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RAUB/0864: Fall Zumwinkel mit Samthandschuhen abgewickelt (SB)



Wo administrative Zugriffsgewalt die Refugien der Verborgenheit schleift, bleibt mitunter auch ein dicker Fisch in den Maschen hängen. Wenngleich der vielzitierte kleine Mann auf der Straße dann seiner Schadenfreude verständlicherweise keine Zügel anlegt, weil man die Großen eben doch nicht alle laufen läßt, besteht zu Wohlgefallen wenig Anlaß. Erstens läßt der Umstand, daß selbst die Reichen ihres Bankgeheimnisses nicht mehr sicher sein können, noch viel Schlimmeres für alle übrigen Bürger ahnen. Zweitens unterstreicht der Umgang der Justiz mit solchen prominenten Delinquenten allemal, daß von Gleichheit vor dem Gesetz natürlich keine Rede sein kann.

Es geht hier um Klaus Zumwinkel, der vom Landgericht Bochum in einem der aufsehenerregendsten Steuerprozesse in der Geschichte Deutschlands der Steuerhinterziehung für schuldig befunden worden ist. Wie viele andere seines Standes hat auch er sein Vermögen dort gemehrt, wo dies am einträglichsten war, und 1986 bei der LGT-Bank im Fürstentum Liechtenstein einen hohen Geldbetrag in einer Stiftung angelegt, deren Kapitalerträge er dem Fiskus vorenthielt. Bekanntlich wurden der Bank die Daten von rund 1000 deutschen Steuersündern gestohlen und zum stolzen Preis von 4,5 Millionen Euro dem Bundesnachrichtendienst verkauft. Daraus resultierten 450 Ermittlungsverfahren, welche die Bochumer Staatsanwaltschaft bislang eingeleitet hat.

Mit einer zweijährigen Haft, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, und der Zahlung von einer Million Euro fiel die Strafe für den früheren Postchef milde aus. Daß er nicht ins Gefängnis muß, verdankt er nicht zuletzt dem Umstand, daß ein Ermittlungsrichter Beschlüsse zwölf Stunden zu spät ausgefertigt hatte, die sich auf die Verjährung eines Teils der Schuld auswirkten. Da durch dieses sonderbare Mißgeschick Verfehlungen aus dem Jahr 2001 nicht angeklagt werden konnten, standen nicht die vollen 1,2 Millionen Euro zur Debatte, die der 65jährige von 2001 bis 2007 hinterzogen hat, sondern nur 967.851,96 Euro. Bei einer Summe ab einer Million Euro hätte Zumwinkel nach einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs mit Vollzug der Haft rechnen müssen.

Oberstaatsanwalt Gerrit Gabriel meinte es gut mit dem Angeklagten und führte diverse Gründe an, die seines Erachtens für ein mildes Urteil sprachen. Zumwinkel habe ein "voll umfängliches Geständnis" abgelegt, das auch "von Reue getragen" sei. Auch habe er rund 3,9 Millionen Euro seiner Steuerschuld nachgezahlt und seit seiner spektakulären Festnahme am 14. Februar 2008 einen erheblichen Ansehensverlust hinnehmen müssen. Da blieb der Verteidigung nur noch übrig, auf die Verdienste des ehemaligen Spitzenmanagers zu verweisen und eine Strafe deutlich unter der Forderung der Staatsanwaltschaft zu verlangen.

In seiner mit nur 15 Minuten ungewöhnlich kurzen Urteilsbegründung zog der Vorsitzende Richter Wolfgang Mittrup ebenfalls alle Register, um mildernde Umstände für den prominenten Angeklagten geltend zu machen, von denen ein Durchschnittsbürger vor den Schranken des Gerichts nur träumen kann. So würdigte er die "anzuerkennende Lebensleistung" und das "nicht beschönigende Geständnis", das Zumwinkel zum Auftakt des nur zweitägigen Prozesses abgelegt hatte. Zudem ging Mittrup auf die spektakuläre Durchsuchung von Zumwinkels Kölner Mietvilla ein, die seinerzeit im Fernsehen live ausgestrahlt worde. Wie der Richter erklärte, seien die Umstände der Festnahme nicht hinnehmbar und hätten sich strafmildernd für den Angeklagten ausgewirkt.

Da man einen derart aufsehenerregenden Prozeß nicht wie eine bloße Formalie auf Grundlage zuvor getroffener Absprachen abwickeln konnte, ohne für böses Blut in der mediengenerierten Öffentlichkeit zu sorgen, fielen natürlich auch markige Worte des Tadels an die Adresse des Angeklagten, die angesichts des Urteils freilich eher wie Theaterdonner anmuteten. "Der Gedanke an das Wort Gier liegt nahe", übte sich der Staatsanwalt im verbalen Eiertanz, und Richter Mittrup fügte in seiner Urteilsbegründung hinzu, der Angeklagte habe die Steuerhinterziehung "bewußt, akribisch, dauerhaft, mithin mit krimineller Energie" betrieben.

Letztendlich ging alles glatt und zügig über die Bühne. Die Bochumer 12. Strafkammer bestätigte exakt die Forderung der Anklage. Weder Zumwinkel noch die Staatsanwaltschaft wollen in die Revision gehen, womit nicht zuletzt ungeprüft bleiben dürfte, ob der BND überhaupt rechtmäßig in den Besitz der Beweismittel gelangt ist, die ja schließlich Diebesgut waren.

Zufrieden kann Zumwinkel trotz alledem nicht sein, wird man seinen Namen doch noch geraume Zeit in einem Atemzug mit Steuerbetrug nennen. Auch verlor er neben dem Vorstandsvorsitz bei der Post auch den Aufsichtsratsvorsitz bei Postbank und Telekom, den Sitz im Aufsichtsratsamt der Lufthansa und bei Arcandor sowie im Verwaltungsrat von Morgan Stanley. Als anerkannter Wirtschaftslenker hat er ausgedient, was freilich nicht bedeutet, daß er künftig am Hungertuch nagen müßte. Er gab sein aktuelles Geldvermögen mit rund acht Millionen Euro an und erwartet im laufenden Jahr Einkünfte von 600.000 Euro netto.

Daß Geld und Macht nicht zwangsläufig Hand in Hand gehen, läßt sich am Fall Zumwinkel studieren. Wohl legt das Urteil des Bochumer Landgerichts beredtes Zeugnis davon ab, wie man Missetäter aus den besseren Kreisen mit Samthandschuhen anfaßt, doch hieße es Eulen nach Athen tragen, wollte man lediglich die Ungleichbehandlung vor hiesigen Gerichten beklagen. Zumwinkel ist ja nicht der erste und einzige hochrangige Manager, der in Verruf gekommen ist. Diese Begleiterscheinung eines durch die Krise in seinen Grundfesten erschütterten Wirtschaftssystems als Vorboten einer gerechteren Gesellschaftsordnung zu mißdeuten, wäre mehr als kurzsichtig.

28. Januar 2009