Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → KOMMENTAR


HERRSCHAFT/1868: Die Zahl der Wahl - Äpfel und Birnen vergleichen ... (SB)



Das große "C" der Unionsparteien erwiese sich nur dann als Mühlstein am Hals machtpolitischer Ambitionen, wenn das damit gemeinte christliche Bekenntnis weit vor dem Beginn eines Staatskirchentums ansetzte, das im Streben nach Herrschaft über alle weltlichen Belange erst die Voraussetzung für das Aufkeimen jenseitiger Erlösungshoffnung schuf. Ein aller Streitbarkeit entledigter Heiland münzt die Schmerzen erlittener Unterdrückung in eine Währung religiösen Tauschwertes um, der als Lohn für die Unterwerfung unter die Gebote des Herren die Vergebung aller Sünden in Aussicht stellte ... allein das damit freigesetzte Wechselverhältnis war und ist ein todsicheres Rezept für die Aufrechterhaltung hierarchischer Ordnung und wertstiftender Schuldmoral auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Das Motiv der Befreiung hier und jetzt scheint bestenfalls in den Ideen lateinamerikanischer Priester auf, die Jesus wie andere der Häresie bezichtigten Strömungen eines dissidenten Christentums bei jenem Worte nahmen, laut dem er "nicht gekommen" sei, "um Frieden zu bringen, sondern das Schwert".

Anders als die häufig zu vernehmende Interpretation dieser Stelle aus dem Matthäus-Evangelium, mit ihr sei die Gewalttätigkeit der christlichen Kirche gemeint, kann der durch das Schwert bestrittene Frieden auch als Attribut einer Gesellschaftsordnung verstanden werden, in der das Eigentum der einen die Not der anderen begründet, in der die unterstellte Einheit von Volk und Nation ein Gewaltpotential birgt, das im aggressiven Krieg nach außen und sozialen Krieg nach innen manifest wird. Einmal angenommen, das Christentum sei aus einem sozialrevolutionären Impuls heraus entstanden, den an seiner Ausbreitung zum Flächenbrand zu hindern das ganze Trachten und Sinnen klerikalen Machtstrebens und priesterlicher Drohungen durch zwei Jahrtausende gewidmet war, dann findet das dabei in Aussicht gestellte Friedensreich des Himmels in der erbitterten Feindschaft zwischen Menschen und der alles Schwache unterjochenden Gewalt des Patriarchates seine adäquate Wirklichkeit.

Christlich an den Unionsparteien ist denn auch alles, was eine die Ausflucht in jenseitige Hoffnung verwerfende materialistische Linke als Gegenentwurf zur Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung versteht. Diese Unvereinbarkeit nicht mit einem wesentlich folgenlosen Appell an das Gute im Menschen einzuebnen, um zum Beispiel Zweckbündnisse zwischen Linken und Christdemokraten zwecks Wahl Bodo Ramelows zum Ministerpräsidenten in Thüringen zu schließen, garantiert die Kontinuität linker Streitbarkeit, für die heute mehr denn je Anlaß besteht. Wenn also in Thüringer CDU-Kreisen ein vermeintlich in der Linken wie der Union vorhandenes christliches Selbstverständnis bemüht wird, um einer parlamentarischen Zwickmühle zu entkommen, dann wäre diese Brücke nur tragfähig, wenn die Linke den Rest ihres sozialistischen, antimilitaristischen und antipatriarchalen Bekenntnisses aufgäbe.

25. Februar 2020


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang