Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KOMMENTAR

PROPAGANDA/1322: Britannien angeblich noch kein Polizeistaat (SB)



Bekanntlich wird nicht nur Deutschland am Hindukusch verteidigt, sondern auch die USA, Polen, Frankreich, Dänemark und eine Reihe weiterer Länder. Selbstverständlich darf Großbritannien in dieser Aufzählung nicht fehlen. Letzteres wird übrigens nicht nur dort, zwischen Khyber-Paß und Helmand verteidigt, sondern auch in ... Großbritannien! Nämlich gegen die eigene Bevölkerung. Nichts verdeutlicht dies mehr als die Phalanx an Repressionsmitteln zur Bevölkerungskontrolle, die von dem Sicherheitsstaat aufgefahren wurde.

Die Kugeln aus den Schießeisen der britischen Besatzungsarmee in Afghanistan und aus denen der sogenannten Sicherheitskräfte im eigenen Land töten auf gleiche Weise, wie die Eliminierung des unbescholtenen Elektrikers Jean Charles de Menezes gezeigt hat. Der war am 22. Juli 2005 in der Londoner U-Bahn von Polizisten mit aufgesetzter Waffe hingerichtet worden. Mit sieben Kugeln hat man sein Gehirn aus dem Kopf gepustet.

Der Unterschied zwischen einem Taliban in Afghanistan und einem Einwohner Britanniens ist nur noch ein semantischer. Beide stellt der Staat unter Generalverdacht, um auf dieser Grundlage den Repressionsapparat stetig zu verfeinern. Die mehr als vier Millionen CCTV-Kameras, die in London und anderen urbanen Räumen aufgestellt wurden, genügen dem Observationsregime nicht, einen zunehmend größeren Zuspruch erfahren fliegende Beobachtungsplattformen, sogenannte Mini-Drohnen, im Ingenieurs-Jargon auch als UAVs (unmanned aerial vehicles) bezeichnet.

Unsichtbar fürs bloße Auge und lautlos fürs menschliche Ohr schweben sie in wenigen hundert Metern Höhe über sozialen Brennpunkten, Demonstrationszügen, Klima-Camps, und was der Polizei noch alles an "Problemgebieten" einfällt. In der jüngsten "Science and Innovation Strategy" des britischen Innenministeriums werde den UAVs (Unmanned Aerial Vehicles) eine zunehmende Bedeutung für die Polizeiarbeit attestiert, griff die Zeitung "Globe and Mail" (24.2.2009) das Thema auf.

Die Bevölkerung wird nicht gefragt, ob sie in einem Staat leben will, der die Untertanen ihrer Majestät nach Strich und Faden ausspioniert. Und noch immer leiern sich kritisch gebende Politiker das Gebet runter, daß Britannien auf keinen Fall ein Polizeistaat werden soll. Hallo? Jemand zu Haus? Es ist bereits ein Polizeistaat, wie er (nicht mal) im Buche steht. Als George Orwell seine Negativ-Utopie "1984" schrieb, hatte er sich offenbar solche Szenarien, wie sie längst etabliert sind, nicht vor Augen führen können: Satellitenobservation, CCTV-Videoüberwachung, Autokennzeichen-Kameras, Platzverweise bei Ordnungswidrigkeiten auf der Grundlage der Antisozialen Verhaltensbestimmungen, Verbreitung der elektronischen Fußfessel bei Hausarrest, wochenlanger Wegschluß von Personen, ohne daß gegen sie Anklage erhoben wird ...

Es ist ja nicht so, daß dem Sicherheitsstaat mit den polizeilichen Mini-Drohnen erstmals ein solches Überwachungsinstrument zur Verfügung stünde. Mehr noch sogar als in Deutschland wird es den Verteidigern Großbritanniens leicht gemacht, private Wohnungen akustisch und visuell auszuforschen und Telefone anzuzapfen. Zugegeben, es muß einen gehörigen Spaß machen, mit einem Joystick in der Hand Mini-Drohnen über die Städte oder durch die Häuserschluchten zu steuern. Aber solche Bedürfnisse werden schon von den Modellflugzeugvereinen bedient, damit muß die Polizei nicht auf die Bevölkerung losgelassen werden.

Der ehemalige britische Innenminister David Blunkett warnt vor den Gefahren durch den "Big Brother"-Staat, wie "Globe and Mail" meldete ... und schiebt die Gefahren in ferne Zukunft, indem er erklärt, daß Britannien kein "Überwachungsstaat" wird. Man könnte ihm zustimmen, denn was ist, kann nicht mehr werden. Im Vergleich mit anderen Repressionsinstrumenten, die auf dem Boden der Antiterrorgesetzgebung in den letzten Jahren gediehen sind und dazu beitragen, daß die Einwohner wieder einen Rechtsstatus wie zur Zeit der Leibeigenschaft zugeschrieben bekommen, mögen Kontrollinstrumente wie Flugdrohnen noch harmlos erscheinen. Sie rufen allerdings in Erinnerung, daß die Qualifizierung der staatlichen Verfügungsgewalt nicht nachlassen wird, solange die Menschen, auf denen der Staat sich stützt, der Propaganda unermeßlicher Gefahren glauben und diese Entwicklung zulassen. 25. Februar 2009