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PROPAGANDA/1328: Europäer mit Obama-Mythos eingeseift ... (SB)



Barack Obama über Europa! Der US-Präsident wird, namentlich von der jungen Generation, gefeiert wie weiland John F. Kennedy, der als Hoffnungsträger für die Entrechteten und Beladenen aufgebaut wurde, obwohl sich unter seiner Führung die sogenannte Militärmission in Südvietnam zu einem modernen Kolonialkrieg ausweitete und kapitalistische Ausbeutungsbedingungen fugenloser denn je organisiert wurden. Politische Helden wurden auch damals konträr zu ihren faktischen Entscheidungen aufgebaut, wenn sie sich für weitergehende Zwecke der Ruhigstellung virulenter Widersprüche eigneten.

Der Obama systematisch angeheftete Kennedy-Mythos ist denn auch das Produkt eines äußerst kurzfristigen Erinnerungsvermögens, das durch das kollektive Bedürfnis nach einem Retter zusätzlich eingetrübt wird. Die Entscheidungen des US-Präsidenten zu Afghanistan und Pakistan sind ebenso wenig dazu geeignet, ihn mit einem Glorienschein zu umgeben, als es seine Haltung zum Iran, zu den Palästinensern oder zur NATO ist. Im Abschwung der Bush-Ära konnte Obama mit großer Geste und pathetischer Rhetorik ausholen, um den nächsten Gipfel zu erklimmen, auf dem die USA nicht nur militärischen, sondern auch politischen Anspruch auf globale Führung erheben können.

Obama hat eine Wirtschaftskrise zu verwalten, die die Herrschaft eben jener Eliten konsolidieren soll, die grünes Licht für die Wahl eines ganz neuen Gesichts der "Indispensible Nation", als die Ex-Außenministerin Madeleine Albright den Anspruch ihres Landes auf nicht hinterfragbare Dezision formulierte, wenn Bomben auf Belgrad und Raketen auf Bagdad abzufeuern waren, gaben. Das Desaster, das der Kapitalismus im Kernland seines liberalen Credo angerichtet hat, ist so schwerwiegend und bedrohlich, daß nachdenkliche Reflexionen über Klasse und Krieg, über Gewalt und Ohnmacht nicht nur stören, sondern eine aktive Bedrohung des herrschenden Krisenmanagements darstellen.

Da machen sich illustre Treffen Michelles und Baracks mit ihren europäischen Pendants Carla und Nicolas allemal besser, und auch eine sogenannte Diskussion mit Schülern, die man mit einem aufmunternden Yes we can! wie auf einem Motivationsseminar für Lebensmüde in eine wenig einladend wirkende Zukunft entlassen kann, sind geeignet, um Zustimmung zu schaffen. Ob die Strahlkraft Obamas tatsächlich bis auf den Boden von sozialen Widersprüchen zusehends zerrissener Gesellschaften reicht, darf bezweifelt werden. Der Mythos vom Wechsel, der sich für US-Amerikaner zusehends als ein solcher darstellt, schöpft seine Wirksamkeit gerade daraus, daß er nicht zustandekommt und eine bloße Hoffnung auf bessere Zeiten bleibt. Wenn die mit Hilfe der Person Obamas ausgeleuchtete Perspektive in sich zusammenfällt und die Menschen ihrer desolaten Ausweglosigkeit bewußt werden, wird die daraus resultierende Bewegung um so unaufhaltsamer sein.

6. April 2009