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EINSPRUCH/002: Beutegeier unter sich - USA und Spanien im Kampf um einen alten Silberschatz (SB)


Beutegeier unter sich - Der Kampf um den Schatz der 'Nuestra Señora de las Mercedes'


Allzuleicht vergißt man, daß sich hinter gepflegt manikürten Händen Klauen und hinter dem strahlend weißen Zahnpastalächeln ein regelrechtes Raubtiergebiß verbergen können, weshalb auch bei zivilisierten Verhandlungen oftmals das vermeintlich nette Lächeln anstelle der vorgeblichen Freundlichkeit einem feindseligen Zähnefletschen gleichkommt. Der Stärkere versucht, den Schwächeren zu verschlingen, zu vereinnahmen und ihn um die Beute zu bringen. Den gerade Unterlegenen als Opfer zu bemitleiden wäre fehl am Platze, da auch dieser nicht scheut, von seinen Zähnen und Klauen Gebrauch zu machen, sofern sich ihm die Gelegenheit bietet.

Diese Raubtierfratze offenbart sich besonders dann, wenn es bei einer Streitigkeit um große materielle Werte geht, deren Besitzverhältnisse nicht eindeutig geklärt sind, wie etwa bei dem Streit zwischen Spanien und den USA um einen Schatz aus einem vor über hundert Jahren gesunkenen Schiffswrack. Jeder möchte ihn 'kriegen' - ein Wort, das nicht von ungefähr früher gleichbedeutend mit 'Krieg führen' war und letztlich 'streiten', 'kämpfen' bedeutet.

Wie wenig sich der Mensch von diesem urzeitlichen Kampf um den großen Knochen entfernt hat, zeigen die Details dieser Auseinandersetzung: Eine in Tampa, Florida, beheimatete Firma mit Namen 'Odyssey Marine Exploration' hat das 'Black Swan Project' ins Leben gerufen, ein kommerzielles Schatzsucheprojekt, bei dem Frachtgut auf dem Meeresgrund aufgespürt und geborgen wird. Diese Firma entdeckte 2007 im Atlantik vor der Küste Portugals ein Schiffswrack mit mehr als einer halben Million historischer Silber- und Goldmünzen sowie Kunstgegenständen aus Gold.

Die Firma Odyssey hatte Spanien nicht über den Fund informiert: alles über 'Black Swan', wie das Schiffswrack kurzerhand getauft wurde, sollte geheim bleiben. Als es dennoch publik wurde, verkündete die Firma, daß die Herkunft des Schiffes möglicherweise nie bestimmt werden könne. Die spanische Regierung forderte detaillierte Informationen von der Firma, die diese den Spaniern jedoch vorenthielt.

Dennoch konnte Spanien mehr darüber in Erfahrung bringen - genug, um Klage bei einem Gericht in Florida mit der Begründung einzureichen, daß es sich um die 'Nuestra Señora de las Mercedes' handele. Spanien warf den Amerikanern Plünderung ihres Kulturbesitzes vor. Madrid hatte darauf verwiesen, daß die Münzen nach einem Expertengutachten aus der 1804 vor Portugal gesunkenen spanischen Galeone stammten, welche die britische Kriegsmarine in einem Gefecht versenkt hatte. Obwohl die Firma Odyssee zunächst vor Gericht noch weiter bestritt, daß der Schatz aus einem spanischen Schiff stammte und sich nach wie vor weigerte, Details zu dem Fund preiszugeben, sah das Gericht es schließlich als erwiesen an, daß die 'Black Swan' in Wahrheit die 'Nuestra Señora de las Mercedes' war, und sprach den Schatz Spanien zu. Die Firma kündigte aber weitere juristische Schritte an. Nach Angaben der Madrider Zeitung 'El Pais' hat das Unternehmen noch eine kleine Chance, sich juristisch zu wehren, indem es Einspruch vor dem Obersten Gerichtshof der USA einlegt.

So weit, so gut, könnte man meinen. Schließlich gelten doch die Spanier als die rechtmäßigen Besitzer dieses 'Kulturguts'. Dieser Begriff impliziert jedoch, es wären neutrale Wertgegenstände, sozusagen Relikte der eigenen Geschichte wie ein altes spanisches Bauwerk. Der eigenen Geschichte wohl, aber zugleich verschleiert dieser Begriff den Gewaltakt, wie die Spanier an dieses 'Kulturgut' gelangt sind. Die Silber- und Goldmünzen stammen nämlich aus Peru und gehören somit letztlich, selbst wenn sie als Abgaben der Einwohner an die spanische Krone entrichtet werden mußten, dorthin.

Tatsächlich klagte auch Peru um sein Recht auf den Fund mit der Begründung, daß die Gold- und Silbermünzen 1796 in der damaligen spanischen Kolonie geprägt worden seien. Damit bot der südamerikanische Staat, dessen Kolonialgeschichte bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht, als das Großreich der Inka im Andenhochland vom Spanier Francisco Pizarro unterworfen wurde, seinen früheren Kolonialherren die Stirn. Einst umfaßte das Vizekönigreich Peru fast das gesamte spanische Südamerika, im 18. Jahrhundert erst wurden andere Länder abgespalten. Durch seinen Silberreichtum war Peru eine der wertvollsten Kolonien Spaniens. Im Unabhängigkeitskampf Südamerikas (seit 1810) blieb Peru Mittelpunkt der spanischen Herrschaft.

Per Eilantrag hatte Peru vor dem Obersten Gerichtshof der USA sogar versucht, den Abtransport des Schatzes zu stoppen - ohne Erfolg. Selbst in den Medien wurde Perus wohl begründeter Anspruch an den Schatz kaum beachtet. Nichtsdestotrotz will sich Peru nicht geschlagen geben und besteht weiter auf seinem Eigentümerrecht.

Den peruanischen Staat nun ausschließlich als Opfer dieses Raubgefüges zu bewerten, greift zu kurz, da auch dieser, bildlich gesprochen, durchaus Zähne und Klauen hat, vor denen er sich nicht scheut, Gebrauch zu machen. Anders als es in den neuen Linksstaaten der Region der Fall ist, herrscht in Peru nach wie vor eine Ausbeutungsordnung auf der Basis seiner kolonialen Wurzeln, welche die Minenbetreiber (größtenteils amerikanische Firmen) zu Lasten der eigenen Bevölkerung unterstützt.

Neben 37 Prozent Mestizen sind 45 Prozent von Perus knapp 30 Millionen Einwohnern Indios und nur 15 Prozent Weiße meist spanischer Abstammung - also Nachfahren der spanischen Eroberer. Zusammen mit einigen wenigen Priviligierten hat sich eine Elite-Schicht herausgebildet, die am Abbau der zahlreichen Bodenschätze (neben Silber auch Kupfer, Blei, Zink, Vanadium, Wismut, Erdöl und Eisenerz) gut verdienen, während ein Großteil der Bevölkerung noch immer in bitterer Armut lebt. 62 Prozent seiner Bergbauprodukte exportiert Peru, davon 31 Prozent in die USA. Käme der Schatz zurück nach Peru, würde gewiß nicht die arme Bevölkerung, sondern dieses ausbeuterische System damit unterstützt werden, also auch die Minenbetreiber, etwa für den Ausbau der vorhandenen Kapazitäten und der Erschließung neuer Abbaugebiete.

Innerhalb dieses auf der Welt vorherrschenden Systems gibt es über- und unterlegene Räuber, es herrscht ein 'Fressen oder Gefressen werden', woran die Gerichte ihren Anteil haben. Wäre es anders, würden vielleicht die Arbeiter in den peruanischen Silberminen Anspruch auf diesen Schatz erhalten, auch Kinder, die ob ihrer kleinen Körper heute noch dort schuften müssen und deren Lebenszeit sich durch das Einatmen der Gifte, der harten physischen Belastungen und den langen Aufenthalt im Dunkeln erheblich verkürzt. Sie aber haben weder eine Stimme noch als schwächstes Glied der Kette die Möglichkeit, sich zur Wehr zu setzen.

26. März 2012