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FRIEDEN/1073: Niemals auf Augenhöhe ... absehbares Scheitern der Nahostfriedensverhandlungen (SB)



US-Außenministerin Hillary Clinton ruft zum Friedensschluß, und alle kommen. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wünscht sich Frieden, doch dafür etwas zu tun, daß ihm etwas abverlangt, ist seine Sache nicht. Im Vorweg des für den 2. September anberaumten Beginns der Verhandlungen in der US-Hauptstadt hat sich Netanjahu ausbedungen, keinerlei Vorbedingungen auferlegt zu bekommen. Weder ein Baustopp für die israelischen Siedlungen im Westjordanland noch andere frühere Festlegungen sollen gelten, wenn die israelische Regierung sich mit den Palästinensern an einen Tisch setzt.

Deren einzige Hoffnung besteht darin, daß die US-Regierung sich für sie verwendet. Schon das Zustandekommen des neuen Friedensprozesses zeigt, daß dafür wenig Anlaß besteht. So wird von einer geheimen Übereinkunft zwischen den drei Parteien ausgegangen, laut der sich Israel nur auf die Verhandlungen einläßt, weil es von den USA dazu eingeladen wurde, während die Palästinenser sich auf das Nahost-Quartett stützen, in dem eine etwas größere Neigung vorherrscht, ihre Forderungen zu unterstützen. Doch auch das aus den USA, der EU, Rußland und den Vereinten Nationen bestehende Quartett beruft sich nur formal auf seine früheren Erklärungen zum Nahostkonflkt. Praktisch setzt es sich für nichts ein, das der israelischen Regierung einen Vorwand bieten könnte, die Verhandlungen zu torpedieren.

Demgegenüber muß der von der eigenen Bevölkerung nur sehr bedingt unterstützte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas kaum nach Washington getragen werden. Ihm bleibt schlicht nichts anderes übrig, als seinem Amt durch internationale Beachtung zu neuem Glanz zu verhelfen. Seine Legitimität ist nicht nur angeschlagen, weil seine offizielle Amtszeit längst verstrichen ist. Er gilt zudem als wachsweicher und pflegeleichter Opportunist, der nur deshalb keine weitgehenden Zugeständnisse an Israel macht, weil er dies gegenüber der eigenen Bevölkerung nicht vertreten könnte. Abbas weiß ebensogut wie jeder andere Palästinenser, daß Israel über einen genuinen Einfluß auf die US-Regierung verfügt, während die Palästinenser lediglich austauschbare Bauern im Schachspiel US-amerikanischer Hegemonialpolitik im Nahen und Mittleren Osten sind. Als Sachwalter der Interessen palästinensischer Oligarchen zieht er daraus allerdings andere Schlußfolgerungen als das Gros der Palästinenser, die von ihren legitimen Forderungen schon deshalb nicht abrücken wollen, weil damit die Opfer eines jahrzehntelangen Kampfes entwertet würden.

Das Kräfteverhältnis zwischen Besatzern und Besetzten bedingt von vornherein eine Disparität, die sich nur durch das Eingeständnis einer Bringschuld Israels aufheben ließe. Statt dessen rekonstituiert sich das kolonialistische Gewaltverhältnis schon im Vorfeld der Verhandlungen dadurch, daß die israelische Seite Vorbedingungen ablehnt, während den Palästinenser diese nach wie vor abverlangt werden. Die Rede ist von der in Gaza regierenden Hamas, die international isoliert und boykottiert wird, weil sie nicht alle bisher zwischen Palästinensern und Israelis abgeschlossenen Verträge anerkennt, weil sie sich keinem prinzipiellen Gewaltverzicht unterwirft und weil sie das Existenzrecht Israels nicht explizit anerkennt. Die in Gaza lebenden Palästinenser müssen sich daher durch die Regierung in Ramallah vertreten lassen, auf die sie keinerlei Einfluß haben. Sie sind vom Verhandlungsprozeß aufgrund von Bedingungen ausgeschlossen, die die israelische Regierung selbst nicht erfüllen will.

Es bedarf mithin keines besonderen Expertenwissens, um auch dieser Runde im Friedensprozeß den Verlauf einer Karussellfahrt vorherzusagen. Man dreht sich im Kreis, um zumindest den Anschein von Bewegung zu erzeugen, und wird dies auch in Zukunft tun, so lange Verhandlungen zwischen Palästinensern und Israels von einer Hegemonialmacht instrumentalisiert werden, die eigene Machtinteressen in der Region verfolgt und zu diesem Zweck ganz auf der Seite Israels steht. Dessen Regierung hat von ihren Wählern kein Mandat erhalten, hinter den etablierten Status Ostjerusalems und der Siedlungen im Westjordanland zurückzufallen. Sie hat darüber hinaus keinen Grund, sich auf einen echten Interessenausgleich einzulassen, so lange ihre Rückendeckung durch die USA nicht in Frage gestellt wird.

Dies wird unter der Präsidentschaft Barack Obamas nicht erfolgen. Seine Administration hat mit ihrem defensiven Taktieren in der Siedlungsfrage, dem Goldstone-Bericht und der Erstürmung der Mavi Marmara hinlänglich bewiesen, daß sie nicht willens ist, sich mit den Parteigängern Israels in Washington, die sich aus dem Gros der Republikaner und vielen wichtigen Vertretern der eigenen Partei der Demokraten rekrutieren, anzulegen. Unter diesen Voraussetzungen können die in der US-Hauptstadt antretenden Palästinenser von ihren israelischen Verhandlungspartnern bestenfalls unverbindliche Nettigkeiten erwarten. Es wird für sie schwer genug sein, das Gesicht zu wahren. Das gilt auch für Abbas, dessen Abstieg in die Bedeutungslosigkeit vorprogrammiert ist.

21. August 2010