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PROPAGANDA/1489: US-Wahlkampf in der medialen Weltarena (SB)



Ein Spektakel von hohem Unterhaltungswert, das den Vergleich mit dem Super Bowl nicht zu scheuen braucht, sei das sogenannte Fernsehduell zwischen den beiden Bewerbern um die US-Präsidentschaft, heißt es in Pressekommentaren. Das ist keineswegs abwertend gemeint, erfüllen die häufig zitierten Boxmetaphern vom Punktsieg oder Knockout doch allemal den Zweck, der inhaltlichen Substanzlosigkeit die Sporen einer persönlichen Kontroverse im Reality Show-Format zu geben. Überhaupt zeichnet sich journalistische Herrschaftshörigkeit gerne dadurch aus, daß Kriege und Konflikte zwischen Staaten wie sportliche Wettkämpfe kommentiert werden, als ob das dabei vergossene Blut lediglich Requisite einer Inszenierung sei.

Als langjähriger Moderator des TV-Dauerbrenners The Apprentice, in der die Kandidaten im Kampf um den Hauptpreis, einen Arbeitsplatz, gegeneinander antreten, kennt sich Trump in diesem Metier bestens aus. Die wenig erstrebenswerte Not, sich mit Lohnarbeit am Leben zu erhalten und den Job im Normalfall eher gezwungenermaßen als mit Freude zu verrichten, gar als Gipfel gesellschaftlicher Sinnerfüllung auszuweisen, ist ein geradezu alchemistischer Akt ganz nach der Art, einen Immobilienhai in das soziale Gewissen der Nation zu verwandeln. Es ist für Trump mithin kein großer Schritt von seiner Rolle als Showmaster, der die Kandidaten seiner Sendung als Personal für die eigenen Unternehmen auf Herz und Nieren prüft, ins Amt des höchsten Master of Celebration (MC) der USA.

Auch dort fungiert der Staat als Hauptausschuß seiner größten Kapitale, und so stießen Hillary Clintons Attacken, mit denen ihr Kontrahent der unlauteren Geschäftsmoral überführt werden sollte, ins Leere. Profit mit Subprime-Hypotheken zu machen, deren Kollaps Millionen vor allem nichtweißer Arbeiterinnen und Arbeiter das Dach über dem Kopf und die Butter auf dem Brot kostete, ist für den Unternehmer Trump schlicht ein Beleg für geschäftliches Geschick. Das gilt nicht minder für die legale Steuervermeidung, die für ihn nicht einmal ein Kavaliersdelikt, sondern Schlüssel zum Erfolg ist.

Warum auch leugnen, daß der staatlich organisierte Liberalismus große Vorteile für diejenigen hat, die ihn zu nutzen wissen? Sich amoralisch zu präsentieren muß kein Nachteil sein im Amt des Präsidenten eines Landes, dessen Kriegführung Millionen Menschen das Leben kostet, dessen Großkonzerne nichts auf den Ruf kommen lassen, in puncto Mangelproduktion, Landraub und Naturzerstörung weltweit führend zu sein, und dessen Politikerkaste als Unternehmertum in eigener Sache auftritt, wenn es seinen öffentlichen Einfluß mit millionenschweren PR-Kampagnen und Werbeoffensiven regelrecht erkauft. Die Moral der Herrschenden wird zur herrschenden Moral vor allem dadurch, daß die Kunst, sie zu manipulieren und zu hintergehen, zu Recht als Ausweis höchster politischer Intelligenz verstanden wird.

Sportlich geht es mithin in beiden Lagern des faktischen Zweiparteiensystems der Vereinigten Staaten zu. Hillary Clintons hat ihre Meriten als Außenministerin wohlverdient, wie insbesondere der Ruinenstaat Libyen belegt, dessen Niedergang sie als Cheerleaderin eines Freiheitspathos feierte, mit dem Machthaber Gaddafi nicht nur bildlich gesprochen, sondern wortwörtlich auf die Spitze eines Pfahles genommen wurde. Unvergessen die Genugtuung ihrer Worte "Wir kamen, wir sahen, er starb", und wer hier Cäsarenwahn diagnostiziert, der weiß, mit wem er sich besser nicht anlegt. Die Dame hierzulande als wünschenswerte US-Präsidentin anzupreisen drückt selbst vor dem Hintergrund eines Trumps, der als größeres Übel [1] fast jede Barbarei zur Petitesse relativiert, systematisch erzeugte Ignoranz aus.

Die Angelegenheit als sportliches Unterhaltungsevent vom Schlage eines Wrestlingturniers zu nehmen, bei dem jeder weiß, daß es sich bei den hochemotional ausgetragenen Fehden um scripted reality handelt, und sich trotzdem und gerade deshalb amüsiert, heißt, zumindest nicht zu verkennen, daß diese Inszenierung von Demokratie, auf die Waage des ernstzunehmenden Anspruchs auf politische Partizipation gelegt, eine Verhöhnung ersten Ranges darstellt. Die in der US-amerikanischen Eigentumsordnung herrschende Ungleichheit wird von der politischen Führung nicht nur nicht in Frage gestellt, sie ist das Fundament administrativer Macht in dieser Klassengesellschaft.

Wird über die Eignung, die exekutive Gewalt des Staates als amtierender Commander-in-Chief innezuhaben, vor allem anhand des Gesundheitszustands oder Intelligenzquotienten etwaiger Amtsbewerber entschieden, dann fügen sich die darüber geführten Debatten bestens in die Scheinwelten TV-affiner Erregung. So feiert die Personalisierung der Politik in der Berichterstattung über dieses Ereignis auch hierzulande Triumphe boulevardesker Unterhaltung, bei der dem Publikum das Lachen nur deshalb nicht im Halse stecken bleibt, weil es sich vom jähen Drohnen- oder Bombentod nicht bedroht fühlen muß. Nichts könnte besser dokumentieren, daß die Verhältnisse diesseits des Atlantiks nicht viel anders als in den USA sind, wenn einer Scharade wie dieser weltweite Bedeutsamkeit zugeschrieben wird.


Fußnoten:

[1] HEGEMONIE/1800: Die Logik des größeren Übels im Präsidentschaftswahlkampf der USA (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/politik/kommen/hege1800.html

28. September 2016


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