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INTERNATIONAL/095: Finanzfonds forcieren die Landkonzentration (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2016

Kampf um Land
Lebensgrundlage, Ökosystem, Kapitalanlage

Los geht's ab 100.000 Hektar
Finanzfonds forcieren die Landkonzentration

von Benjamin Luig


Anders als medial oft dargestellt, sind nicht staatliche Investoren aus China oder arabischen Öl-Ländern die größten Landinvestoren, sondern private Konzerne und Fonds, die in den westlichen Staaten und asiatischen Finanzzentren Hongkong oder Singapur angesiedelt sind.[1] Diese verfolgen dabei unterschiedliche Strategien - mit stets der gleichen Auswirkung: Die Landkonzentration verschärft sich massiv.


Vor der Finanzkrise und vor den - eng damit verbundenen - sprunghaften Preissteigerungen von Agrarrohstoffen 2007/08 war Land als Anlageobjekt für Finanzinvestoren kaum von Bedeutung. Dies liegt zum einen an dem "illiquiden" Charakter von Land als Anlage, denn kurzfristig lassen sich Landflächen nicht ohne Weiteres veräußern und in Geld umwandeln. Es liegt aber auch an den extremen Profiterwartungen von Finanzinvestoren. Institutionelle Investoren fangen erst etwa bei Renditen von 8 Prozent an, sich für Investitionen zu interessieren. Dies passte mit landwirtschaftlichen Realitäten lange schlichtweg nicht zusammen.


Der Doppelcharakter von Finanzinvestitionen

Doch mit der Finanzkrise hat sich der Kontext für Investoren grundlegend gewandelt. In Zeiten von Nullzinsen durch Zentralbanken und Negativzinsen auf Staatsanleihen ist die "Anlageklasse" Land gerade deshalb interessant, weil ihr eine Wertentwicklung zugeschrieben wird, die sich eng an der Inflationsrate orientiert (also ein "inflation hedging" ermöglicht). Anderseits wird gerade die Tatsache, dass Land bislang noch kaum "finanzialisiert" ist, für Investoren interessant, da es sich in seinem Wert losgelöst von anderen (spekulativ) verzerrten Anlageklassen entwickelt.

Mit den gestiegenen Preisen für Agrarrohstoffe und einer spürbaren Verknappung fruchtbaren Ackerlands kommen zu diesen finanztheoretischen auch realwirtschaftliche Argumente hinzu: Die Produktion von Agrarrohstoffen wird von vielen Investoren als langfristig sehr profitabel angesehen. Investitionen in Land durch Finanzinvestoren haben daher vielfach einen Doppelcharakter: Es geht einerseits darum, auf den steigenden Wert des Landes zu spekulieren (also eine Rente zu erzielen) und andererseits, Profit aus der landwirtschaftlichen Produktion zu erzielen.[2]


Dementsprechend kann die Form der Investition unterschiedlich aussehen:

Spekulation auf langfristige Wertsteigerung: Der Finanzinvestor eignet sich Land an, verpachtet es weiter an Agrarkonzerne und erzielt faktisch eine doppelte Rente durch Pachtbeiträge plus Wertsteigerung des Landes. Ankauf und Verpachtung wird in der Regel von einer externen Asset-Management-Firma abgewickelt, die ihrerseits wiederum einen Anteil der Rente erhält. Diese "rein spekulative Form" zieht vor allem jene Investoren an, die eine langfristige, stabile Geldanlage suchen, sich gegen Inflation absichern wollen und ihr Portfolio breit diversifizieren. Dazu gehören etwa Pensionsfonds.

Spekulation auf kurzfristige Wertsteigerung: Der Finanzinvestor eignet sich Land an, mit der Idee, in einer kurzen Frist binnen weniger Jahre den Wert des Landes zu steigern und das Land dann weiter zu veräußern. Dies kann zum Beispiel wie in Osteuropa durch eine starke Arrondierung von Landflächen geschehen, durch eine Zusammenlegung und Rationalisierung bestehender Agrarbetriebe, durch eine Abholzung von Wäldern und Umwandlung in agrarische Nutzflächen oder einfach dadurch, dass dem angeeigneten Land Eigentumstitel zugesprochen werden. Ein typischer Akteur hierbei sind Private Equity Fonds, die über eine begrenzte Laufzeit von 7-10 Jahren hohe Profite generieren, indem sie Unternehmen aufkaufen, rationalisieren und weiterveräußern. Die Zahl von Private Equity Fonds, die in Land und Landwirtschaft investieren, hat seit 2007 massiv zugenommen.

Investition in Produktion: Investoren, die von der langfristigen Profitabilität der sogenannten "Fundamentals" überzeugt sind, investieren in Land als Produktionsfaktor. Dies läuft meist über Beteiligungen ab. Typischerweise geschieht dies in Zusammenarbeit mit Agrarkonzernen, die die starke Nachfrage nach Land nutzen und einen Teil ihres eigenen Landportfolios einer separaten Asset-Management-Gesellschaft überschreiben. Auf diese Weise kann der Konzern dann über Fremdkapital zusätzliche Flächen erwerben und diese bewirtschaften. Auch dieser Ansatz hat einen spekulativen Charakter, da die Profitabilität durch den Erwerb extrem großer Landflächen gesichert werden soll und die Bewirtschaftung der Flächen nur schrittweise nachziehen kann. Insbesondere landwirtschaftsnahe Investoren verfolgen einen solchen Ansatz, etwa spezialisierte Agrarfonds oder die Finanzfonds großer Agrarrohstoffhändler wie Cargill. Doch er wird auch von institutionellen Investoren wie Pensionsfonds genutzt.

Dass diese Formen der Finanzinvestitionen seit 2007/08 massiv zugenommen haben, ist eindeutig. In welchem Umfang dies genau geschehen ist, ist jedoch schwer zu ermitteln. Die am meisten zitierten Schätzungen stammen von 2012 und gehen von zwischen 30 und 40 Milliarden US-Dollar weltweit aus. Diese Summe ist einerseits enorm. Andererseits wird deutlich, was bevorstehen könnte, wenn man bedenkt, dass auch die institutionellen Anleger, die Vorreiter in den Landinvestitionen sind, selten mehr als 1 Prozent ihres Anlagevolumens in Land investieren.[3]


Dramatische Auswirkungen

Wie wirken sich die Finanzinvestitionen in Land aus? So intransparent die Rolle von Finanzinvestoren insgesamt bislang bleibt, so eindrücklich sind die wenigen, bekannten Beispiele. In Brasilien etwa existiert eine Gesetzgebung aus dem Jahr 1971, die 2010 von der Regierung bestätigt wurde und den Besitz von Land in den Händen von Investoren aus dem Ausland streng reguliert. Unter anderem darf kein ausländischer Konzern mehr als 25 Prozent des Agrarnutzlandes in einem Bezirk kontrollieren. Jeder Bundesstaat definiert zudem eigene Landbesitzobergrenzen.[4] Ungeachtet dieser Einschränkung ist Brasilien heute eines der wichtigsten Zielländer von Finanzinvestitionen in Land.

Um die Landgesetzgebung zu umgehen, funktionieren die Investitionen über Beteiligungen. Ein Beispiel ist der Fonds TCGA (TIAA CREF Global Agriculture). Der Fonds wird von dem Pensionsfonds TIAA CREF aus den USA gemanagt und verwaltet außer dessen eigenem Kapital auch das Kapital eines schwedischen und zweier kanadischer Pensionsfonds. Insgesamt werden 2 Milliarden US-Dollar in Agrarland investiert.[5] Über die Beteiligungsgesellschaft Tellus ko-finanziert TCGA seit 2012 Investitionen des größten brasilianischen Zuckerrohrkonzerns Cosan. Bereits zuvor - Stand Ende 2012 - hatte TIAA-CREF über den Fonds Radar gemeinsam mit Cosan in knapp 400 Großfarmen und Plantagen investiert, die über 150.000 Hektar Land kontrollierten und schätzungsweise einen Wert von 1 Milliarde US-Dollar hatten. Tellus erweitert diesen Ansatz und investiert wiederum in Radar und einen Fonds namens Nova Gaia. Das Investitionsmodell von Tellus besteht darin, in große Flächen nicht nur in den Kernanbaugebieten wie Sao Paulo, sondern auch in den Zuckerrohr- und Sojafrontier-Regionen wie Maranhau und Piaui zu investieren. In dem Bundesstaat Maranhao kaufte Tellus riesige Flächen von Firmen des berüchtigten Großgrundbesitzers Euclides de Carli. De Carli wiederum wird von einem Staatsvertreter in Maranhao beschuldigt, sich die Flächen vor Ort illegal angeeignet und mit Waffengewalt lokale Gemeinschaften vertrieben zu haben. Die Rolle von Finanzkapital in Regionen wie Mato Grosso do Sul lässt sich nur erahnen. Der Bundesstaat ist eine der Hauptexpansionsregionen von Zuckerrohr in den letzten Jahren, in denen es im Rahmen von Landkonflikten aktuell wöchentlich zu bewaffneten Angriffen von Milizen der Großgrundbesitzer gegen Dörfer der indigenen Guarani Kaiowá kommt.

Finanzinvestitionen forcieren die gigantische Umverteilung von Land von einkommensarmen, ländlichen Gemeinschaften zu einer globalen reichen Elite, beziehungsweise - durch Pensionsfonds - zu einer westlichen Mittelschicht. Dabei ist letztlich unerheblich, ob sich als Zwischenschritt zunächst lokale GrundbesitzerInnen oder Agrarfirmen das Land aneignen, um es danach an Fonds weiterzuverkaufen. Über die konkret angeeigneten Landflächen hinaus verursachen die Investitionen eine starke Inflation der Bodenpreise. Eindeutig ist auch, dass der Einstieg von Finanzinvestoren nicht einfach eine Bereitstellung von mehr Kapital bedeutet, sondern den Trend zur Landkonzentration massiv verstärkt. Dies verdeutlicht ein Fall der Europäischen Entwicklungsbank, die einem schwedischen Agrarkonzern, der 20.000 Hektar in der Ukraine bewirtschaftet, mitteilte, sie steige erst ab einer Größenordnung von 100.000 Hektar in das Geschäft ein.

Das Beispiel Brasilien zeigt, wie zahnlos Landgesetzgebungen vor Ort sind, wenn nicht auch Finanzinvestoren zu einem Mindestmaß an Transparenz sowie zu menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Mindeststandards verpflichtet werden. Ähnlich wie die EU-Transparenzrichtlinie von 2014 voraussetzt, dass Unternehmen ihre Zulieferer kennen, so müssen auch Finanzfonds dazu verpflichtet werden, in die Kenntnis ihrer eigenen Projekte zu investieren und über die Auswirkungen ihrer Investitionen zu berichten. Besonders problematische Investitionsmodelle, die Gesetzgebungen vor Ort faktisch umgehen, sollten komplett verboten werden.


Benjamin Luig ist Referent für Agrarpolitik bei Misereor.


Anmerkungen:

[1] Cotula, Lorenzo (2012). The international political economy of the land rush: A critical appraisal of trends, scale, geography and drivers, in: Journal of Peasant Studies, 39 (3-4), S. 649 - 680.

[2] Fairbairn, Madeleine (2014). "Like gold with yield": Evolving intersection between farmland and finance. in: Journal of Peasant Studies, 41(5), S. 777 - 795.

[3] Visser, Oane (2015). Finance and the Global Land Rush: Understanding the rowing role of investment funds in land deals and large-scale farming, in: Canadian Food Studies, 2/2, S. 278 - 286.

[4] Künzli, Willi (2015). Brazils regulation of foreign land acquisition.
http://berkeleytravaux.com/brazils-regulation-foreign-investment-large-scale-landacquisition.

[5] Diese und die folgenden Ausführungen basieren auf: Grain et al. (2015). Foreign pension funds and land grabbing in Brazil.
https://www.grain.org/article/entries/5336-foreign-pension-funds-and-land-grabbing-in-brazil.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NROs in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Rundbrief 1/2016, Seite 5-6
Herausgeber:
Forum Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
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Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. April 2016

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