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KRIEG/1440: Im Bundestag wird nicht debattiert - Zumindest nicht mit der Linkspartei (SB)



Am 20. Juli wird erstmals eine internationale Afghanistan-Konferenz in Kabul stattfinden. Es handelt sich nicht um eine Geberkonferenz, vielmehr soll die Übernahme politischer Verantwortung im Mittelpunkt der Zusammenkunft stehen. Daß die afghanische Zivilgesellschaft auch in dieser Konferenz absolut unterrepräsentiert ist, gibt schon für sich genommen Grund zur Befürchtung, daß es sich bei dieser Veranstaltung um eine weitere Inszenierung der Besatzungsmächte und ihrer Marionettenregierung handeln wird, die keinerlei nennenswerte Impulse zur Kurskorrektur geben kann.

Als Außenminister Guido Westerwelle gestern in seiner gut 20minütigen Erklärung zu Afghanistan im Bundestag gute Chancen sah, die neue Strategie zum Erfolg zu führen, gab er im Grunde nicht mehr als einen neuen Aufguß abgestandener und schon hundertmal gescheiterter Konzepte zum Besten. Man könne am Hindukusch nicht europäische Verhältnisse schaffen, psalmodierte der Außenamtschef, als habe das irgend jemand allen Ernstes vorgehabt. Ziel sei vielmehr, einen Stand zu erreichen, der für Afghanistan gut genug ist, fuhr Westerwelle fort, ohne über sein Herrenmenschentum auch nur mit der Wimper zu zucken. Die Afghanen sollten in die Lage versetzt werden, für hinreichende Stabilität zu sorgen, damit der Abzug der internationalen Truppen beginnen könne, fuhr er fort. Westerwelle gab sich optimistisch, daß Karzai das schaffen wird, und kündigte denn auch gleich den Beginn des Abzugs deutscher Soldaten noch in dieser Legislaturperiode an. Damit ihn später keiner bei Wort nehmen kann, sprach er von einem "schrittweisen Zurückführen" der Truppen und fügte hinzu, daß ein kompletter Abzug natürlich nicht so schnell verwirklicht werden könne.

Da nichts von dem, was Westerwelle als neue Strategie vorzugaukeln versuchte, nicht schon seit Jahren als Heilslehre von der Kanzel der Besatzungsmächte gepredigt wird, während die Berichte aus Afghanistan dem Buch Hiob als Ergänzung angefügt werden könnten, drehen und wenden die im Bundestag vertretenen Kriegsparteien die sattsam bekannten Scheinargumente. Die Union hat plötzlich die Korruption in der afghanischen Regierung entdeckt und gibt sich energisch mit der Forderung, man müsse Kabul unter Druck setzen. Die SPD versucht durch skeptisches Stirnrunzeln den Eindruck zu erwecken, das sei gar nicht ihr Krieg, was ihr seitens der Union sofort den Vorwurf einbringt, sie verabschiede sich langsam aus dem gemeinsamen Boot, worauf die Sozialdemokraten diesen Verdacht natürlich empört zurückweisen.

Die Linkspartei lehnt bekanntlich als einzige der im Bundestag vertretenen Fraktionen den Kriegseinsatz in Afghanistan ab und hat demzufolge eine Menge dazu zu sagen, aber zwangsläufig das Problem, daß ihr - zumindest im Parlament - niemand zuhören will. Daß dem so ist, unterstrich ein aufschlußreicher Wortwechsel zwischen Jan van Aken und Herrmann Otto Solms in der gestrigen Debatte, den der Deutschlandfunk (9.7.2010) wiedergab:

Van Aken: "Sie glauben doch selbst nicht daran, daß die Aufständischen jetzt die Waffen niederlegen werden, das Gegenteil ist doch der Fall. Wir müssen mit denen reden!" Dann wandte er sich direkt an den Außenminister: "Herr Westerwelle, ich habe hier noch anderthalb Minuten auf der Uhr. Ich würde mich wirklich freuen, wenn Sie die Fragen ganz konkret beantworten könnten, wirklich ganz präzise nur die Frage: Sind Sie bereit, auf die Forderungen der Friedens-Jirga einzugehen, was die Friedensverhandlungen angeht?"

Doch Westerwelle reagierte nicht, während van Aken wartete, worauf Bundestagsvizepräsident Hermann Otto Solms intervenierte: "Wenn Sie Ihre Rede beendet haben, dann nehmen Sie bitte wieder Platz!"

Van Aken: "Herr Solms, mit Verlaub, aber ich finde das falsch!"

Solms: "Wir machen hier kein Theater!"

Van Aken: "Der Sinn einer Debatte ist doch, daß man miteinander redet, Argumente austauscht und irgendwann auch mal Fragen stellt und Antworten gibt. Wenn alle hier nur vorbereitete Reden vorlesen, dann kann ich sie auch zu Hause lesen."

Solms: "Die Regularien der Debatte sind in der Geschäftsordnung festgelegt, die werden nicht von Ihnen bestimmt!"

Es wäre ja auch noch schöner, wenn sich diese Partei, die noch nicht einmal soweit in der mündigen und vernünftigen Politik angekommen ist, daß sie deren Kriege mitträgt, in den Abgleich vorfabrizierter Worthülsen zur Täuschung des Bürgerohrs einmischen dürfte.

10. Juli 2010