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RAUB/0898: Geplantes Zwangsvollstreckungsrecht ... Kapitalisierung der Verelendung (SB)



Wenn Gläubigern der Finanzwirtschaft so viel Gutes getan wird, dann soll man ihre Schuldner nicht leer ausgehen lassen. Zur milliardenschweren Alimentation der natürlich völlig unverschuldet in die Miesen geratenen Banken passen die am 19. Juni vom Bundestag verabschiedeten Gesetzentwürfe zur Modernisierung des Zwangsvollstreckungsrechts wie die Faust aufs vor Verzweiflung tränende Auge. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries verkündet voller Mitgefühl für in Not geratene Bürger, daß die vereinfachten Versteigerungsmöglichkeiten für gepfändete Gegenstände im Internet eine wunderbare Win-Win-Situation für Schuldner wie Schuldherren schaffe. "Wir helfen damit Schuldnern, wieder auf die Beine zu kommen!", denn die Veräußerung ihres letzten Eigentums im Internet erreiche einen größeren Bieterkreis, was "mehr Wettbewerb um den Zuschlag und dadurch höhere Erträge" (Pressemitteilung Bundesjustizministerium, 19.06.2009) bedeute.

Mehr Wettbewerb um das, was übrig geblieben ist vom wirtschaftlichen Niedergang, hat den Schuldnern natürlich so sehr gefehlt wie die wirksame Aufklärung dessen, was sich noch in ihrem Besitz befindet. Die Modernisierung des Zwangsvollstreckungsrechts betrifft vor allem die Ausweitung der Rechte und Möglichkeiten, mit denen Gerichtsvollzieher die Vermögensverhältnisse der Schuldner ausleuchten können. Wo Fragen nach individuellen Daten früher tabu waren, etwa bei der Rentenversicherung, bei Steuerbehörden und beim Kraftfahrtbundesamt, kann der Eintreiber künftig erfahren, wie es um den Kontostand, die Lohneinkünfte oder das Fahrzeug des Schuldners bestellt ist. Generell soll in Zukunft mehr über "Informationsgewinnung" als über die direkte Sachpfändung auf das Eigentum säumiger Zahler zugegriffen werden, läßt sich doch mittels der Vernetzung bislang unzugänglicher Datenbestände weit mehr an angeblich noch vorhandener Wertmasse mobilisieren, als wenn man am elenden Rand der Gesellschaft nach dort naturgemäß seltenen Wertgegenständen sucht.

Um die Sache auch für andere Anspruchsberechtigte leichter zu machen, werden die per Datenrecherche verifizierten Vermögenserklärungen sowie die Schuldnerverzeichnisse der Amtsgerichte, in denen zahlungsunwillige respektive zahlungsunfähige Schuldner dokumentiert sind, in Datenbanken zentralisiert, die in jedem Bundesland von einem zentralen Vollstreckungsgericht landesweit elektronisch verwaltet werden sollen. Darauf können nicht nur Gerichtsvollzieher und Strafverfolger zugreifen, sondern jeder, "der ein berechtigtes Interesse darlegt, z.B. für Zwecke der Zwangsvollstreckung oder um wirtschaftliche Nachteile abzuwenden, die daraus entstehen können, dass Schuldner ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen. Vermieter und Handwerker können sich also künftig zentral Informationen über die Kreditwürdigkeit ihrer potentiellen Vertragspartner verschaffen" (Pressemitteilung Bundesjustizministerium, 19.06.2009).

Wenn schon bei den Banken und beim Staat nichts mehr zu holen ist, dann sollen diejenigen noch ein wenig mehr bluten, die ohnehin schon wachsweiß und fallsüchtig vor Entkräftung sind. Kleinen Schuldnern wird mit einem technischen und organisatorischen Aufwand auf den Zahn gefühlt, an dem sich die ganze bürokratische Effizienz staatlicher Administrationen austoben kann. Angeblich "systemrelevanten" Banken werden auf unbürokratische Weise Milliarden aus dem Bundeshaushalt zugestanden, als gebe es kein Morgen. Damit dem nicht so ist, sondern dem Kapitalismus auch in Zukunft noch eine Verwertungsbasis zur Verfügung steht, werden nicht nur die Reste der Krümel zusammengefegt, die sowieso nie im erforderlichen Ausmaß vom Tisch der neoliberalen Sause gefallen sind. Es wird systematisch Mangel produziert, um die Menschen auch dann verfügbar zu halten, wenn sie eigentlich keinen Grund mehr haben, systemkonform zu funktionieren, da sie wissen, daß sie nie wieder auf einen grünen Zweig kommen werden.

21. Juni 2009