Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KOMMENTAR

REPRESSION/1310: Militärtribunale verurteilen zuverlässiger (SB)



Die Entscheidung des US-Präsidenten Barack Obama, die Gefangenen im Lager Guantanamo auch künftig durch Militärtribunale aburteilen zu lassen, bedient sich einer entlarvenden Begründung. Weil die Insassen des Lagers bei den Verhören gefoltert wurden, sähen sich ordentliche Gerichte in den USA dazu genötigt, die Verfahren aufgrund der an ihnen begangenen Gesetzesverstöße einzustellen. Was nach dem von Obama formulierten Anspruch an Rechtsstaatlichkeit und nach den Grausamkeiten, die den Insassen Guantanamos und anderer US-Gefangenenlager angetan wurden, allemal wünschenswert wäre, soll vermieden werden, und zwar aus mehreren Gründen.

Zum einen soll den Forderungen nach strafrechtlicher Verfolgung der für das US-Folterregime verantwortlichen Politiker nicht noch mehr Nahrung gegeben werden, was bei Prozessen, die für die Öffentlichkeit zugänglich sind und in denen die Angeklagten über erlittene Torturen berichten, absehbar der Fall wäre. Zum andern will die amtierende US-Regierung keinesfalls den Eindruck erwecken, "soft on terror" zu sein. Sogenannte Terrorverdächtige sollen wie bisher als Feinde stigmatisiert und nicht als Menschen behandelt werden, die Rechtsansprüche besitzen. Dazu ist es zum dritten erforderlich, das von Obamas Vorgänger George W. Bush im Oktober 2006 verabschiedete Gesetz über Militärkommissionen (Military Commissions Act) in Anspruch zu nehmen und damit in seiner Gültigkeit zu bestätigen.

Darin erlangt der von der US-Regierung zur Entrechtung der im Terrorkrieg gemachten Gefangenen verwendete Begriff des "ungesetzlichen feindlichen Kombattanten" erstmals Gesetzeskraft. Nur mit der dort vorgenommenen Aufhebung zentraler Grundrechte lassen sich Verfahren gegen Gefangene durchführen, die vor keinem normalen Gericht Bestand hätten. So schließt der Military Commissions Act die Inanspruchnahme der Genfer Konventionen durch Gefangene dieser Kategorie ausdrücklich aus und enthält ihnen auch den Habeas Corpus-Rechtsanspruch vor willkürlicher Verhaftung vor. Dies wurde zwar durch ein Urteil des Obersten Gerichtshofs in Washington als ungesetzlich verworfen, doch der Military Commissions Act bleibt mit weiteren Benachteiligungen sogenannter Terrorverdächtiger in Kraft. So untersagt er den Gefangenen, sich einen zivilen Anwalt ihrer Wahl zu nehmen, und ermächtigt den Präsidenten, ihnen gegenüber besondere Maßnahmen wie etwa den Einsatz verschärfter Verhörmethoden, sprich Folter, anzuordnen. Im Prinzip verschafft das Gesetz dem US-Präsidenten die Vollmachten eines Diktators, während es angebliche Staatsfeinde, zu denen je nach Auslegung seines umstrittenen Wortlauts auch US-Bürger zählen können, aufgrund der Aberkennung zentraler Grundrechte zu Nichtmenschen erklärt.

Indem die in Guantanamo verbliebenen Insassen vor Militärtribunale gestellt werden sollen, die auf der Basis unter Folter erpreßter Aussagen Todesurteile verhängen können, erkennt die Regierung Obama eine vielseitig verwendbare Gerichtsbarkeit des Ausnahmezustands in ihrer Gültigkeit an. Das stellt insbesondere vor dem Hintergrund des sich in den USA verschärfenden Sozialkampfes eine große Bedrohung für alle Menschen dar, die aus purer Not zu Akten des zivilen Ungehorsams oder Formen irregulärer Überlebenssicherung greifen.

3. Mai 2009