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STANDPUNKT/038: Rolf Gössner - Demokratie verträgt keine gläsernen Bürger ... (Die Linke Bremen)


Fraktion DIE LINKE. in der Bremischen Bürgerschaft - Pressemitteilung vom 24. November 2010

Rolf Gössner: "Demokratie verträgt keine gläsernen Bürger unter Generalverdacht"


"Auch eine eingeschränkte Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung ist unverhältnismäßig und missbrauchsanfällig", warnt Rolf Gössner, parteiloser Vertreter der Linksfraktion in der Innendeputation, vor dem Vorstoß von Innenministerkonferenz und Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). Gössner lehnt die verdachtslose Speicherung sämtlicher Telekommunikationsdaten auf Vorrat entschieden ab. Er war einer der Erstbeschwerdeführer gegen dieses Instrument vor dem Bundesverfassungsgericht; seine Verfassungsbeschwerde, die von über 35.000 Menschen mitgetragen wurde, führte im März 2010 zum Erfolg: Das Gericht erklärte das einer EU-Vorgabe folgende Gesetz für verfassungswidrig und nichtig. Die Datenvorräte bei den Telekommunikationsanbietern mussten unverzüglich gelöscht werden.

Jüngst hat die Innenministerkonferenz die Bundesregierung aufgefordert, zügig ein neues Vorratsdatengesetz aufzulegen - nur wenige Monate nach der fulminanten Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht, das der damaligen Regierungsmehrheit verfassungswidriges Handeln attestierte. Seit 2008 bis zu dem vernichtenden Verfassungsgerichtsurteil mussten sämtliche Telekommunikationsdaten, also Telefon-, Handy-, E-Mail- und Internetverbindungsdaten, zwangsweise sechs Monate lang auf Vorrat gespeichert werden - "ohne jeglichen Verdacht und Anlass, nur damit sie bei Bedarf zweckentfremdet zur Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr verwendet werden können", so Gössner. "Mit Hilfe dieses riesigen Datenreservoirs, das das Kommunikationsverhalten der gesamten Bevölkerung erfasste, war es prinzipiell möglich, Bewegungs-, Konsum- und Persönlichkeitsprofile zu erstellen, geschäftliche Kontakte zu rekonstruieren und Freundschaftsbeziehungen zu identifizieren. Wie schnell das gehen kann, zeigten die Missbrauchsfälle bei der Telekom, die diese Daten, quasi als Hilfspolizei des Staates, vorrätig halten musste."

Gössner hält die Vorratsdatenspeicherung für eine "Bedrohung von freier Kommunikation und Meinungsäußerung, aber auch von Berufsgeheimnissen und Pressefreiheit" - dies gelte prinzipiell auch, wenn sie wegen des Verfassungsurteils enger ausgestaltet würde. Die Behauptung des Innensenators, mangels Vorratsspeicherung könne die Polizei ,in einer Vielzahl von Fällen' angeblich schwerste Verbrechen nicht aufklären und Tatverdächtige nicht ermitteln, sei nicht nachprüfbar und durch keine unabhängig-seriöse Studie untermauert. "Offenbar werden wieder einmal aktuelle Terrorwarnungen zum Anlass genommen, Grund- und Bürgerrechte weiter auszuhöhlen", kritisiert Gössner, "obwohl selbst auf EU-Ebene die Vorratsdatenspeicherung inzwischen problematisiert wird." Die Linksfraktion unterstützt deshalb die Forderung an den Senat, im Bundesrat darauf hinzuwirken, dass sich die Bundesregierung auf EU-Ebene entschieden gegen die Vorratsdatenspeicherung einsetzt.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 24. November 2010
Fraktion DIE LINKE. in der Bremischen Bürgerschaft
Doris Achelwilm // Pressesprecherin
Tiefer 8, 28195 Bremen
Telefon: 0421 / 20 52 97 50, Fax: 0421 / 20 52 97 10
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. November 2010