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KRIEG/1704: Bundeswehr - für die Zukunft ausstatten ... (SB)



"Es geht um die Zukunftsfähigkeit unserer Bundeswehr und die Verlässlichkeit Deutschlands gegenüber unseren Partnern", erklärte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen jüngst im Gespräch mit der Bild am Sonntag. Zusätzliche Mittel seien zwingend notwendig, auch für europäische Zukunftsprojekte. Welche Zukunft Europa unter deutscher Führung zugedacht ist, zeichnet sich in wachsender Deutlichkeit ab, seit der damalige Bundespräsident Gauck und die schwarz-rote Koalition im Januar 2014 auf der Münchner Sicherheitskonferenz die außenpolitische Zurückhaltung für beendet erklärten. Im selben Jahr bekräftigten die NATO-Staaten ihre Vereinbarung, daß die jeweiligen Verteidigungsausgaben binnen zehn Jahren zwei Prozent der Wirtschaftskraft erreichen sollen. Die Bundesregierung bekennt sich ausdrücklich zum Zwei-Prozent-Ziel und führt zur Begründung an, daß die Bundeswehr dringend einen Modernisierungsschub brauche und es ein Gebot der Fairneß im Bündnis sei, daß Deutschland mit seiner starken Wirtschaft seinen angemessenen Beitrag leisten müsse.

Um vom deutschen Ausgangswert von 1,2 Prozent binnen weniger Jahre zum Zielwert der avisierten 2,0 Prozent zu gelangen, muß das Militärbudget von 37 Milliarden auf mehr als 60 Milliarden Euro nahezu verdoppelt werden, was stufenweise erreicht werden soll. Der "Finanzplan des Bundes 2016 bis 2020" nimmt ausdrücklich auf "die im Weißbuch der Bundesregierung zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr identifizierten sicherheitspolitischen Werte, Interessen und Prioritäten der Bundesrepublik Deutschland" bezug, die "den strategischen Rahmen für Auftrag und Aufgaben der Bundeswehr als Instrument deutscher Sicherheitspolitik" bilden. Deutschland müsse "einen aktiven Beitrag zu politischen Konfliktlösungen" leisten, "der dem politischen Gestaltungsanspruch und dem Gewicht Deutschlands in der Welt angemessen ist". Um diesen Ambitionen deutscher Führung zur Durchsetzung zu verhelfen, wird die Nutzung militärischer Instrumente explizit in die Handlungsoptionen eingeschlossen.

Im Kosovo, im Senegal, in Zentralafrika, am Horn von Afrika, in der Westsahara, im Sudan, im Südsudan, in Somalia, im Irak und mit den AWACS in Syrien ist die Bundeswehr im Einsatz, vor allem aber in Afghanistan und Mali, wo die größten Kontingente stationiert sind. Seit Anfang 2017 weitet die NATO ihre Kriegsvorbereitungen gegen Rußland massiv aus, und dabei spielen auch deutsche Truppen eine erheblich stärkere Rolle als in der Vergangenheit. Im Zuge dieser Aufrüstung wurden in Osteuropa rund 4000 weitere Soldaten stationiert, darunter 400 bis 600 deutsche, wobei die Bundeswehr einen Gefechtsverband in Litauen stellt.

Deutsche Logistik trägt maßgeblich dazu bei, den Aufmarsch nach Osten reibungslos abzuwickeln. So wird das neue NATO-Hauptquartier, das künftig die Verlegung von Truppen und Material in Europa optimieren soll, in der Bundesrepublik angesiedelt. Die wichtigste Aufgabe dieses Planungs- und Führungszentrums wird darin bestehen, den schnellen Aufmarsch westeuropäischer und US-amerikanischer Streitkräfte in unmittelbare Nähe zur russischen Grenze zu gewährleisten. Das Hauptquartier wird unter deutscher Hoheit betrieben und nur bei Bedarf der NATO unterstellt, so daß dort auch Militäreinsätze außerhalb des Rahmens der NATO wie etwa einer "Armee der Europäer" geplant und geführt werden können, wie sie die Bundesregierung aufbauen will. Zudem arbeitet das Verteidigungsministerium daran, die Bundeswehr als sogenannte "Ankerarmee" für europäische NATO-Staaten zu etablieren, diese hochzurüsten und schrittweise in die hiesigen Kommandostrukturen zu integrieren.

Wenn allenthalben von Sicherheit die Rede ist, die es hierzulande wie auch in aller Welt unter deutscher Beteiligung zu gewährleisten gelte, setzt man die Expansion der NATO bis an die russische Grenze und den Vormarsch der EU gen Osten, die Einkreisung Chinas oder die wirtschaftlichen Ausbeutung der afrikanischen Länder so selbstverständlich voraus, wie dies unerwähnt bleibt oder als absurde Propaganda diskreditiert wird. Die Sicherheit der westlichen Mächte, ihre Vorherrschaft fortzuschreiben und die Konkurrenz mit allen Mitteln in die Schranken zu weisen, gilt als Ultima ratio politischen Kalküls, selbst wenn dies den nächsten Weltkrieg auf die Tagesordnung setzt.

Um dies zu verschleiern spricht die Verteidigungsministerin tunlichst nicht von Waffengang, Opfern und Greueln, sondern einer Trendumkehr, da nun die Zeit des Schrumpfens der Bundeswehr vorbei sei und Lücken bei Personal und Beschaffung der Streitkräfte dringend geschlossen werden müßten. Bis 2024 soll die Truppenstärke um rund 12.000 Zeit- und Berufssoldaten und -soldatinnen zulegen. Dazu kommen 1000 Reservisten und noch einmal 5000 zivile Mitarbeiter. 198.000 Soldaten und Soldatinnen soll die Bundeswehr dann umfassen, dazu 61.400 Zivilisten, wozu angesichts der rückläufigen Zahl freiwilliger Bewerber eine Rekrutierungsoffensive erforderlich ist.

Nun hat das Verteidigungsministerium weitere Rüstungsvorhaben im Wert von fast einer halben Milliarde Euro auf den Weg gebracht. Der Verteidigungs- und der Haushaltsausschuß des Bundestags sollen in Kürze über 18 Rüstungspakete mit einem Volumen von jeweils mehr als 25 Millionen Euro entscheiden. Die Liste an Vorhaben wurde bereits im Februar als vorläufige Übersicht ans Parlament versandt, jedoch angesichts der verzögerten Regierungsbildung als "lebendes Dokument" eingestuft. Eine Begrenzung nach oben gibt es also nicht. Von der Leyen pocht darauf, daß die vor der Wahl getroffene Festlegung, den Wehretat in dieser Legislaturperiode von 37 auf 42,4 Milliarden Euro zu steigern, nicht ausreicht, um den Koalitionsvertrag voll umzusetzen. Das aber sei nötig, um der internationalen Verantwortung Deutschlands zu entsprechen. [1]

Da die Milliardenpläne für die Bundeswehr das Budget zu sprengen drohen, stehen der Verteidigungsministerin harte Haushaltsverhandlungen mit dem sozialdemokratischen Finanzminister Olaf Scholz bevor. Von der Konzernpresse als Wunsch kolportiert, daß die deutschen Streitkräfte nicht länger als Armee ohne funktionsfähige Schiffe und Flugzeuge, fehlende Transporter und Panzer Schlagzeilen machen soll, läßt sich trefflich darüber hinwegtäuschen, daß die schwarz-roten Bündnispartner am selben Strang für unverzichtbar erklärter Aufrüstung ziehen. Wenngleich der ehemalige Erste Bürgermeister Hamburgs, von der repressiven Durchsetzung des G-20-Gipfels karrierefördernd geadelt, wie sein Vorgänger auf rigide Sparpolitik setzt, wird er zähneknirschend einlenken und dafür anderen Ressorts den Geldhahn zudrehen, mag die Opposition zetern wie sie will. Den großen Schluck aus der Pulle für die Rüstung unterstützt der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Fritz Felgentreu, sieht er doch in der Vorhabenliste noch keine neuen Projekte und auch kein Konfliktpotential für die große Koalition.

Unter treuherzigem Verweis auf den riesigen Investitionsbedarf, den die Truppe vor sich her geschoben habe, greift die Kriegsministerin ins volle. Beschafft werden sollen 18 Raketenwerfer vom Typ "Mars 2", sechs Lockheed Martin-Transportflugzeuge Modell C-130J Hercules für die deutsch-französische Lufttransportstaffel und sieben Rettungshubschrauber, 32 Sattelschlepper für den Waffentransport, neue Gefechtsstände, Fernmeldetechnik für die Fregatten der Marine, Radartechnologie für die Eurofighter, ergänzende Systeme für den Schützenpanzer Puma sowie Kampfuniformen mit persönlicher Schutzausrüstung. Zudem enthält die Liste auch Leih- und Leasingkosten für Transportflugzeuge des Typs Antonow AN-124 aus der Ukraine wie auch waffenfähige israelische Heron-TP-Drohnen, deren mehrjähriger Leasingvertrag sich auf rund eine Milliarde Euro beläuft.

Wer diese immensen Kosten für unvertretbar hält, weil sie zwangsläufig mit massiven Kürzungen in anderen Teilen des Haushalts verbunden sind, die im Zukunftsentwurf der Bundesregierung allenfalls die zweite Geige spielen, wenn nicht gar für verzichtbar erachtet werden, sei vorgewarnt. Von der Leyens Wunschzettel ist nur der Anfang, dem weitere Großprojekte folgen sollen. Geplant sind die Euro-Drohne, ein deutsch-französischer Kampfpanzer, das Mehrzweckkampfschiff MKS 180 wie auch ein deutsch-französischen Kampfjet, der zu Beginn der 2040er Jahre den Eurofighter ablösen soll. Den deutschen Hegemonialanspruch mit Waffengewalt durchzusetzen, hat eben seinen Preis. [2]

Wer das alles bezahlen soll, liegt auf der Hand. Wie schon der ehemalige Finanzminister Wolfgang Schäuble als Meister der "Schwarzen Null" angedroht hatte, würden die Ausgaben größer und die Spielräume kleiner. Die enorme Kluft zwischen den aktuellen Militärausgaben und der angestrebten Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels kann nur gebrückt werden, wenn die Bundesbürgerinnen und -bürger den Gürtel so eng schnallen, daß ihnen selbst die Luft zum Atmen abgeschnürt wird.


Fußnoten:

[1] www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.ausruestung-der-bundeswehr-lange-einkaufsliste-fuer-die-truppe.b011a4b2-b35f-4470-84c2-5f3e91bbb51d.html

[2] www.jungewelt.de/artikel/331301.shoppen-für-den-krieg.html

24. April 2018


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