Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KOMMENTAR

HEGEMONIE/1550: EU moderiert imperialistische Kriege (SB)



Ob die Europäische Union nun mit einer doppelten Mission versucht, Israel zu einem Waffenstillstand zu bewegen, oder ob die amtierende tschechische Ratspräsidentschaft dies allein tut spielt bei weitem keine so große Rolle wie behauptet. Daß der französische Präsident Nikolas Sarkozy sich berufen fühlt, über seine Ratspräsidentschaft hinaus den internationalen Krisenmanager zu geben, kann im Zweifelsfall eher nützen denn schaden. Der tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg hat im Unterschied zu Sarkozy, der wenigstens einige vorsichtige Worte der Kritik für das israelische Vorgehen fand, unisono mit Bundeskanzlerin Angela Merkel von Anfang der israelischen Angriffe an klargestellt, daß die Hamas allein schuld an diesem Krieg sei.

Am Sonntag erneuerte er seine Position:

"Es gab Irrtümer auf beiden Seiten, doch der, der einen Waffenstillstand bricht, hat den Konflikt verursacht. Wenn Sie einen privaten Konflikt haben mit dem Nachbarn, können wir vor Gericht gehen, das ist in Ordnung. Wenn Sie aber einfach anfangen zu schießen, dann ist das eine andere Sache."
(Deutschlandfunk, 04.01.2009)

Schwarzenberg spricht gezielt die Unwahrheit, wurde der Waffenstillstand doch zuerst von Israel mit einem militärischen Übergriff am 4. November auf den Gazastreifen gebrochen, bei dem sieben Palästinenser starben. Nach mehreren vergeblichen Versuchen der Hamas, von der israelischen Regierung die Zusage zur Aufhebung der Totalblockade des Gazastreifens zu erhalten, hätte eine Erneuerung des am 19. November ausgelaufenen Waffenstillstands nichts anderes als die völlige Kapitulation gegenüber der israelischen Aushungerungspolitik bedeutet. Auch wenn man dies in der EU gerne gesehen hätte, kann nicht, wie es immer wieder geschieht, behauptet werden, daß der Waffenstillstand von der Hamas einseitig gebrochen worden wäre.

Wenn der hochrangigste Außenminister der EU seine Position nur mit grober Irreführung zu vertreten weiß, dann zeigt das, daß seitens der Union keine ernstzunehmende Bereitschaft besteht, etwas gegen die Fortführung der israelischen Angriffe zu unternehmen. Letztlich kommt es Sarkozy und Schwarzenberg darauf an, den Eindruck zu erwecken, daß man sich für den Frieden einsetze, um sich nicht den Vorwurf der vollständigen Untätigkeit gefallen lassen zu müssen. Was beide mit Frieden meinen, knüpft allerdings nahtlos an die von der EU von Anfang an mitvollzogene Boykottierung der Hamas-Regierung an.

Die EU als Gefangene ihrer eigenen Nahostpolitik zu bezeichnen wäre angesichts dessen, was sie nun alles nicht tut, eine Verharmlosung. Hätten die Palästinenser Israel unter dem Vorwand, von fanatischen zionistischen Terroristen bedroht zu sein, mit entsprechender militärischer Gewalt überfallen, dann wäre der EU-Führung von politischen und ökonomischen Sanktionen bis hin zur militärischen Intervention vieles eingefallen, was sie unternehmen könnte, um einem offensichtlichen Aggressor in den Arm zu fallen. Sie hätte allerdings gar nicht so lange gewartet, sondern schon im Vorfeld Maßnahmen gegen den völkerrechtswidrigen Landraub der hochgerüsteten Palästinenser ergriffen. Man muß das zwischen Israelis und Palästinenser herrschende Gewaltverhältnis nur auf den Kopf stellen, um zu erkennen, wer Roß und Reiter ist.

Derartige Gedankenspiele sind jedoch müßig, so lange die EU mit Israel und den USA, die Israels Aggression offen unterstützen und laut ihrem Präsidenten George W. Bush eine Beendigung des Krieges vor Erreichen der bekundeten Ziele für nicht sinnvoll halten, in einem strategischen Bündnis steht. Wie vor zweieinhalb Jahren, als die EU mit der Politik Washingtons konform ging, dem israelischen Überfall auf den Libanon diplomatische Rückendeckung zu verschaffen, so präsentiert sie sich auch jetzt als williger Juniorpartner der US-Großmacht, der zwar hin und wieder einen Alternativvorschlag unterbreiten darf, dies jedoch meist in der Absicht tut, um der Kritik an der imperialistischen Kriegführung Washingtons und der vorbehaltlosen Unterstützung der israelischen Besatzungspolitik den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Ein exemplarisches Beispiel für die transatlantische Good Cop-Bad Cop-Routine ist die Rolle, die die EU im Konflikt mit dem Iran eingenommen hat. Indem sie versuchte, dem Land mit diplomatischen Mitteln das Zugeständnis abzuringen, auf die ihm vertraglich zugesicherte Nutzung der Urananreicherung zu verzichten, ohne ernsthaft auf die von Teheran eingeforderten Bedingungen einzugehen, baute sie an der Legitimation des Vorwands, daß man nach dem Ausschöpfen aller diplomatischen Mittel keinen anderen Weg mehr sehe als zu militärischer Gewalt zu greifen.

Auch wenn dieser Konflikt ein wenig in den Hintergrund getreten ist, so ist er alles andere als ausgestanden. Der von Israel erhobene Vorwurf, Teheran beliefere die Hamas mit Waffen, und der mit diesem Krieg verschärfte Antagonismus zwischen Israel und der islamischen Staatenwelt könnte das bedrohliche Szenario eines Angriffs auf den Iran sehr schnell aktualisieren. Auch dann träte die EU, wenn sie nicht selbst mit von der Partie sein sollte, als Moderator kriegerischer Aggressionen auf, anstatt klipp und klar den völkerrechtswidrigen Charakter eines solchen Angriffs zu betonen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

Mit dem Träger des Europäischen Menschenrechtspreises 1989 Karel Schwarzenberg bestehen alle Chancen darauf, daß die Militarisierung der EU im kommenden halben Jahr gut vorankommt. Da in der EU keine Entwicklung auszumachen ist, die den Opfern imperialistischer Kriege zugutekäme, ist die viel beklagte angebliche Impotenz ihrer Außenpolitik einer Entwicklung, in der die Union noch entschiedener in die Fußstapfen der USA als Inhaberin eines informellen Weltgewaltmonopols träte, allemal vorzuziehen.

6. Januar 2009