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FRIEDEN/1027: Dem Frieden der Paläste ... Nobelpreis für Barack Obama (SB)



Für die Kür Barack Obamas zum diesjährigen Friedensnobelpreisträger ist dem Osloer Komitee großes Lob sicher. Während die Gratulationen der Politiker im Weißen Haus eingehen und die Journalisten sich vor Begeisterung überschlagen, bleibt es am Boden der Gesellschaften ruhig. Man tanzt nicht auf den Straßen und bejubelt den neuen Hoffnungsträger, als der Obama bei seiner Wahl zum US-Präsidenten von nicht wenigen Bewohnern dieses Planeten begrüßt wurde. Der Lack ist ab, und der Glanz des vermeintlich mit dem ersten schwarzen Staatschef der USA möglich gewordenen Neubeginns wird auch durch die Illumination dieser Würdigung nicht restauriert.

Der Volksheld, als der Obama während seines furiosen Aufstiegs inszeniert wurde, hat sich als Realpolitiker wie jeder andere erwiesen. Seine Preiswürdigkeit resultiert aus der kaum zu brückenden Differenz zu seinem Amtsvorgänger, der er auch seine Eignung als Frontfigur der liberalen US-Eliten geschuldet ist. Die programmatischen Akzente und rhetorischen Marken, die Obama gesetzt hat, schrumpfen in der konkreten politischen Umsetzung auf das Standardmaß kapitalistischer Herrschaftsicherung und US-amerikanischer Weltordnungspolitik. Wie lange vor Bezug des Weißen Hauses absehbar, hat Obamas Initiation in führenden Bildungsschmieden, sein protoliberales Selbstverständnis und sein distanziertes Verhältnis zu schwarzer Subalternität all jene Anschlüsse und Verbindungen gelegt, mit denen die Sicherung herrschender Interessen auch und gerade in der Krise des Kapitalismus gegen die davon am meisten Betroffenen durchgesetzt wird.

Als neues Gesicht eines durch seine Kriegführung nach außen wie innen weitgehend delegitimierten Regierungssystems war und ist Obama eine ideale Wahl, das zeigt auch die Begründung, mit der der Vorsitzende des Osloer Nobelkomitees, Thorbjörn Jagland, dessen Entscheidung rechtfertigt:

"Alles, was in der Welt seit Obamas Amtsantritt geschehen ist, und wie das internationale Klima sich geändert hat, ist mehr als genug, um zu sagen, dass er das erfüllt, was in Alfred Nobels Testament steht. Nämlich, dass der Preis an denjenigen gehen soll, der im vorausgegangenen Jahr am meisten für internationale Verbrüderung und Abrüstung sowie die Förderung von Kooperation und Dialog getan hat."
(Welt Online, 09.10.2009)

Was immer die Juroren entdeckt haben mögen, wird durch die konkreten Ergebnisse der Politik Obamas auf eine Weise konterkariert, die ihre Wahl als opportunistisches Manöver zur Aufwertung des Friedensnobelpreises erkennen läßt. Obamas atomare Abrüstungsinitiative läuft auf die Konzentration von Atomwaffen in den Händen der existierenden Atommächte hinaus, und zwar unter Einbeziehung von Staaten wie Israel oder Indien, die den Nichtverbreitungsvertrag nicht unterzeichnet haben. Verhindert werden soll die Aufrüstung angeblicher Schurkenstaaten oder nichtstaatlicher Akteure, was vor dem Hintergrund der erklärten Abrüstungsabsicht wirksamer durchgesetzt werden kann, als wenn die Atommächte uneingeschränkt auf ihrem strategischen Vorteil bestehen.

Die Kriegführung der USA hat sich mit Obama ausgeweitet, indem dieser das Augenmerk auf Afghanistan und Pakistan gerichtet hat, wo die Zahlen der Opfer seit dem Amtswechsel in Washington ansteigen. Die Palästinenser werden auf vertraute Weise ausmanövriert, und Obama ist sich nicht zu schade dazu, sich zu diesem Zweck vom israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu vorführen zu lassen. Das Krisenmanagement der US-Regierung ist auf die Sicherung herrschender Kapitalinteressen ausgerichtet, das gilt auch für die Gesundheitsreform, bei der der US-Präsident vor der Pharma- und Versicherungslobby eingeknickt ist. Armut und Hunger haben in den USA ein seit der Großen Depression der 1930er Jahre ungekanntes Ausmaß angenommen, ohne daß das Eintreten des Präsidenten für die Betroffenen auch nur annähernd den in ihn gestellten Erwartungen gerecht wird. Die vielgelobte Überwindung des Rassismus fiel aus, statt dessen klärt Obama die Schwarzen im eigenen Land und die Bevölkerung Afrikas auf paternalistische Weise darüber auf, daß sie an ihrer Misere selbst schuld seien. Die Klimapolitik der US-Regierung erweist sich als das, was sie immer war, zuallererst den eigenen Verwertungsinteressen verpflichtet.

Eine Kritik an der Auswahl des Nobelpreiskomitees, die den Begriff des Friedens verabsolutierte, führt allerdings in die Irre. Bei dieser Würdigung hat es sich stets um einen Legitimationsprodukt herrschender Interessen gehandelt, die den Frieden der Paläste meinen, wenn sie vom Krieg gegen die Hütten schweigen. Die Kür Obamas anhand des realen Stands seiner Politik zu verwerfen ist der halbe Schritt, der mit Aufklärung über die Blendwirkung dieses Weiheaktes zuendegegangen wird.

Dem Friedensnobelpreis ist als Widerschein realer Widersprüche und Trostpflaster für deren Fortschreibung bestens damit gedient, wenn er Politiker ziert, die sich niemals auf eine Weise für in den Staub getretene Menschen einsetzten, die ihr gesellschaftliches Renommee gefährden könnte. Die Namenlosen, die sich dem sozialen Krieg des kapitalistischen Weltsystems widersetzen, tun dies nicht, um dafür belohnt zu werden, sondern weil es ihnen unmöglich ist, Ausbeutung und Unterdrückung zu akzeptieren. Die Belohnung durch Ehrungen und Würdigungen ist stets davon korrumpiert, integraler Bestandteil jener Ordnung zu sein, die es im Kampf um die Beendigung aller Erniedrigung und Demütigung zuvörderst in Frage zu stellen gilt.

9. Oktober 2009