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RAUB/1009: Gentech-Raps außer Rand und Band - Schadensfolge der Agrar-Monopolisierung (SB)



Die Befürchtungen, Warnungen und manchmal sogar Alpträume von Umweltschützern, denen zufolge eine unkontrollierte Ausbreitung gentechnisch veränderter Pflanzen, sobald sie in einer Region etabliert sind, nicht mehr vermieden werden kann, werden immer wieder bestätigt. Dafür haben Wissenschaftler diese Woche im Online-Journal PLoS ein besonders anschauliches Beispiel geliefert. [1]

Die Forscher entdeckten im US-Bundesstaat North Dakota zahllose gentechnisch veränderte Rapspflanzen (Brassica napus) außerhalb der kultivierten Flächen. Diese Pflanzen machten 45 Prozent aller am Straßenrand genommenen Rapsproben aus. Außerdem wurde festgestellt, daß manche Gentech-Pflanzen bereits vor Jahren "entwichen" sind und über Generationen hinweg Tausende Nachkommen gebildet haben, teils weit von den Anbaugebieten entfernt. Besonders brisant war jedoch der Nachweis, daß einige Gentech-Pflanzen untereinander Kreuzungen eingegangen sind und ihre Nachkommen neuartige Kombinationen transgener Eigenschaften entwickelt haben.

Die großen Agrokonzerne, die auf dem Gebiet der hier beispielhaft beschriebenen Grünen Gentechnik ein Oligopol bilden und sich bereits einen weitreichenden Einfluß auf die globale Getreideproduktion angeeignet haben, bewerben ihre von Patentrechten streng abgesicherte Gentech-Saat mit Behauptungen wie, daß diese für eine erfolgreiche Bekämpfung des Hungers in der Welt unverzichtbar sei und daß durch den Anbau weder an Mensch noch Umwelt Schäden entstehen. Dieser Standpunkt wurde in allen Punkten widerlegt.

Ökologisch gesehen ist das Ergebnis der oben beschriebenen Untersuchung prekär, weil nach gerade mal einem Jahrzehnt, in dem in den USA jener Gentech-Raps ausgebracht wird, bereits ein dermaßen großer Einfluß auf die Wildarten nachgewiesen werden kann. Die Tendenz zu einer derart einseitigen Ausrichtung in der Pflanzenwelt hat erfahrungsgemäß Folgen für andere Wechselwirkungsverhältnisse innerhalb eines Ökosystems. Nur weil bislang keine gravierenden negativen Folgen der Rapsausbreitung bekannt sind, bedeutet das nicht, daß sie nicht existieren. Es hat schlicht noch niemand zuvor in den Vereinigten Staaten eine solche Studie durchgeführt, geschweige denn, daß irgend jemand die möglichen Folgen der gentechnischen Kontamination auf die Umwelt absehen könnte.

Ein weiteres Argument der Gentech-Industrie kann ebenfalls entkräftet werden. Weltweit hungern rund eine Milliarde Menschen. Die Agrokonzerne sind jedoch nicht angetreten, diesen Nahrungsmangel mit Hilfe der Grünen Gentechnik zu beheben. Vielmehr wollen sie Profit machen. Von den Hungernden ist nichts zu holen, da sie über kein nennenswertes Einkommen verfügen. Deshalb rechnen Marktwirtschaftler den Nahrungsbedarf der Hungernden, so groß er auch ist, gar nicht erst als Faktor der Nachfrage - gleiches gilt für die nach marktwirtschaftlichen Kriterien arbeitenden Unternehmen. Mit sämtlichen Hilfsprogrammen der Welt wird nur ein Bruchteil des Nahrungsmangels behoben. Die Hungernden sind sowohl von der Politik als auch der Wirtschaft längst abgeschrieben. Daran hat die Grüne Gentechnik bisher nichts geändert und wird es auch in Zukunft nicht.

Das eigentliche Anliegen der Agrokonzerne ist räuberisch. Sie expandieren und verdrängen dadurch traditionelle Bewirtschaftungsformen. Selbstbestimmte Landwirtschaft wird dann von Lohnarbeit, nicht selten in sklavereiähnlichen Verhältnissen, abgelöst. Die einzige Alternative zum großflächigen Gentech-Anbau besteht nicht im Entwurf des sich mit dem Einzahn-Ochsenpflug abplagenden Kleinbauern, wie selbsternannte Fortschrittsapologeten und Befürworter der Grünen Gentechnik gerne glauben machen wollen. Mit Landwirtschaftskooperativen und anderen kleinbäuerlichen Initiativen vermögen sich Bauern auf der ganzen Welt sowohl vom Modell des Agrokonzerns als auch dem des Einzahnpflugs zu befreien, ohne daß damit die Emanzipation von den vorherrschenden Produktionsweisen bereits abgeschlossen wäre.

Die Agrokonzerne wollen jedoch ihre Verfügungsgewalt über die Nahrungsmittel- und Futterproduktion ausweiten. Nichts kann für ein profitorientiertes, dem Wachstum verpflichtetes Unternehmen komfortabler sein, als das Monopol über die Herstellung existentiell unverzichtbarer Produkte, wie sie in der Landwirtschaft erzeugt werden, zu erlangen.

Die auf den ersten Blick harmlos wirkenden Verschiebungen innerhalb der Pflanzenwelt durch die anthropogene Hybridisierung, wie am aktuellen Beispiel des Rapsanbaus in North Dakota beschrieben, mögen im Verhältnis zu den Zwängen und Nöten der weltweiten Verbreitung der Grünen Gentechnik harmlos erscheinen, stehen aber mehr als nur symbolisch für den generellen Übergriff einer Konzernstruktur auf die natürlichen Ressourcen und Lebensvoraussetzungen.


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Fußnoten:

[1] Schafer MG, Ross AA, Londo JP, Burdick CA, Lee EH, et al. (2011): The Establishment of Genetically Engineered Canola Populations in the U.S.. PLoS ONE 6(10): e25736. doi:10.1371 /journal.pone.0025736

12. Oktober 2011