Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KOMMENTAR

HEGEMONIE/1562: Klartext zur Kriegspolitik der USA unerwünscht (SB)



Mit einiger Empörung wurde die Rede des iranischen Parlamentspräsidenten Ali Larijani auf der 45. Sicherheitskonferenz am Freitag in München in Politik und Medien quittiert. Man lastete ihm an, ein vermeintlich großzügiges Angebot zur Annäherung in den Wind zu schlagen. Der ehemalige Atomunterhändler der iranischen Regierung hatte gewagt, den USA "doppelte Standards" vorzuwerfen und die Frage in den Raum zu stellen, ob das dadurch ausgelöste Leid "nur durch einen neuen Tonfall und ein paar Medienauftritte wieder gut gemacht werden" könne. Larijani meinte damit insbesondere die Unterstützung, die Israel beim Krieg gegen die Bevölkerung des Gazastreifens aus Washington erhielt. Er dokumentierte dies mit zwei großen Farbfotos von Kindern, die israelischen Bomben zum Opfer fielen, und antwortete später auf die Frage, wie es sich mit der angeblichen Förderung des Terrorismus durch den Iran verhalte, sein Land sei "stolz darauf, die Hamas im Kampf für die Schwachen und Entrechteten zu unterstützen" (FR, 07.02.2009).

Damit hatte Larijani das aus seiner Sicht Notwendige getan, um deutlich zu machen, daß man in München nicht als Bittsteller, sondern Vertreter eines souveränen Staats antritt. Der iranische Politiker gab mit seiner Ansicht, daß nicht der Iran, sondern die USA an der Reihe seien, Fehler einzugestehen und ihre Strategie zu verändern, jedoch nicht nur die Meinung Teherans wieder, er vertrat eine in der Region des Nahen und Mittleren Ostens bis auf Israel von einer großen Mehrheit der Menschen geteilte Sicht der Dinge. Das Stillhalten der EU und die offene Unterstützung Israels durch die USA während des Blutbads, das seine Streitkräfte an der Bevölkerung Gazas anrichteten, war lediglich der Tropfen, der das durch die israelische Besatzungspolitik und die Kriege im Irak und in Afghanistan bereits zum Bersten gefüllte Faß zum Überlaufen brachte.

In den Augen der großen Mehrheit der Konferenzteilnehmer stehen die Vertreter Teherans in der Bringschuld, indem sie das ihnen vertraglich zugesicherte Recht auf die zivile Nutzung der Urananreicherung aufgeben. Daß man dies als nicht verhandelbare Vorbedingung für alle Formen der Annäherung versteht, hatte US-Außenministerin Hillary Clinton im Beisein ihres deutschen Kollegen Frank Walter Steinmeier erst am Dienstag in Washington deutlich gemacht. Sie drohte dem Iran "Konsequenzen" für den Fall an, daß er diese Vorbedingungen nicht erfülle.

Damit sind die Ankündigungen des US-Präsidenten Barack Obama, mit Teheran das direkte Gespräch zu suchen, auf den Stand seines Vorgängers George W. Bush zurückgefallen. Dem Iran wird in alter Suprematie aufoktroyiert, vor dem Eintreten in direkte Verhandlungen Forderungen zu erfüllen, die seine Position entscheidend schwächen. Auf die gleiche Weise wird mit der Hamas verfahren, um wirkungsvoll zu verhindern, daß die Palästinenser die ihnen völkerrechtlich zustehenden Ansprüche verwirklichen können.

Der Iran war schon in den 1950er Jahren, als die frei gewählte Regierung Mossadegh aufgrund des Versuchs, die Ausbeutung des iranischen Erdöls durch angloamerikanische Konzerne zu beenden, in einem von den USA und Britannien initiierten Putsch gestürzt wurde, Opfer imperialistischer Strategien. Die Entmachtung des Schahs durch eine breite Oppositionsfront erfolgte, nachdem die USA den Iran als strategischen Vorposten gegen die Sowjetunion und als brutale Autokratie gegen die eigene Bevölkerung aufgerüstet hatten. Daß der Aufstieg des schiitischen Klerus zu Lasten der iranischen Linken ging, war unter anderem ein Produkt des westlichen Antikommunismus, der verhindert hatte, daß sich das Land zu einer säkularen und demokratischen Republik entwickelt hatte. Diese Doktrin hatte trotz des Antagonismus, in dem der politische Islam im Iran zu den USA stand, in Afghanistan zur Folge, daß reaktionäre Islamisten von der CIA gegen die sozialistische Regierung in Kabul und ihre sowjetischen Unterstützer in Stellung gebracht werden konnten.

All dies wird vergessen, wenn Larijani in München Klartext redet und deutlich macht, worauf die auf der Sicherheitskonferenz verhandelten Pläne hinauslaufen. Daß man in Teheran durchaus einverstanden ist mit dem Krieg, den die NATO in Afghanistan gegen die Taliban führt, entspricht der Tatsache, daß der Sturz der irakischen Regierung unter Saddam Hussein die geostrategische Position des Irans verbessert hat. Bei allen Zweckbündnissen, die sich mit Teheran schließen ließen, überwiegt in den westlichen Hauptstädten die Befürchtung, daß ein weiter gestärkter Iran die eigenen Pläne für die Region zunichte machen könnte.

Larijani hatte bereits im Vorfeld der Münchner Sicherheitskonferenz erklärt, daß man sich in Washington täusche, wenn man dort glaube, anstelle der "logischen Interaktion auf der Basis internationalen Rechts einen Knüppel tragen und dem Iran den eigenen Willen aufnötigen zu können". Wenn die US-Administration glaube, sie können ihr Verhältnis zum Iran "durch taktische Veränderungen instrumentalisieren", täusche sie sich. Eine "strategische Konversation" wäre allerdings eine ganz andere Angelegenheit, so die Bestätigung der prinzipiellen Gesprächsbereitschaft des Irans (Inter Press Service, 06.02.2009).

Die Regierung in Teheran vermeidet aus gutem Grund, den Eindruck zu nähren, daß man sich zu Zugeständnissen nötigen lasse. Gleichzeitig mangelt es nicht an Signalen, daß man auf eine Annäherung einginge, wenn diese nur zu reziproken Bedingungen erfolgte, wie der an Barack Obama anläßlich seiner Wahl zum US-Präsidenten gerichtete Glückwunsch des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinejad zeigt. Als Obama der Teheraner Regierung im Interview mit dem Sender Al Arabiya unter Bezug auf seine Inaugurationsrede anbot, aufeinander zuzugehen, wenn der Iran nur seine Faust öffne, ließ er erkennen, daß es ihm an Einsicht mangelt, wie man in der islamischen Welt darüber denkt, permanent mit der geballten Faust einer Supermacht konfrontiert zu sein.

Wenn man weiterhin versuchen wird, dem Iran die eigenen Vorstellungen, wie die Weltordnung des 21. Jahrhunderts auszusehen habe, aufzuoktroyieren, dann wird sich dieser Konflikt weiter verschärfen. In München, wo sich angeblich die geballte Kompetenz westlicher Sicherheitspolitik ein Stelldichein gab, war nicht zu erkennen, daß die Manager der westlichen Kriegspolitik auch nur die Bereitschaft aufwiesen, iranischen Politikern zuzuhören, geschweige denn ihre Sicht der Dinge als gültige Ausgangsposition für Schritte der Annäherung zu akzeptieren. Das ist allerdings nicht zu bedauern, wenn es in Folge einer solchen Annäherung zur Integration des Irans in die Großraumstrategie der USA und EU käme. Dies liefe auf eine Frontbegradigung zugunsten der aggressivsten Akteure, nicht aber die Entwicklung multipolarer Beziehungen auf Basis des Völkerrechts hinaus.

8. Februar 2009