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KOLLATERAL/002: Pakistan - NATO-Container für Afghanistan blockiert, Regierung erwägt Mautgebühren (IPS)



IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. Januar 2012

Pakistan: NATO-Container für Afghanistan blockiert - Regierung erwägt Mautgebühren

von Zofeen Ebrahim

Nato-Container hängen im Hafen von Karachi fest - Bild: © Kulsum Ebrahim/IPS

Nato-Container hängen im Hafen von Karachi fest
Bild: © Kulsum Ebrahim/IPS

Karachi, 11. Januar (IPS) - Im Hafen Kemari der pakistanischen Stadt Karachi stehen fast 2.000 rote, blaue und orangefarbene Container ordentlich in einer Reihe. Auf den ersten Blick scheint es so, als würden hier gute Geschäfte gemacht. In Wirklichkeit jedoch werden diese Güter nirgendwo hin transportiert.

Nach Angaben eines Hafensprechers ist der Inhalt der Container, der dem US-Militär gehört, für die NATO und die Internationale Schutztruppe ISAF in Afghanistan bestimmt. Seit Pakistan aber am 27. November die Versorgungslinie unterbrach, hängen die Container in Karachi fest.

Hintergrund sind NATO-Angriffe auf zwei Militärposten in Pakistan, bei denen im November 24 Soldaten starben. Die USA haben sich bisher nicht für die Attacke entschuldigt. Einer Untersuchung des Pentagon zufolge waren Kommunikationspannen auf beiden Seiten schuld. Pakistan wollte diese Erklärungen nicht akzeptieren und unterzieht seine Zusammenarbeit mit den USA einer Prüfung. Dies bedeutet, dass bis auf weiteres kein Nachschub für die Truppen durch Pakistan transportiert werden kann.


Tausende Container und LKK kommen nicht zum Ziel

Wie aus Kreisen der Hafenverwaltung zu erfahren war, lagern in Karachi etwa 2.000 Container im Hafen Kasim sowie weitere 1.700 Container und ebenso viele US-Militärfahrzeuge in Kemari. Außerdem sind Hunderte Lastwagen mit wertvollen NATO-Gütern und Panzern auf dem Rückweg nach Karachi, nachdem sie fünf Wochen an Kontrollpunkten an der Grenze zu Afghanistan aufgehalten worden waren. Die Fahrzeuge durften weder entladen werden noch zur pakistanisch-afghanischen Grenze weiterfahren.

Vor 2009 waren fast 70 Prozent des gesamten Nachschubs für die rund 140.000 ISAF-Soldaten nach Karachi verschifft und von dort über den Khyber-Pass nach Kandahar gebracht worden. Nachdem aber die Angriffe auf NATO-Fahrzeuge 2009 deutlich zugenommen hatten, eröffnete die Verteidigungsallianz die nördliche Route über Russland. Laut dem Chef der Schifffahrtsgesellschaft in Karachi passieren inzwischen nur noch 25 bis 30 Prozent der Güter Pakistan.

Beobachter warnen dennoch davor, dass die Blockade der Strecke durch Pakistan signifikante Änderungen bei den NATO-Einsätzen nach sich ziehen könnte. So besteht die Gefahr, dass die US-Truppen von der Außenwelt abgeschnitten würden.

Der pakistanische Verteidigungsminister Chaudhry Ahmad Mukhtar deutete unterdessen an, dass die Regierung die Versorgungslinie wieder freigeben und Mautgebühren für die Laster erheben könnte. "Wenn die Nachschubtransporte wieder aufgenommen werden, ist das nicht umsonst", erklärte er. Schließlich seien die Straßen durch den täglichen Transport von rund 3.000 Containern beschädigt worden. Die Reparaturen sollten nun von den Mautgebühren bezahlt werden.

Bislang hat Pakistan von der NATO keine solchen Gebühren verlangt. Jetzt sei der richtige Zeitpunkt dafür gekommen, sagte Mukhtar. Der Parlamentsausschuss für nationale Sicherheit hat unterdessen Empfehlungen für die Bedingungen einer künftigen Kooperation mit den USA und der NATO zusammengestellt. Der Entwurf geht in Kürze dem Ministerpräsidenten zu, der mit seinem Kabinett darüber entscheiden muss.

"Wir haben unter anderem Vorschläge aus den Ministerien für Finanzen, Verteidigung und auswärtige Angelegenheiten aufgenommen", sagte das Ausschussmitglied Haider Abbas Rizvi von der Bewegung 'Muttahida Qaumi' IPS. "Auch die Armee und die Geheimdienste haben wir um Unterstützung gebeten. Unser Ziel ist es, der Missachtung der Souveränität Pakistans ein Ende zu setzen. Einseitige Angriffe auf Pakistan von außen und von innen werden wir nicht tolerieren."


Islamistische Parteien drohen mit Protesten gegen USA

Der pakistanische Verteidigungsrat, ein Bündnis aus etwa 40 religiös orientierten politischen Parteien, hat jedoch bereits Widerstand gegen eine erneute Öffnung der NATO-Versorgungsroute angekündigt. Ein solcher Schritt werde "Angriffe und Terrorismus gegen Pakistan" provozieren, warnten die Parteien. Auf einem Treffen in der ostpakistanischen Stadt Lahore drängte das Bündnis die Regierung, den "Krieg gegen den Terror" aufzugeben. Ansonsten werde man eine landesweite Bewegung gegen den "US-Terrorismus in Pakistan" mobilisieren.

Maulana Atta-ur-Rehman von der Partei 'Jamat-e-Islami' sieht die Blockade als Schritt in die richtige Richtung. "Es ist besser, wenn die NATO-Transporte nicht weitergehen", sagte er IPS. Das Empfinden der Bevölkerung sei durch den Vorfall im September zutiefst verletzt worden. Die Massen würden eine Wiederöffnung der Route nicht hinnehmen, sondern dagegen auf die Straßen ziehen.

Religionsführer erklären, dass der Terrorismus auf pakistanischem Boden aufgehört habe, nachdem sich das Land von der NATO und den USA distanziert habe. Die Parteienkoalition rät der Regierung, stattdessen die Verbindungen zu China und zu islamischen Ländern auszubauen.

Die Blockade der Versorgungsstrecke ist bislang die längste seit Beginn des Kriegs in Afghanistan 2001. Im September 2010 war die Route für elf Tage gesperrt, nachdem bei NATO-Luftangriffen drei pakistanische Soldaten getötet wurden. Der Nachschub wurde außerdem im vergangenen April lahmgelegt, als Tausende Pakistanis gegen Drohnen-Angriffe der NATO protestierten. (Ende/IPS/ck/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Januar 2012