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FLUCHT/005: Niger - Dorf wird Flüchtlingslager, Land hilft 15.000 Maliern (IPS)



IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. Februar 2012

Niger: Dorf wird Flüchtlingslager - Land hilft 15.000 Maliern

von Ousseini Issa

Chinagoder, Niger, 22. Februar (IPS) - Das kleine Dorf Chinagoder an der Grenze zwischen Niger und Mali ist zu einem riesigen Flüchtlingslager geworden. Unzählige malische Familien suchen dort Schutz vor den Gefechten zwischen der Armee und den Tuareg-Rebellen von der Nationalen Bewegung zur Befreiung von Azawad (MNLA).

Im vergangenen Monat strömten nach Angaben des UN-Flüchtlingshochkommissariats mehr als 15.000 Menschen aus Mali über die Grenze nach Niger. Sie gelangten in ein Gebiet, das selbst durch Dürre und Missernten geschwächt ist. Die Flüchtlinge ließen sich in den nigerianischen Distrikten Ayourou, Koutoubou, Yassan Banibangou, Mangaïze und Chinagoder in der westlichen Region Tillabéri nieder.

"Normalerweise leben weniger als 1.700 Menschen in unserem Dorf. Inzwischen sind es aber mehr als 6.500, die völlig mittellos hier ankamen", sagt Zakari Djibo, ein Bruder des Dorfältesten von Chinagoder. Seit dem 26. Januar sei die Zahl der Flüchtlinge immer weiter gestiegen. Die Einheimischen hätten keine Möglichkeit, alle von ihnen aufzunehmen. Dennoch versuchten sie, die Familien in Not freundlich aufzunehmen.


In provisorischen Baracken untergekommen

Rund um das Dorf stehen Baracken, in denen die Ankömmlinge aus Mali provisorisch unterkommen. "Unsere Lage verbessert sich allmählich", sagt Fatima Alhacen, eine 39-jährige Mutter von sechs Kindern. "Wir haben jetzt Matten, Decken, Kochgeschirr und etwas mehr zu essen - dank der Lebensmittelhilfen der Regierung von Niger."

Alhacen, die ein weinendes 18 Monate altes Kleinkind tröstet, erzählt, dass sich die Familie in den ersten Tagen nur von Hirseflocken ernährt habe, Spenden von Menschen, die selbst knapp seien. Mittlerweile bekämen sie aber auch Mehl und Reis.

Die bewaffneten Zusammenstöße zwischen der malischen Armee und den Tuareg-Rebellen haben bislang etwa 44.000 Malier aus dem Land vertrieben. Sie suchten vor allem in den Nachbarländern Burkina Faso, Mauretanien und Niger Zuflucht.

Die MNLA kämpft für die Unabhängigkeit der Region Azawad im Norden Malis. Die Regierung lehnt dies jedoch ab. Auf einem Treffen der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten am 17. Februar verurteilten auch andere Länder die Rebellion.

Unter die Flüchtlinge haben sich auch malische Soldaten gemischt. Zu ihnen gehört Yaouchan Maïga, Ordonanz in einer Nomadenkompanie. "Wir haben elf Tage im Alarmzustand verbracht", berichtet er IPS. Die erwartete Verstärkung sei nie gekommen, schließlich sei die Einheit angegriffen und vernichtet worden. Gemeinsam mit mehr als 20 Kameraden kam Maïga über die Grenze nach Chinagoder. Die Soldaten werden nun nach Niamey, der Hauptstadt Nigers, geschickt, bevor sie in ihre Heimat zurückkehren.

Der Konflikt im Norden Malis wird auch genau von den Behörden in Burkina Faso beobachtet, die vermuten, dass Rebellen ihr Territorium als Rückzugsgebiet nutzen wollen. Auch Niger fürchtet sich vor dem Zustrom von Aufständischen, nachdem das Land in den neunziger Jahren und 2007 selbst Tuareg-Rebellionen erlebt hatte.


Burkina Faso will Rebellen fernhalten

"Burkina Faso wird den Rebellen keine Basis im Hinterland bieten", sagte Außenminister Djibril Bassolé am 11. Februar einem französischen Radiosender. Diese Position vertrat auch Staatschef Blaise Compaoré. Die Vorfälle seien "in erster Linie ein Problem zwischen Maliern", erklärte der Präsident, der zugleich einen "inklusiven Dialog" zur Wiederherstellung des Friedens forderte. Am Rande eines regionalen Treffens in der Hauptstadt Ouagadougou traf Campaoré am 13. Februar seinen malischen Amtskollegen Amadou Tournani Touré.

Ehemalige Aufständische in Niger wurden von dem früheren Rebellenführer Rhissa Ag Boula und dem Chef der Behörde für Friedenssicherung, Oberst Mahamadou Abou, davor gewarnt, wieder zu kämpfen. "Das Volk wird starken Widerstand gegen Abenteurer leisten, die erneut zu den Waffen greifen", sagte er Ende Januar auf einem Forum für Frieden und Entwicklung im Norden Nigers. (Ende/IPS/ck/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Februar 2012