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PROPAGANDA/1323: Die Linke mit dem Nationalismusstigma treffen ... (SB)



Wenn es um die Haltung der Partei die Linke zur Europäischen Union geht, darf ihre spiegelbildliche Verortung im rechten Lager nicht fehlen. Ob man nun fordert, sie müsse sich von "ultrarechten EU-Kritikern abgrenzen", wie der Focus (27.02.2009) in einer Überschrift unter Bezugnahme auf den Europaabgeordneten André Brie verlangt, oder ihr nachsagt, mit ihrer Kritik am Lissabon-Vertrag im rechten Lager zu wildern, an totalitarismustheoretischen Anwürfen herrscht in der bürgerlichen Presse, nicht zuletzt aufgrund der eigenen Affinität zu staatsautoritären Lösungen, kein Mangel.

Der immer wieder anklingende Vorwurf, die Linke befördere mit ihrer Kritik an diesem wichtigen Vertragswerk die Hinwendung zu nationalistischen Ressentiments oder die Rückkehr zu nationalstaatlicher Eigenbrötelei, ist natürlich so unredlich wie die generelle Subsumierung der Gegner des EU-Reformvertrags unter dem Schmähwort "Antieuropäer". Die Auferstehung des in Frankreich und den Niederlanden per Volksabstimmung gescheiterten Entwurfs zum EU-Verfassungsvertrag in beinahe identischer Form als Lissabon-Vertrag und dessen Durchsetzung durch fast vollständigen Verzicht auf Referenden in den EU-Mitgliedstaaten ist dieser Polemik gegenüber so gut wie vergessen. Dabei spricht der autoritäre Dezisionismus, mit dem den Europäern die Beteiligung an einer wichtigen Weichenstellung für die Zukunft der Staaten, in denen sie leben, vorenthalten wird, am ehesten für eine politische Entwicklung hin zu rechts-, heute angemessener als neokonservativ zu bezeichnenden Formen der Machtausübung.

Besonderer Anlaß zum Ärgernis ist den Verfechtern der herrschenden Lehre die Tatsache, daß der Bundesausschuß der Linken den beiden EU-Abgeordneten André Brie und Sylvia-Yvonne Kaufmann keinen Listenplatz zur Europawahl zugedacht hat. Die damit vollzogene Stärkung des EU-kritischen Flügels der Partei erhöht deren Attraktivität für Bundesbürger, die am 7. Juni ihrem Ärger über das selbstherrliche Vorgehen der Bundesregierung in Sachen Verfassungs- und Lissabon-Vertrag Ausdruck verleihen wollen. Da in den anderen im Bundestag vertretenen Parteien die Zustimmung zu der damit angestrebten Reform der EU-Institutionen, der weiteren Militarisierung der EU und der Fortschreibung ihrer liberalkapitalistischen Grundverfassung weitgehend Konsens ist, könnte die Linke durchaus das angestrebte Ziel eines zweistelligen Ergebnisses erreichen.

Um so mehr ist damit zu rechnen, daß die Versuche, die Linke in den nächsten drei Monaten mit dem Stigma einer nationalistischen bis neofaschistischen Gesinnung zu behaften, an Aggressivität und Intensität zunehmen werden. Demgegenüber gilt es schon zum Zwecke ihrer Unverwechselbarkeit und einer klar konturierten Abgrenzung zu den etablierten Parteien, ihr Profil zu schärfen und sich nicht als Wasserträger herrschender Politik einspannen zu lassen. Inmitten des rapide eskalierenden Desasters der Weltwirtschaftskrise muß es auch in der Bundesrepublik eine Partei oberhalb der Fünf-Prozent-Hürde geben, die genuin antikapitalistische und antimilitaristische Positionen vertritt.

Was die Linke bislang unternommen hat, dieser Entwicklung im Sinne des sich verschärfenden Klassengegensatzes gerecht zu werden, ist angesichts der sich bietenden historischen Chance bescheiden. Die Europawahl ist eine gute Möglichkeit, sich um die Formierung einer Massenbewegung oppositioneller Bundesbürger zu bemühen, die mit der Beweihräucherung der sozialen Marktwirtschaft als bestes aller Systeme und der Bundeswehr als wahre Friedensbewegung nicht zufriedenzustellen sind, sondern die die Krise des Kapitalismus zum Anlaß eines Neubeginns unter sozialistischem Vorzeichen nehmen wollen.

27. Februar 2009