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FRIEDEN/1000: Angelika Beer für neue Friedensaufgaben verwendungsfähig (SB)



Nicht wenig verblüfft dürften die Delegierten des Landesparteitags der Grünen in Schleswig-Holstein gewesen sein, als sie von der prominenten Mitbegründerin und ehemaligen Bundesvorsitzenden ihrer Partei vernehmen mußten, daß der Frieden programmatisch bei den Grünen kaum noch eine Rolle spiele. Dies war einer der Gründe, den die EU-Abgeordnete anführte, um ihren Austritt aus der Partei zu erklären. Ein anderer bestand in der Behauptung, es ginge den Grünen "nur noch um das Erringen von Macht". Als sei sie neu in der Politik, tat Beer so, als drehe es sich in diesem Geschäft um alles andere als gerade das. Wenn sie der Partei die Quittung dafür überreichen wollte, daß sie auf dem Bundesparteitag in Dortmund trotz mehrerer Versuche nicht auf einen sicheren Listenplatz für die Europawahl gelangte, dann erfüllte die moralinsaure Standpauke allerdings ihren Zweck.

Der Name Angelika Beer war lange Zeit eine Art Hausmarke für grüne Friedenspolitik. Bis auf ihren Parteifreund Joseph Fischer hat kaum einer unter den gewendeten Linken der Partei mehr als die ehemalige KB-Genossin zur Legitimation deutscher Kriegseinsätze und zur Militarisierung der EU beigetragen. Ihre Mutation von bunt-alternativer Kriegsgegnerin zur graukalten Militärbürokratin vollzog die langjährige verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen im Umfeld des Jugoslawienkriegs. "Die Seele brennt", hörte man es aus ihrem Munde klagen, als sie zu Kriegsbeginn nach ihrem persönlichen Verhältnis zur deutschen Kriegsbeteiligung gefragt wurde. Das wirkt engagiert und sollte Mitgefühl mit einer Politikerin hervorrufen, die sich mit ihrer Zustimmung zur Beteiligung der Bundeswehr am Überfall auf Jugoslawien bereits als Täterin exponiert hatte.

Von da an gab es denn auch kein Halten mehr, die linksgewendeten Friedenshüllen fielen in einem Tempo, als handelte es sich um die Attrappen jener als Frachtschiffe getarnten Hilfskreuzer der NS-Kriegsmarine, die aus heiterem Himmel das Feuer auf wehrlose zivile Schiffe eröffneten. Schon vor dem legendären Kriegsparteitag der Grünen im Mai 1999 outete sich Beer als lodengrünes Flintenweib, indem sie sich von der Minderheitsforderung nach einem einseitigen Waffenstillstand der NATO distanzierte. In Bielefeld schließlich stellte sie sich demonstrativ hinter den Exponenten rot-grüner Kriegspolitik, Außenminister Fischer, und bezichtigte seine Kritiker in dem wohl am häufigsten ausgestrahlten Soundbyte des Parteitags der Feigheit vor dem Feinde:

"Hättet ihr denn da wegsehen wollen, die ihr jetzt schreit 'Kriegstreiber'? Wie wollt ihr das denn rechtfertigen? Sagt doch dazu endlich was! So feige ist es!"

Ein Land aus unerreichbarer Höhe und mit unbezwingbarer Übermacht anzugreifen galt ihr offensichtlich als mutige Heldentat. Vom Vorrecht der Sieger gestählt setzte sich die Parteielite durch - ein komplexer Sachverhalt, der die unterstellte Rechtmäßigkeit des Krieges als Vorwand entlarvt hätte, war auf diesem Forum nicht zu verhandeln. Vor der mit verdrehten Versatzstücken humanistischer Weltanschauung aufgerüsteten Kriegsdoktrin der Grünen wirkte der prototypische Militarist preußischer Facon fast harmlos - was könnte heimtückischer sein als ein zum Aggressor mutierter Kriegsgegner, der seine eigenen überkommenen Argumente von innen heraus sabotiert.

Noch im Januar 1999 sprach sich Beer gegen die Pläne des Verteidigungsministers Rudolf Scharping aus, Gelöbnisfeiern auf öffentlichen Plätzen durchzuführen, und forderte, Wehrpflichtige künftig nur noch innerhalb der Kasernen zu vereidigen. Ein halbes Jahr später konnte man sie beim Gelöbnis im Bendlerblock, wo man die neue Kriegsherrlichkeit in die nationalkonservative Tradition der Offiziere des 20. Juni 1944 stellte, auf einer allerdings geschlossenen Veranstaltung erblicken, auf der mutige Protestler von Feldjägern gejagt und von den angetretenen Ehrengästen angestrengt ignoriert wurden.

Von da an waren alle Peinlichkeiten überwunden, nun konnte frei von der Leber weg im Jargon der humanitären Interventionisten über Konfliktfrüherkennung, Gewaltprävention und Friedenserzwingung schwadroniert werden. Im Afghanistankrieg setzte sich die grüne Politikerin gegen Stimmen aus der eigenen Partei für die Fortsetzung der "Luftschläge" ein und fantasierte von "gezielten Infrastrukturschlägen" gegen die Taliban. Als ob sie bei Fischers Kollegin Madeleine Albright in die Lehre gegangen wäre, antwortete Beer auf die Frage, ob man die hungernde afghanische Bevölkerung während der Angriffe mit Nahrungsmitteln versorgen könne: "Das ist sicherlich in Gänze nicht sicherzustellen. Das ist bitter, das sagen zu müssen. Aber ich glaube, das gehört dazu. Das mußte man eigentlich auch vorher wissen."

Schon bald nach der Eroberung des Iraks durch die USA und ihre Verbündeten forderte Beer gegenüber Bild am Sonntag: "Wenn es ein klares UN-Mandat gibt und die Vereinten Nationen die Federführung übernehmen, muß auch Deutschland überprüfen, inwieweit es eine Befriedung des Irak politisch und militärisch unterstützen kann". Schadensbegrenzung nicht etwa zugunsten der Opfer imperialistischer Kriege, sondern im angeschlagenen Verhältnis der Bundesrepublik zu den USA stand auf dem Programm. Eine andere Form der Schadensbegrenzung leistete sie, als herauskam, daß sich auch deutsche KFOR-Soldaten in der serbischen Provinz Kosovo an minderjährigen Zwangsprostituierten schadlos gehalten hatten. Anstatt einzugestehen, daß sich der Menschenrechtsinterventionismus selbst ad absurdum führt, wenn er zu Hochkonjunktur bei der Versklavung von Frauen führt, warf sie im "Spiegel" die Frage auf, "inwieweit legale Strukturen von Prostitution bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr helfen können". Frauen sollen sich Männern unterwerfen, so lange dies nur rechtmäßig erfolgt, und Soldaten bedürfen der Triebabfuhr, wenn man nicht will, daß sie sich mit Gewalt holen, was ihnen als Herren der Schöpfung zusteht.

Als EU-Abgeordnete machte sich Beer in einem Maße um die Kriegsbereitschaft der EU verdient, die eine Fortsetzung ihrer Karriere in den dafür zuständigen Institutionen nahelegt. So erklärte sie in einem Beitrag der Frankfurter Rundschau kurz vor den Ostermärschen 2005, die Kritik der Friedensbewegung an der EU-Verfassung sei

"Ausdruck absoluter Orientierungslosigkeit und des Verharrens im Denken des Kalten Krieges. Die These von der Militarisierung der EU ist haltlos. Und sie ist gefährlich. Durch Unkenntnis und bewusste Fehlinformationen über den Verfassungstext wird das Scheitern des Friedensprojektes Europa provoziert. (...) Wer aus überholten Denkmustern diese Verfassung links liegen lässt, der wird landen, wo er sicher nicht hin will: In einem Bündnis mit den nationalistischen Europagegnern!"

Vor zwei Jahren schließlich stellte Angelika Beer im Deutschlandfunk kategorisch fest, daß Überlegungen zu einer Exit-Strategie im Afghanistankrieg der NATO "keine Rolle" spielten. Das Land müsse mit allen Mitteln befriedet werden, also auch - und nach Lage der Dinge vor allem - mit militärischen. Die Frau ist zweifellos verwendungsfähig für weitere Einsätze an der Friedensfront der EU und NATO, so daß man sich um ihr Auskommen sicherlich keine Sorgen machen muß.

31. März 2009