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KULTUR/1013: Krisenkino im kulturellen Ausnahmezustand des Trumpismus (SB)



Die Welt zerfällt in Trümmer, alles befindet sich in Auflösung, nur das kleine Glück im Winkel der Familie gibt etwas Geborgenheit. Wenn Kinounterhaltung im Zeitalter permanenter globaler Krise und staatlichen Ausnahmezustandes viel Zuspruch finden soll, dann produziert es Helden, die den alltäglichen Überlebenskampf durch seine noch brutalere Bewältigung zu ihren Gunsten wenden. Gefangene werden nicht gemacht, und das Töten wird mit einer routinierten Beiläufigkeit wie jede andere Tätigkeit auch vollzogen. Wenn Staat und Nation in Gefahr sind, ist jedes Mittel recht. Wo es keiner auch nur rudimentären Legalität bedarf, um zur Bemittelung eines Kräftemessens ermächtigt zu werden, dessen Horizont sich allein daraus ergibt, wer am Ende obsiegt, ist die Frage nach der allgemeinen Verträglichkeit dieser Mittel völlig überflüssig. Wo der Zweck menschlichen Daseins sich darin vollzieht, die permanente Lebensgefahr gegen andere zu wenden, verpuffen alle weiterführenden Fragen in rhetorischen Persiflagen, die kaum für ein müdes Grinsen gut sind. Derart auf den giftgeschwängerten Bodensatz eigenen Scheiterns zurückgeworfen und der sozialdarwinistischen Natur einer Gesellschaft ausgeliefert, deren, falls es sie jemals gegeben haben sollte, zivilisierende Mission durch die effiziente Zugriffsgewalt der Sturmtruppen und Sondereinsatzkräfte unumkehrbar abgelöst wurde, können Superfrauen und -männer noch so übermenschliche Fähigkeiten entwickeln - sie bleiben ein cineastisches Gebrauchsgut, an dem die Preisschilder jener Sorte Mensch hängen, die die leerlaufende Rotation der kulturindstriellen Heldenmaschine wie die algorithmische Zufallswiedergabe des MP3-Players mit überschaubarer Varianz hervorbringt.

Zwar noch vor der Präsidentschaft Donald Trumps in die Kinos gekommen, doch während des US-Wahlkampfes gedreht und seit August 2016 weltweit vermarktet, könnte der Superheldenfilm Suicide Squad den Zeitgeist des Trumpismus nicht besser verkörpern. Daß mit Steven Mnuchin neben Zack Snyder, der maßgeblich an der Produktion des protofaschistischen Machwerks 300 [1] beteiligt war, ein frühzeitiger Unterstützer und der heutige Finanzminister Donald Trumps als Executive Producer fungiert, ist ein sinnfälliger Zufall, den zu kennen es nicht bedarf, um den Film als ein dem fortgeschrittenen Zersetzungsgrad spätkapitalistischer Gesellschaften adäquates Stück Unterhaltung zu erkennen. Das gilt weniger für den aus zahlreichen Superheldenfilmen vertrauten Plot, als ganzes Land einer Bedrohung ausgesetzt zu sein, die den Einsatz extremer Mittel rechtfertigt, als für die Radikalität einer Gewaltanwendung, die kaum mehr der vordergründigen Legitimation bedarf.

Omnipräsent im ganzen Handlungsverlauf sind die exekutiven Mittel des neoliberalen Maßnahmestaates, in dem alle Akteure allein sich selbst verpflichtete Profis sind. Das übliche Gut-Böse-Schema, an das sich einst ideologische Flaggen von staatstragender Bedeutung hefteten, verkommt im postfaktischen Zeitalter zu einer dünn auftragenden Folie, die schon bei vorsichtigen Nachfragen zum Sinngehalt des Gezeigten abblättert und die nackte Funktion administrativen Vollzuges offenlegt. Um der terroristischen Gefahr ein für allemal Herr zu werden, werden die Schlimmsten der Schlimmen aufgeboten. Nichts ist mehr gewiß in der Welt des Terrorkrieges, wird bei der Vorstellung dieses "Antiheldenteams" im Pentagon deutlich. Selbst der jüngst verstorbene Superman könnte die Welt in einer Reinkarnation als Terrorist heimsuchen, und was dann? Wie sollen wir - der Staat, die USA - uns dann noch schützen, wenn wir nicht auf die Kräfte zurückgreifen, die das Geschäft unhinterfragbarer Gewalt auf der Straße gelernt haben, so es nicht ohnehin einem psychopathologischen Naturell entspringt?

Die von einem General angemeldeten Bedenken, daß es doch unverantwortlich sei, sich völlig eigennütziger Bösewichte zu bedienen, um den Nationalen Sicherheitsstaat wehrhaft zu machen, werden noch während der Sitzung hinfällig, als ein Mitglied des Teams die Fähigkeit demonstriert, in Nullzeit hochbrisante Informationen aus dem Innersten des iranischen Machtapparates zu beschaffen. Was zählt, ist Effizienz, und Risiken gehören zum Geschäft, so auch im Falle der dabei eingesetzten Superheldin. In ihrer Ambivalenz von empfindsamer Wissenschaftlerin und bösartiger Hexe verkörpert sie ein Frauenbild, wie es Trump nicht besser hätte kolportieren können. Indem sie vollständig zu einer archetypischen Göttin mutiert, die sich vorgenommen hat, die Menschheit zu vernichten, weil sie nicht mehr sie, sondern nur noch Maschinen anbetet, wird auf ganzer Linie abgerechnet mit indigener Naturreligiosität und Traditionspflege, stehen diese Attribute authochtoner Kulturen doch den expansiven Strategien des industriellen Extraktivismus als Ärgernis der besonders überflüßigen Art im Wege.

Das im Mittelpunkt des Geschehens stehende "Antiheldenteam" wird seinerseits mit Fähigkeiten versehen, deren popkulturelle Aufladung nichts als das exzessive Ausleben eigener Neigungen um ihrer selbst willen illustriert. Der Konsum unmittelbaren und drastischen Lustgewinns wird mit der stereotypen Schwäche kontrastiert, im Innersten einfach nur Familienmensch sein zu wollen. So flüchtig die mit Ehepartner und Kind erzeugte Heimeligkeit erscheint, so sehr bleibt sie Fluchtpunkt einer zur Karikatur bürgerlicher Werte verkommenen Welt, in der der Auftragskiller seinem Kind eine geometrische Schulaufgabe anhand eines Beispiels aus seiner mörderischen Praxis erklärt. Was in der Alltagswirklichkeit des Publikums längst bröckelt, das bleibt für Menschen, die das ihnen zugeschriebene Böse als lediglich derangierte, aber keineswegs prinzipiell abweichende Normalität leben, zum unerfüllbaren Wunschtraum.

Dennoch wird ihnen das Dasein zwischen Isolationshaft im Hochsicherheitstrakt und einer unter permanenter Todesandrohung stehenden Instrumentalisierung zum staatlichen Vollzugsorgan nicht zum Anlaß prinzipieller Auflehnung. Gerade weil Superheldinnen dazu in der Lage wären, die Grenzen ihrer Beherrschbarkeit zu überwinden, dürfen sie im Hochsicherheitstrakt wie im Regelbetrieb der Waren- und Arbeitsgesellschaft nicht auf Gedanken kommen, die die inhaltsleere Schaukel von Gut und Böse in einer Position stoppte, von der aus sie auf tatsächlich abweichende, für keine Unterwerfung mehr verfügbare Weise tätig werden könnten. Und wäre es der letzte Zweck kleinbürgerlicher Sehnsüchte, eben das zu verhindern, so werden sie desto wirkmächtiger inszeniert, als ihre Verwirklichung in die Unerreichbarkeit bloßer Versprechungen rückt.

So bleibt zwischen Knast und Knast das titelgebende "Selbstmordkommando". Das wird nicht nur am Beispiel eines in Erfüllung notwendiger Pflicht ohne Klage in den Tod gehenden Soldaten zur positive Errungenschaft militärischen Drills überhöht, sondern ist Ausdruck des Opferganges einer ganzen Nation, die den Dritten Weltkrieg als Schicksalsgemeinschaft siegreich bestreiten soll. Was seit den Tagen der Regierung Bush jr., die das Foltern von Gefangenen als unabdingliche Notwendigkeit im Terrorkrieg vertrat, und eines Präsidenten Obama, der die extralegale Hinrichtung per Drohne zu einer exekutiven Standardmaßnahme seiner Amtsführung machte, als Wille zur Tat in Erscheinung tritt, ist in Suicide Squad selbstverständliches Merkmal eines staatlichen Gewaltmonopols, das zu kontrollieren und zu vollstrecken Ausweis größter und damit auch über die Fähigkeiten der Superhelden gebietender Machtfülle ist. Indem diese das, was aus der täglichen Ohnmacht projektiv an Machtphantasie geboren wird, in Gestalt dessen übererfüllen, was ihnen als industrielle Potenzierung militärischer Zerstörungsgewalt vor Augen steht, könnten die Grenzen künstlerischer Phantasie unter der Bedingung ihrer affirmativen Verwertung nicht besser markiert werden.

So bringt die Produktivtät permanenten Krisenmanagements eine Warenästhetik hervor, deren symbolischer Gebrauchswert vor allem anhand der hohen Funktionstüchtigkeit der Schußwaffen demonstriert wird. Sie werden in großer Modell- und Typenvielfalt präsentiert, mal schwarzmetallisch kalt glänzend, mal mit Perlmuttgriff und Peace-Signatur verziert. Die immense Durchschlagskraft niemals versagender automatischer Waffen versieht den Verfall der Innenstädte mit einer Signatur der Zerstörung, die im elegant-verkommenen Trash der Antihelden zur Bildsprache einer Krisenkultur gerät, die über die lustvolle Rezeption eigenen Verbrauchs nicht mehr hinausblicken will.

Ganz wie die USA eines Donald Trump, der den ohnehin hoch aufgerüsteten Streitkräften ein zusätzliches Budget von 100 Milliarden Dollar bescheren will, tritt im fiktiven Geschehen des Films eine postapokalyptische Gesellschaft hervor, die die Trümmer der kreativen Zerstörung niemals beiseite geräumt, sondern schlicht zum Inventar ihres sozialen Daseins erklärt hat. Die "disruptiven" Business-Strategien global operierender Unternehmen hinterlassen urbane Einöden, die in einem menschlichen Sinne zu beleben nicht mehr gelingen kann, also richtet man es sich mit hochkalibrigen Unterhaltungsmedien so ein, wie es eben geht. Der permanente Notstand des Staates und seiner Kultur fällt nicht weiter auf, denn es gibt keine Erinnerung daran und keine Vision dafür, daß es auch ganz anders sein könnte.

"Der bildgewaltige Film enthält zahlreiche Action- und Kampfszenen, bei denen es häufig auch zu Tötungen kommt. Jugendliche ab 16 Jahren sind fähig, diese Gewalthandlungen in den Kontext der realitätsfernen Comicgeschichte einzuordnen. Eine negative Vorbildwirkung steht daher nicht zu befürchten. Die zahlreichen ironischen Brechungen ermöglichen zudem eine emotionale Distanzierung von den Geschehnissen. Da die Gewalt nicht übermäßig ausgespielt oder verherrlicht wird, ist bei der Altersgruppe ab 16 Jahren auch nicht von einer desensibilisierenden Wirkung auszugehen."

Das Urteil der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) bei der Einstufung von Suicide Squad klingt wie das Pfeifen im Wald. Realitätsfern ist die Unterstellung, cineastische Massaker wie dieses entstünden völlig entkoppelt von der gesellschaftlichen Realität eines Sozialdarwinismus, der allein mit Hunderten Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland seine eingreifende Wirklichkeit unter Beweis stellt. Was als "ironische Brechung¨ witzig daherkommt, nährt einen Zynismus, der alles und jedes erträglich machen soll und dabei immer unerträglicher wird. Mit 1,6 Millionen Kinobesuchern allein in der Bundesrepublik und zahllosen Aufführungen auf den Schirmen des Home Entertainments ist das im Ranking der weltweit kommerziell erfolgreichsten Filme 2016 auf Platz acht stehende zweistündige Werk ein ausgesprochener Publikumsmagnet und damit ein repräsentatives Produkt zeitgenössischer Kinokultur. So postheroisch, wie manche Sozialwissenschaftler meinen, kann die Gesellschaft der Bundesrepublik gar nicht sein, daß der offenkundige Bedarf an kulturellen Selbstmordkommandos den Schritt in die reale Gewaltanwendung mit der filmpädagogischen Logik einer Ventilfunktion überflüssig machte.


Fußnoten:

[1] KULTUR/0895: Kino für Herrenmenschen - "300" predigt den Kulturkampf (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/politik/kommen/sele0895.html

[2] https://www.spio-fsk.de/?seitid=2737&tid=469&Vers=1&FGID=3663

29. Januar 2017


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