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HERRSCHAFT/1465: Ifo-Geschäftsklimaindex - Stimmungsaufheller fürs Volk (SB)



Der Ifo-Geschäftsklimaindex für Juni fällt überraschend positiv aus. Er verzeichnet den dritten Monat hintereinander ein Plus, vermeldete das Münchener Institut am Montag. Aber zur Euphorie bestehe kein Anlaß, warnen Experten. Wie bitte? Euphorie? Das Wort überhaupt in einen Kontext mit der wirtschaftlichen Lage in Deutschland zu bringen, und sei es in negativer Form, sollte sich verbieten angesichts der massiven Exporteinbrüche, der reihenweisen Insolvenzen alteingesessener Unternehmen und der durchweg Ratlosigkeit darbietenden Regierung. Die zeigt sich völlig hilflos gegenüber dem - bislang noch gebremsten - Arbeitsplätzeabbau in der Bundesrepublik, der spätestens nach den Bundestagswahlen im Herbst dammbruchartig zunehmen wird.

Noch halten sich die Konzernbosse zurück, noch versuchen sie, die tiefe Krise durch Flickwerk zu kompensieren. Im Bemühen, oppositionellen Kräften und Parteien, die ihnen eine eisenharte Trense zwischen die Zähne zwängen könnten, keine Munition zu liefern, bauen sie gegenwärtig vergleichsweise wenige Arbeitsplätze ab, lösen angesparte Überstundenkonten auf oder verlegen sich auf Kurzarbeit. Damit soll der Burgfrieden eine Zeitlang gesichert werden. Doch die Pläne für Massenentlassungen liegen bereits in den Schubladen, nein, sie liegen schon auf den Schreibtischen, nur der Stempel "Ausführung" fehlt noch. Das unter den Erwartungen gebliebene Abschneiden der Partei der Linken bei den jüngsten Wahlen zum Europaparlament hing auch damit zusammen, daß die Firmen die schwere Krise europaweit nach den beschriebenen Methoden zu verschleppen versuchen - beenden läßt sie sich damit natürlich nicht.

Laut der Ifo-Zahlenkabbala erhöhte sich der Geschäftsklimaindex von 84,2 Punkten im Mai auf 85,9 Punkte - dabei hatten Volkswirte lediglich mit einem Anstieg auf 85,1 bis 85,3 gerechnet, heißt es. Sollen wir nun alle happy sein, weil sich die Volkswirte verschätzt haben? Jener numerische Anstieg besagt, daß die rund 7000 befragten Unternehmen angaben, daß sie im kommenden halben Jahr tendenziell bessere Geschäfte erwarten. Sobald Mathematik im Spiel ist, lassen sich die meisten Menschen maßlos beeindrucken, weil sie sie nicht verstehen. Das hat zur Folge, daß sie ihr "freiwillig" Glauben schenken. Der Geschäftsklimaindex verspricht Objektivität, auch wenn es sich um nichts anderes als um Stimmungen, Gefühle und Ausdruck von Absichten handelt, die lediglich als Zahlenwerk präsentiert werden.

Eine Stimmung kann von vielen Faktoren abhängig sein. Will ein Unternehmer beispielsweise erreichen, daß die Regierung ihm seine Arbeit bei der Profitmaximierung erleichtert, könnte seine Erwartung hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung seines Unternehmens negativ ausfallen. Will er dagegen verhindern, daß die Regierung unter Druck gerät, beispielsweise durch die - Huch! - bösen Linken, welche sich für eine höhere Verschuldung, strengere staatliche Regulation des Finanzwesens und eine markante Nachfragepolitik einsetzen, macht er auf Optimismus.

Der Ifo-Geschäftsklimaindex drückt nicht die reale wirtschaftliche Lage deutscher Unternehmen aus, sondern die politische Einstellung der Manager zu einem bestimmten Zeitpunkt. Da aber der Index als eine wichtige Referenzgröße für den Zustand der deutschen Wirtschaft verwendet wird, spiegelt er eben nicht nur Stimmungen wider, sondern fungiert auch als Einflußfaktor. Er dient sozusagen als Stimmungsaufheller zur Unterstützung der vorherrschenden politischen Kräfte. Die können eine schlechte Stimmung unter den Konzernbossen im Superwahljahr 2009 nicht gebrauchen. Die Wirtschaft dankt es der Regierung durch Zweckoptimismus in Zeiten des Krisenmanagements. Die Verwaltung der Krise steht in einem ausschließenden Verhältnis zu ihrer Bewältigung. Die Zeche zahlt der Bürger, im September, nachdem er seine Stimme zur Bundestagswahl abgegeben hat. Damit er dem irrtümlichen Eindruck unterliegt, dem sozialen Frieden sei zu trauen, wird ihm Ritalin in Form des Ifo-Geschäftsklimaindex eingeflößt.

22. Juni 2009