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RAUB/0876: New Labours Wundpflaster für krisenbedingte Seelenpein (SB)



Nicht nur bei Ausbrüchen extremer physischer Gewalt gelangt professionelle Hilfe zur Reparatur beschädigter Seelen zum Einsatz. Auch die allerdings nicht minder verheerende Weltwirtschaftskrise, die die ökonomische Existenz von Millionen vernichtet und die Betroffenen mitunter in eine Armut stürzt, die im ganz körperlichen Sinne zerstörerisch ist, soll mit der Hilfe von Therapeuten in gesellschaftlich verträgliche Bahnen gelenkt werden. So plant die britische Regierung die Einrichtung zahlreicher psychotherapeutischer Beratungsstellen bis zum Ende nächsten Jahres, für die eigens 3600 Therapeuten und hunderte Krankenpfleger zur Behandlung krisenbedingter psychischer Probleme ausgebildet werden sollen.

Laut Gesundheitsminister Alan Johnson soll diese Maßnahme die Chancen der Betroffenen auf Wiedereinstellung verbessern. So, wie er das Problem darstellt, ist Arbeitslosigkeit nicht eine Folge ökonomischer Verhältnisse, sondern einer negativen Grundeinstellung:

"Im gegenwärtigen ökonomischen Abschwung ist es möglich, daß immer mehr Menschen verunsichert und depressiv werden. Wenn sich jemand nach Verlust seines Jobs niedergeschlagen fühlt, dann ist die beste Lösung ein neuer Job. Wir helfen den Menschen, wo auch immer möglich, dabei, einen solchen zu finden. In manchen Fällen jedoch können sich Depressionen und Angstzustände als Hindernis erweisen, einen weiteren Job zu bekommen."
(The Observer, 08.03.2009)

Wer es also inmitten einer Wirtschaftskrise, die die besonders stark von finanzkapitalistischen Spekulationen abhängige Volkswirtschaften Britanniens härter trifft als viele andere Länder, nicht schafft, einen neuen Job zu bekommen, so daß er sein Dasein von den überaus kargen Sozialleistungen, die das neoliberal verschlankte Sozialsystem New Labours in Not geratenen Menschen gewährt, fristen muß, der war einfach nicht in der Lage, den stets positiv denkenden, locker-fröhlichen und sympathischen Bewerber zu mimen. Gute Laune ist alles, das gilt auch und gerade in einem Land, das einen Strukturwandel weg von der produzierenden Wirtschaft in die Geldgeschäfte der City of London vollzogen hat, der mittlerweile finanzielle Verbindlichkeiten in vierfacher Höhe des Bruttoinlandprodukts erzeugt hat.

Der britische Steuerzahler ist heute doppelt so hoch verschuldet wie nach dem Zweiten Weltkrieg, und es gibt immer weniger seiner Art. Da die britische Wirtschaft in erheblich höherem Maße von ihrerseits in Frage gestellten US-Investitionen bestimmt ist als die Frankreichs und der Bundesrepublik, wird diese Last weiter anwachsen. Der einzige Lichtblick der ärmeren Hälfte der Briten, die sich allesamt um ein Prozent des national angehäuften Vermögens reißen müssen, besteht darin, zum Begleichen dieser Schuld nichts mehr beitragen zu können. Kurz gesagt, Britannien wäre wahrscheinlich pleite, wenn es nicht zu den führenden imperialistischen Staaten gehörte, deren Kreditlinie äquivalent mit ihrer militärischen Schlagkraft steht und fällt.

Dieses Loch in den Bilanzen und Seelen mit psychologischer Hilfe stopfen zu wollen gleicht nicht einmal einer Donquixoterie, denn der Ritter von tragischer Gestalt war ein Idealist und Träumer. Die britische Regierung und ihre Gewährsleute in den Zentralen der Konzerne und Banken hingegen haben die Bevölkerung des Landes im kalten Kalkül ausbeuterischer Absichten in die Not getrieben, häufig nicht einmal mehr genug zu essen zu haben. Nun mit psychologischen Wundpflastern aufzuwarten, die auch noch als Mittel zur Bezichtigung von Erwerbslosen genutzt werden, liegt ganz auf der Linie rücksichtsloser Klassenherrschaft.

12. März 2009