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HERRSCHAFT/1510: Brandenburger Linke ... das Elend unvollendeter Teilhaberschaft (SB)



Die Brandenburger Linke wird nicht von ihrer Vergangenheit eingeholt, wie es in den Kommentaren zur Tätigkeit diverser Landtagsabgeordneter für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR häufig heißt. Die Brandenburger Linke ist ihrer Ambition zum Opfer gefallen, zu fast jedem Preis Regierungspartei zu werden. Man hat sich schlicht darin verschätzt, daß die Ankunft in der BRD für ehemalige Funktionsträger der DDR nur erfolgen kann, wenn die geschichtspolitische Definitionsmacht der Sieger zuvor durch tätige Reue zementiert wird. Diese Fehleinschätzung resultiert auch daraus, daß die im Koalitionsvertrag erbrachten Zugeständnisse der Linken so weitgehend waren, daß man sich in der falschen Sicherheit des eingeschlagenen opportunistischen Kurses wiegte.

Die Bekenntnisse der Brandenburger Linken zum Vertrag von Lissabon, zu einer wirtschafts- und elitenorientierten Hochschulpolitik, zu drastischen Reduzierungen im öffentlichen Dienst und zu umweltfeindlichen Handreichungen für die Energiewirtschaft demonstrieren die hochgradige Bereitschaft zumindest von Teilen dieser Partei, genuin linke Positionen preiszugeben, um Regierungsfähigkeit demonstrieren zu können. Diese wird nicht nur auf der Grundlage verfassungsrechtlicher Vorgaben definiert, sondern verlangt den Parteifunktionären im realpolitischen Alltag eine Flexibilität ab, die durchaus zum Gegenteil dessen führen kann, für das man im Wahlkampf angetreten ist.

Die Linke hat sich mit dem Anspruch formiert, eine glaubwürdige Alternative zum herrschenden Kartell aus Staats-, Partei- und Wirtschaftsinteressen anzubieten. Gerade aus dem unter ihren Mitgliedern vorhandenen Potential an analytischer Systemkritik weiß man dort bestens Bescheid über die korrumpierende Wirkung der repräsentativen Demokratie. Wie soll man die Interessen einer Anhängerschaft, die aufgrund ihrer sozialen Lage und ihrer politischen Ansichten ein antagonistisches Verhältnis zu den die Bundesrepublik beherrschenden Kräften hat, vertreten, wenn man sich der parlamentarischen Integrationsmaschine auf eine Weise ausliefert, die die etablierten Parteien nicht nötig haben, weil sie von Anfang an systemkonforme Positionen vertreten?

Weit jenseits aller notwendigen Kritik am repressiven Charakter des Staatssozialismus der DDR wird mit dem Stasi-Stigma ein nach wie vor virulenter Antikommunismus bedient, dessen revanchistischer Vergangenheitsbezug in Erwartung künftiger Sozialkämpfe in einen präemptiven Gesinnungsverdacht umschlägt. Es geht nicht um die Missetaten eines Spitzelapparats, der in der Kommunistenverfolgung durch den Staatsschutzapparat der BRD sein praktisches Äquivalent fand. Mit dem Einsatz alter Nazis an der antibolschewistischen Front hatte die Bonner Republik die Funktionsträger eines mörderischen Regimes rehabilitiert, und das Talmi der propagierten Freiheitsideale trug auch durch die juristische Schonung schlimmster NS-Verbrecher und die Kollaboration mit Militärdiktaturen und rassistischen Regimes in aller Welt ab.

Es besteht mithin kein Anlaß, 20 Jahre nach Ende der DDR den Kniefall zu üben. Wenn eine Mehrheit, die kategorisch behauptet, mit sich im Reinen zu sein, einer Minderheit, die von vornherein ins Unrecht gerückt wird, die Aufarbeitung der Geschichte abverlangt, ist es ein Akt der Befreiung, sich dieser Unterwerfung zu verweigern. Daß die Brandenburger Linke dazu nicht in der Lage ist, entspricht dem opportunistischen Charakter ihres Strebens nach Regierungsmacht. Dabei kreuzt sich paradoxerweise die hohe Affirmationsbereitschaft ehemaliger Funktionsträger der DDR mit der gegen sie gerichteten Ausgrenzungslogik. Wer sich früher als besonders staatskonform bewiesen hat, von dem ist nicht notwendigerweise anzunehmen, daß er dies heute nicht auch tut.

Für die Brandenburger Linke ist es zu spät, die gegen sie gerichtete Kampagne als Produkt antikommunistischer Ausgrenzung zurückzuweisen. Da sie in diesem System ankommen will und ihr dazu nur die vollständige Anerkennung der Sachwalter desselben fehlt, hat sie keinen Grund, eine außerhalb dessen gelegene Position einzunehmen. Dementsprechend ist sie dazu genötigt, die jüngsten IM-Fälle nicht nur als Verfehlungen einzelner zu entschuldigen und den angerichteten Schaden auf diese zu begrenzen, sondern einmal mehr für die ganze Partei Abbitte zu leisten. Indem sie den operativen Charakter dieser angeblichen Erblast ausblendet und sich dem herrschenden ideologischen Diskurs unterwirft, dokumentiert sie die Schwäche, die jedes unvollendete Streben nach Teilhaberschaft am hegemonialen Block auszeichnet.

5. Dezember 2009