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HEGEMONIE/1610: Israel lehnt Clintons Plan zum Containment des Iran ab (SB)



Die am Dienstag in Thailand von US-Außenministerin Hillary Clinton angekündigte Möglichkeit, für den Fall, daß der Iran die Schwelle zur nuklearen Aufrüstung überschreite, die arabischen Nachbarn der Islamischen Republik mit einem "Verteidigungsschirm" zu schützen und militärisch aufzurüsten, ist in Israel auf deutliche Kritik gestoßen. Man versteht diesen Plan zur Errichtung eines Containments des Iran als Strategiewechsel, mit dem die atomare Aufrüstung des Landes prinzipiell zugelassen würde. Politiker in Israel, die dem Iran mit einem Präventivschlag gegen seine atomaren Forschungseinrichtungen drohen, wittern bei Clinton, die ihrerseits aus ihrer Bereitschaft, auch mit militärischen Mitteln gegen das Land vorzugehen, nie ein Hehl gemacht hat, einen Versuch, sie auszumanövrieren.

Für die israelische Regierung, deren Geheimdienstminister Dan Meridor Clintons Vorschlag brüsk als "Fehler" verwarf, birgt dieser Kurswechsel der US-Regierung mehrere Gefahren. So hält man in Tel Aviv jede Aufrüstung arabischer Staaten mit Waffen, die ein Land wie den Iran in Schach halten können, für eine Gefährdung der eigenen Sicherheit. Dann sieht man sich in der Rolle einer treibenden Kraft, die selbst die USA durch die eigenen, gegen den Iran gerichteten Angriffsdrohungen in die Reaktion zwingt, geschwächt.

Das Argument einer vom Iran ausgehenden nuklearen Bedrohung Israels ist sicherlich das vordergründigste, weil das Land noch weit von der Entwicklung einer Atomwaffe mit dafür geeigneten Trägersystemen entfernt ist und weil es mit einem atomaren Angriff auf Israel die eigene Zerstörung riskierte. Teherans Außenpolitiker habe durchaus bewiesen, daß sie rational denken und nicht, wie häufig behauptet, von einem suizidalen Märtyrerwahn getrieben sind. Selbst wenn der Iran eines Tages Atomwaffen besäße, dann wären diese ebenso, wie es bei andere atomar bewaffneten Staaten der Fall ist, primär Mittel der Abschreckung und nicht des Angriffs. Schließlich wird Israel, das konkrete Angriffsdrohungen macht, von den Regierungen der Staaten, die dem Irak mit weiteren Sanktionen drohen, auch nicht als Gefahr für den Weltfrieden erachtet, obwohl seine Regierung über ein umfassendes Nukleararsenal verfügt.

Was der Regierung in Tel Aviv jedoch besonders unangenehm ist, ist die mit der Errichtung eines "Verteidigungsschirms", was auch als Chiffre für das Stationieren von Atomwaffen verstanden werden kann, einhergehende anwachsende Präsenz der USA in der Region. Je stärker sich US-Streitkräfte am Persischen Golf engagieren, desto geringer ist die Handlungsfreiheit Israels, das am Ende des Tages zu abhängig von der militärischen Hilfe Washingtons ist, als daß es eine wirklich eigenständige Hegemonialpolitik betreiben könnte.

Man baut in Washington darauf, daß ein Regimewechsel im Iran auf mittlere bis lange Sicht unausweichlich ist. Für den Fall, daß in Teheran eine Führung an die Macht gelangte, die den prowestlichen Kurs der Oppositionsbewegung verwirklichte, erhofft sich die US-Regierung große strategische Vorteile für den Krieg in Afghanistan und die Erweiterung der eigenen Kontrolle über Pakistan. Sollte es US-Präsident Barack Obama gelingen, gute Beziehungen zum Iran zu etablieren und zu den arabischen Golfanrainern zu bewahren, dann verlöre Israel erheblich an strategischem Wert für die Geopolitik Washingtons.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, sein Außenminister Avigdor Lieberman und sein Verteidigungsminister Ehud Barak verfolgen eine Strategie der Konfrontation gegenüber dem Iran wie gegenüber den Palästinensern, die die Beziehungen der USA zu den anderen Staaten der Region erheblich belastet. Da sich kein US-Präsident einen offenen Bruch mit Tel Aviv leisten kann, entspricht der von Obama mit seiner Kairoer Rede angekündigte moderatere Kurs einem Winkelzug, mit dem sich dieses Problem auf geschickte Weise lösen ließe. Das bedeutet nicht, daß man in Washington ein Herz für die von Kolonialismus und Imperialismus geschundenen Völker des Nahen und Mittleren Ostens entdeckt hätte, ganz im Gegenteil. Man arbeitet daran, strategische Ziele der dauerhaften Hegemonie und ökonomischen Ressourcensicherung auf pragmatische Weise zu erreichen und Israel auf den Platz eines Verbündeten zu verweisen, der die Regeln nicht bestimmt, sondern sich an sie hält.

26. Juli 2009