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HERRSCHAFT/1645: Linkspartei legt sich Kuckucksei Beate Klarsfeld ins Nest (SB)



Das Eigentor der Linkspartei, ausgerechnet Beate Klarsfeld als ihre Kandidatin für das Bundespräsidentenamt zu nominieren, wird im günstigsten Fall folgenlos bleiben. Eine Partei wie Die Linke, die permanent von einer Phalanx berufsständischer Verteidiger rigider Staatsräson, die sich vom Verfassungsschutz über die parteipolitische Konkurrenz bis hinein in die Medienlandschaft erstreckt, auf den Seziertisch gelegt wird, muß allerdings damit rechnen, daß jeder ihrer Schritte akribisch auf seine Tauglichkeit für die nächste Bezichtigung abgeklopft wird. Längst höhnt die bürgerliche Presse über die holprige Kandidatenkür in den Führungskreisen der Linkspartei, pickt eilfertig jede Distanzierung Klarsfelds von der Linken heraus und nimmt insbesondere die unterstellte Absicht aufs Korn, sich mit dieser Nominierung einen dezidiert israelfreundlichen Anstrich zu geben. Sollte letzteres tatsächlich eine Rolle bei der Entscheidung für die 73jährige Publizistin gespielt haben, würde das einmal mehr belegen, wie untauglich taktische Rückzugsmanöver im Angesicht einer unbarmherzigen Gegnerschaft sind.

An fundierten Gründen, gegen den im Handstreich vorab inthronisierten Joachim Gauck zu Felde zu ziehen, mangelt es nicht. Als dezidierter Antikommunist, sozialrassistischer Protagonist bundesdeutscher Leistungseliten und Suprematist neoimperialistischen Expansionsstrebens ist er in der Tat wie kein anderer ein Präsident des Herzens - soweit man unterstellt, daß die herrschende Klasse ein solches besitzt. Da Bundeskanzlerin Angela Merkel die Linkspartei kurzerhand davon ausgeschlossen hat, den künftigen ideologischen Leitwolf bei der Verabreichung sozialer Grausamkeiten zu küren, mutet es geradezu wie ein Gebot der Stunde an, sich zum "destruktiven Charakter" zu bekennen, den der CDU-Politiker Peter Hintze der Linken attestiert, nur weil diese von ihrem demokratischen Recht Gebrauch macht, eine eigene Kandidatin ins Rennen zu schicken. [1]

Während der Rest der im Bundestag vertretenen Fraktionen die Fiktion eines überparteilichen Präsidenten Gauck vorhalten kann, da er ihre gemeinsamen Interessen erstklassig bedienen wird, gilt das nicht für die Linkspartei. Sie wäre gut beraten gewesen, sich auf ihre Kernkompetenz zu besinnen und eine Kandidatin oder einen Kandidaten auf den Schild zu heben, mit der oder dem sich ihre zentralen politischen Ziele zum Ausdruck bringen und aufs schärfste mit jenen der Gauckisten kontrastieren ließen. Will man Sand im Getriebe kapitalistischer Verwertung, repressiver Staatlichkeit und fortgesetzter Angriffskriege sein, hilft es nicht, sich als Teil des Räderwerks anzuempfehlen und eine Kandidatin Beate Klarsfeld zu nominieren, die sich nichts davon auf die Fahne geschrieben hat.

Ihr Antifaschismus kommt ohne sozialen Rekurs, ohne Kritik des neofeudalen Sozialdarwinismus inmitten der Gesellschaft, ohne internationalistische Parteinahme für die Opfer hegemonialer Waffengänge aus und mündet mithin zwangsläufig in Positionen, wie sie die Linkspartei nie und nimmer teilen kann. Klarsfeld ergreift dezidiert Partei für einen aggressiven Zionismus und gehört zu den Erstunterzeichnern des kriegshetzerischen Aufrufs "Stop the bomb!", der den Präventivschlag gegen den Iran fordert [2]. Präsident Francois Mitterand machte sie 1984 zum "Ritter der Ehrenlegion", Nicolas Sarkozy 2007 zum "Offizier der Ehrenlegion". Einer ihrer Söhne ist heute Berater Sarkozys. Dem Tagesspiegel verriet Klarsfeld bereits, daß sie auf keinen Fall als eine "Anti-Gauck" auftreten wolle und auch die Politik der Linken nicht vertrete [3].

Für wen kandidiert Beate Klarsfeld? Nicht für die Linkspartei und nicht gegen Gauck, was eigentlich nur den Schluß zuläßt, daß es ihr um die Anerkennung ihrer Lebensleistung auch in Deutschland geht. Dagegen ist nichts einzuwenden, doch beantwortet das nicht die Frage, in welcher Hinsicht dieses Anliegen den Einwänden gegen den nicht mehr abzuwendenden künftigen Bundespräsidenten Rechnung trägt. "Sie wäre eine hervorragende Präsidentin", wurde Gesine Lötzsch zitiert, nachdem sich der geschäftsführende Parteivorstand einstimmig für Beate Klarsfeld entschieden hatte. "Viele Menschen in der Republik bringen ihr Respekt entgegen." Das mag zutreffen. Zweifel sind jedoch angebracht, daß diese Hochachtung über die fraglos gegebenen antifaschistischen Verdienste Klarsfelds hinaus viel mit jenen Überzeugungen gemein hat, die die Linkspartei als parlamentarische Gegenkraft zum neoliberalen imperialistischen Block der bürgerlichen Mitte auszeichnen und all denjenigen als politische Interessenvertretung anempfehlen, denen ein Gauck aus vielen Gründen kein Präsident sein kann.

Fußnoten:

[1] http://www.welt.de/politik/deutschland/article13890819/Hintze-kritisiert-Kandidaten-Kuer-der-Linkspartei.html

[2] http://www.jungewelt.de/2012/02-25/026.php

[3] http://www.fr-online.de/gauck-folgt-wulff/bundespraesidentenwahl--eine-kandidatin-aus-versehen,11460760,11715934.html

27. Februar 2012