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HEGEMONIE/1713: Globales Ringen um Vorherrschaft - Beispiel Sudan (SB)



Auch wenn der Ost-West-Konflikt für beendet erklärt wurde, in den Staaten des Trikonts werden weiterhin verheerende Stellvertreterkriege geführt. Nach wie vor verfolgen die transatlantischen Verbündeten ihr Projekt der weltumspannenden Hegemonie. Das wird am Beispiel Sudans deutlich, wo aktuell Regierungstruppen mit Panzern in die Grenzregion Abyei, deren staatliche Zugehörigkeit noch ungeklärt ist, eingedrungen sind und die Truppen des Südsudans zurückgedrängt haben. Der Süden, dessen Bewohner im Januar per Referendum beschlossen, sich vom Norden zu trennen, möchte die erdölreiche Region um die Stadt Abyei an das eigene Territorium anbinden; die Zentralregierung in Khartum hingegen, die durch die Sezession sowieso schon die Kontrolle über rund zwei Drittel der Ölfelder wird abgeben müssen, will wenigstens das Erdöl Abyeis behalten.

Wenngleich es sich auf dieser Ebene der Betrachtung um einen typisch afrikanischen Ressourcenkonflikt zu handeln scheint, geht es in Sudan mitnichten allein um afrikanische Angelegenheiten. Hier ringen globalhegemoniale Kräfte um Einfluß. China ist derzeit Hauptabnehmer sudanesischen Erdöls, auch Indien und Malaysia partizipieren an der Förderung des weltweit immer knapper werdenden Rohstoffs. Die USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und andere europäische Staaten treiben dagegen seit vielen Jahren eine Balkanisierung des Sudans voran, in der Erwartung, daß sie, wenn der zur Zeit noch flächengrößte Staat Afrikas zerfällt, die auf finanzielle, wirtschaftliche und militärische "Hilfe" angewiesenen Reststaaten leichter ihrer Kontrolle unterwerfen können.

So wird Südsudan, sollte die für Juli geplante Staatsgründung stattfinden, mit einem Schuldenkonto bei westlichen Regierungen, Banken und Unternehmen starten. Die neue Regierung in Juba wird also genötigt sein, die Schulden mit dem Export von Erdöl abzuzahlen. Dabei lassen die zurückliegenden sechs Jahre, in denen Südsudan bereits Autonomiestatus besaß, ahnen, daß es zu keiner generellen Entwicklung des Landes, wie sie sich die Einwohner mit dem Referendum herbeigesehnt haben mögen, kommen wird. Statt dessen dürfte unter Beteiligung örtlicher Sachwalter, die sich an den Schätzen des Landes bereichern, eine Infrastruktur aufgebaut werden, die vor allem der Förderung und dem Abtransport des Erdöls dient.

Nun sind nordsudanesische Streitkräfte in Abyei eingerückt, und der Westen hat mit Sudans Präsident Omar al Bashir wieder einen mutmaßlichen Schurken, der anscheinend nur die Sprache des Militärs kennt und gegen den deswegen das gesamte Arsenal eigener Gewaltmittel aufgefahren werden kann. Al Bashir ist der erste amtierende Staatspräsident, gegen den der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag Haftbefehl beantragt hat. Neben Libyen wäre Sudan ein weiterer Kandidat auf dem afrikanischen Kontinent, der unter dem leicht zu durchschauenden Vorwand der Schutzverantwortung (r2p - responsibility to protect) von den NATO-Staaten ins Visier genommen und der eigenen hegemonialen Sphäre zugeordnet werden könnte.

Abgesehen von dem nicht zu leugnenden Machtkampf innersudanesischer Kräfte und auch der Einflußversuche der Nachbarstaaten auf Sudan dient die bereits begonnene und sich mit dem Abyei-Konflikt weiter fortsetzende Zerrüttung des Landes nicht zuletzt der Erweiterung der westlichen Hegemonie über den zum Ressourcenkontinent degradierten Afrika. Das richtet sich unmittelbar gegen die Interessen der neuen globalhegemonialen Konkurrenten China und Indien sowie gegen alle anderen aufstrebenden Schwellenländer, damit sie sich erst gar nicht zu ernstzunehmenden Mitstreitern entwickeln.

Der Preis dieser auf mehreren Ebenen erfolgenden Auseinandersetzung ist wie immer in solchen Fällen äußerst blutig. Neben dem Hungertod von jährlich Millionen Menschen, die offenbar vom Anspruch der Schutzverantwortung ausgeklammert werden - was, nebenbei gesagt, die Frage nach den Kriterien für R2P und dem dahinterstehenden Interesse aufwirft -, zählt das Schüren von Konflikten, wozu auch der Rüstungsexport gehört, zu den auffälligsten Merkmalen menschenvernichtender Bevölkerungskontrollmaßnahmen.

22. Mai 2011