und ausländische Direktinvestitionen, internationaler Handel, internationale Zusammenarbeit für Entwicklung, Verschuldung, und die sogenannten systemischen Fragen (beispielsweise die Regulierung der Finanzmärkte oder des internationalen Währungssystems). Das Programm von FfD3 ist damit ausgesprochen umfangreich und komplex, einige zentrale Themenkomplexe sind sehr umstritten.

Mobilisierung heimischer Ressourcen

Die Mobilisierung heimischer Ressourcen ist eine der Kernaufgaben von Regierungen, um die Verwirklichung der Menschenrechte und damit auch die Post-2015-Agenda zu finanzieren. In den Verhandlungen zu FfD3 liegt das Hauptaugenmerk momentan auf dem Instrument Steuern. Dabei geht es um mehr als einen Kapazitätsengpass in den Ländern des globalen Südens. Internationaler Steuerwettbewerb sowie gewollte und ungewollte Steuersparmöglichkeiten für transnationale Konzerne haben dazu geführt, dass viele Länder kaum Unternehmenssteuern einnehmen und riesige Summen in Steuer- und Regulierungsoasen verschoben werden. Tatsächlich - das zeigt eine kürzlich veröffentlichte Studie des europäischen Netzwerks Eurodad(2) - verlieren die Länder des globalen Südens für jeden Dollar, der dorthin fließt (als Handelsgewinne, Investition, Kredit oder Mittel der Entwicklungszusammenarbeit etc.) mehr als zwei Dollar, in erster Linie durch illegitime Finanzflüsse in Form von Steuervermeidung und -hinterziehung.(3)

Die Organisation der Industrieländer, die OECD, behauptet zwar, mit ihrem Programm zur Begrenzung der Erosion der Steuerbasis und von Gewinnverschiebungen (Base Erosion and Profit Shifting (BEPS)-Projekt), das Notwendige gegen diese Praktiken zu tun. Dass die Länder des globalen Südens an diesem Programm nur marginal beteiligt waren, spricht aber dafür, dass gerade sie sich nicht all zu viel von möglichen Ergebnissen des BEPS-Projekts versprechen sollten. Tatsächlich bleiben viele wichtige Themen unzureichend berücksichtigt, wie die Besteuerung der Rohstoffproduktion oder die Einbeziehung armer Länder in Informationsaustauschsysteme. Deshalb sind NGOs, aber auch Regierungen vor allem innerhalb der Gruppe der Entwicklungsländer (G77) davon überzeugt, dass es eines inklusiveren institutionellen Rahmens bedarf, um die Bekämpfung von Steuervermeidungs- und Hinterziehungspraktiken global zu koordinieren. Konkret fordern die G77, einzelne OECD-Mitglieder, der UN-Generalsekretär und zahlreiche NGOs die Einrichtung einer zwischenstaatlichen Kommission unter dem Dach der UN zur Kooperation in Steuerfragen.

Die Rolle privater Akteure

Private Finanzquellen werden in den Verhandlungen für Addis Abeba facettenreich diskutiert. Neben der Frage, wie ausländische Direktinvestitionen für die Ziele nachhaltiger Entwicklung besser nutzbar gemacht werden können, werden private Akteure - und ihre Finanzkraft - zunehmend als Lösung für Probleme der öffentlichen Hand wahrgenommen. Private Mittel sollen beispielsweise Finanzlücken schließen, beziehungsweise sollen Mittel der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (ODA) genutzt werden, um private Investitionen zu heben, etwa durch Bürgschaften oder vergünstigte Kredite. Als konkrete institutionelle Umsetzung solcher Ideen werden öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) ins Spiel gebracht. Dass das erfolgversprechend ist, kann allerdings kaum empirisch belegt werden. Die Allianz katholischer Hilfswerke CIDSE weist - wie viele andere - darauf hin, dass "es zahlreiche Beweise für schlecht funktionierende Partnerschaften gibt [...] ÖPPs verursachen große Budget- und Korruptionsrisiken und haben in einigen Fällen öffentliche Gelder verbraucht, die dann nicht mehr für die entwicklungspolitischen Prioritäten bereit standen; so wurden private Profite auf Kosten der Allgemeinheit generiert."(4) Trotzdem wird von Seiten der Industrieländer stark auf weitere ÖPPs gedrängt. Sollte sich diese Position durchsetzen, könnte das Signalwirkung für die Post-2015-Agenda haben.

Die Mittel der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit

Ein Grund für die stärkere Betonung privater Akteure in der Entwicklungsfinanzierung liegt in den weiterhin mangelhaften Bemühungen der Industrieländer, ihren vor Jahrzehnten eingegangenen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Dabei ist unstrittig, dass ODA weiterhin eine wichtige Rolle bei der Verwirklichung der Menschenrechte spielen wird, vor allem in den ärmsten Ländern. Das Ziel, 0,7% des Bruttonationaleinkommens der Industrieländer für ODA aufzubringen, wurde nie erreicht. 2013 lag die Quote bei 0,3 Deutschland: 0,38 was sogar einen Rückgang im Vergleich zu 1990 bedeutet. Das belastet die Verhandlungen, nicht nur im FfD- und Post-2015- sondern auch im Klimabereich. Die Notwendigkeit, zusätzliche Mittel für die Folgen des Klimawandels bereitzustellen, hat die finanziellen Spielräume für internationale Zusammenarbeit weiter eingeschränkt. Dabei wären die reichen Industrieländer entsprechend des Prinzips der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung (ein Prinzip der Rio-Erklärung von 1992) zu deutlich stärkerem Engagement verpflichtet.

Andere Mammutaufgaben und mögliche Ergebnisse

Außerdem stehen weitere äußerst schwierige und teilweise stark umstrittene Themenkomplexe auf der Agenda. Die Palette reicht dabei von Verschuldung und dem Aufbau eines Insolvenzverfahrens für Staaten über die Regulierung der Finanzmärkte bis hin zur entwicklungsfreundlichen Gestaltung des internationalen Handels und einer Reform des globalen Währungssystems. Allerdings ist wegen festgefahrener Verhandlungspositionen in anderen Zusammenhängen (zum Beispiel im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) oder bei der Reform der Bretton-Woods-Institutionen) in diesen Bereichen mit wenig Bewegung zu rechnen.

Trotz der allgemein anerkannten Bedeutung von FfD3 wird man sich bei den möglichen Ergebnissen mit wenig Konkretem begnügen müssen. Das zeigten auch die Vorgängerveranstaltungen von Doha und Monterrey. Addis Abeba wird aber von großer politischer Bedeutung sein. Einigen sich die Regierungen nicht auf einen Kompromiss, wie Möglichkeiten und Mehrkosten einer Nachhaltigkeitsagenda gerecht verteilt werden können, werden damit auch die Ambitionsniveaus für eine Post-2015-Agenda und ein Kyoto-Folgeabkommen heruntergesetzt. Außerdem kann durch die Initiierung von Folgeprozessen - wie der Einrichtung eines UN-Steuergremiums - der Weg hin zu wirksamer multilateraler Politik geebnet werden.

Addis Abeba kann zu einem Meilenstein werden - oder multilaterale Politik auf Jahre hinaus bremsen. Mitte April treffen sich die RegierungsvertreterInnen zu einer weiteren Verhandlungsrunde, im Juni zu einer letzten vor der eigentlichen Konferenz. Dann wird mehr Gewissheit über mögliche Ergebnisse in Addis Abeba herrschen.

Auch in Deutschland kann man diese Diskussionen verfolgen. So werden die Vorbereitungen für FfD3 bei einer Konferenz von VENRO, Friedrich-Ebert-Stiftung und Global Policy Forum am 27. April in Berlin analysiert. Die Webseite globalpolicywatch.org von Social Watch und Global Policy Forum informiert aktuell über den Verlauf der Verhandlungen und zivilgesellschaftliche Stellungnahmen, genau wie die Netzwerke Eurodad (eurodad.org) und Righting Finance (rightingfinance.org).


Autor Wolfgang Obenland ist Programmkoordinator beim Global Policy Forum.


Anmerkungen

(1) Über die tatsächlichen Themen wird der erste Entwurf einer Abschlusserklärung Aufschluss geben, der für Mitte/Ende März erwartet wird. Für aktuelle Informationen, siehe
www.un.org/esa/ffd/overview/third-conference-ffd.html.

(2) Siehe hierzu ein Artikel von Regine Richter in diesem Heft, S. 27.

(3) Vgl. Griffiths, Jesse (2014): The State of Finance for Developing Countries, 2014. Brussels: Eurodad.
http://eurodad.org/finance_for_developing_countries.

(4) CIDSE (2015): Why Addis Ababa Matters. Eigene Übersetzung. http://bit.ly/1E1c5Wt.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2015, S. 23-24
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. April 2015

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