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HERRSCHAFT/1517: Revolutionärer Liberalismus in Ukraine auf Elendsmaß geschrumpft (SB)



Wenn ein bekundetermaßen völlig uncharismatischer, hölzerner Apparatschik wie Viktor Janukowytsch fünf Jahre, nachdem er als angeblicher Wahlbetrüger angeprangert wurde, in den jetzigen Präsidentschaftwahlen der Ukraine die Meinungsumfragen anführt, dann muß die orangene Revolution, die um den Jahreswechsel 2004/2005 als Aufbruch in eine neue, bessere Zeit gefeiert wurde, ganz und gar aus dem Ruder gelaufen sein. Der damals als Held des Widerstands gegen verknöcherte postsowjetische Machtstrukturen umjubelte Präsident Viktor Juschtschenko erreicht in den Umfragen nurmehr einstellige Ergebnisse und wird noch von dem Newcomer Sergei Tigipko überholt, einem der reichsten Männer der Ukraine, der die Zukunft des Landes in einer engeren Anbindung an Rußland sieht. Auch Ministerpräsidentin Julia Tymoschenko, einst in der westlichen Welt als Heldin der Revolution gefeiert, bleibt noch hinter Janukowytsch zurück, obwohl sie ebenfalls für eine stärkere Ausrichtung der Ukraine nach Rußland wirbt.

Die in der Bevölkerung bekundete Enttäuschung über die Ergebnisse dieser angeblichen Revolution bestätigen, wie wenig dieser Begriff auf den Machtwechsel vor fünf Jahren anzuwenden ist. Es erfolgte keine Revolutionierung der Verhältnisse, weder der politischen noch der ökonomischen, weil es niemals um etwas anderes ging, als daß eine andere Interessengruppe als die bisherige an die Fleischtöpfe drängte. Die Begeisterung über den angeblichen Aufbruch zu mehr Freiheit hat einige kleine Verbesserungen etwa im Bereich der Medien mit sich gebracht, die allerdings von den Kapitalinteressen aufgefressen werden, die die Formierung der öffentlichen Meinung kontrollieren. Da es niemals um eine soziale Revolution ging, haben sich die Lebensverhältnisse der Ukrainer weiter verschlechtert. Der Glaube an den wohlstandsfördernden Einfluß des Westens ist stark erschüttert, zumal die EU keine Neigungen zeigt, die Ukraine aufzunehmen, bevor sie nicht weitreichende Vorleistungen im Sinne der Anpassung an ihr Verwertungsmodell erbracht hat.

Der maßgebliche Antrieb dieser sogenannten Revolution war geostrategischer Art, ging es doch um eine Neuausrichtung der Ukraine in Richtung EU und USA. Die finanzielle und logistische Hilfe regierungsnaher Demokratisierungsinstitutionen insbesondere US-amerikanischer Herkunft, die die Demonstranten in Kiew genossen, war eine Investition in die langfristige Westbindung des Landes. Wie zuvor in Jugoslawien wurde insbesondere die Jugend mit oberflächlichster Freiheitsrhetorik mobilisiert, und wer sich dabei als Wortführer besonders verdient gemacht hat, der wurde mit einem Auskommen in einem von George Soros gesponsorten Think Tank oder einer anderen Vorfeldorganisation westlichen Hegemonialstrebens belohnt.

Insgesamt jedoch ist die maßgeblich gegen den Einfluß Rußlands auf den eurasischen Kontinent gerichtete Unterwanderungsstrategie der bunten Revolutionen nicht aufgegangen. Die Weltwirtschaftskrise hat das ihrige dazu getan, den neoliberalen Kapitalismus zu diskreditieren und die Freiheitslyrik seiner Herolde als Auftragskompositionen rabiater Räuberbarone erkennen zu lassen. Rußland hat insbesondere am Beispiel des erfolgreich zurückgeschlagenen Überfalls der georgischen Streitkräfte auf die Enklave Südossetien bewiesen, daß es seinen Vormachtanspruch auf die Region durchsetzen kann. Die NATO-Staaten hingegen demonstrieren mit ihren Kriegen die Begrenztheit imperialistischer Expansion, sind sie doch nicht einmal in der Lage, einige Tausend irreguläre Kämpfer in Afghanistan zu besiegen.

Die Verheißungen des Liberalismus als Programm der Weltbefreiung auch mit den militärischen Mitteln der NATO, die im Mittelpunkt der orangenen Propaganda standen, sind umfassend widerlegt worden. Da jedoch nichts an die Stelle dieser verlöschten Hoffnung tritt, das den Wunsch nach gesellschaftlichen Reformen befriedigen könnte, kommen die Ukrainer aufs Bewährte zurück und folgen einem Politiker, der ihre Probleme auch nicht lösen wird, weil er schlicht mit anderen oligarchen Strukturen verbündet ist als die politische Konkurrenz.

Wichtig an dieser Entwicklung für die Bundesrepublik ist der Gesichtsverlust, den all diejenigen deutschen Politiker und Journalisten erlitten haben, die die orangene Revolution vor fünf Jahren als finale Abrechnung mit postkommunistischen Machthabern feierte. Indem sie versuchten, einen bloßen Machtkampf reaktionärer Kräfte zum Aufbruch in eine gesellschaftliche Transformation zu überhöhen, um die geostrategischen Optionen der eigenen Kapitalmacht zu verbessern, haben sie die Borniertheit und Inkompetenz ihrer ideologischen Konditionierung vorgeführt. Der notorische Antikommunismus arbeitet sich mit Vorliebe an Feindbildern ab, die den Anspruch kommunistischer Praxis gar nicht erheben und keinerlei emanzipatorisches Potential besitzen. Nur so können seine Verfechter überhaupt den Eindruck erwecken, ein fortschrittliches Gesellschaftsmodell zu vertreten. Mit der Schwäche der Gegner verfällt aber auch das eigene politische Gestaltungsvermögen, so daß am Ende Raub- und Herrschaftsstrategien bleiben, die in ihrer Menschenfeindlichkeit nicht erst erkannt werden müssen.

16. Januar 2009