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STANDPUNKT/326: Das moderne China - Hoffnung für regionalen und weltweiten Frieden? (Jürgen Heiducoff)


Das moderne China - Hoffnung für regionalen und weltweiten Frieden?

von Jürgen Heiducoff, 21. Oktober 2013
Jilin (Volksrepublik China)



Aufklärung vs. Vermittlung eines unrealistischen China-Bildes

Um den Kritikern der im Folgenden dargelegten Auffassungen gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen: es sollen all die Fehlentwicklungen in China auf der Suche nach dem richtigen Weg bis 1989 weder weg geredet noch marginalisiert werden.

Hier geht es um die Darstellung der Außen-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik des modernen China sowie um seine konstruktive Rolle in der Region und in der Welt - besonders für Stabilität und Frieden. Werden sich die Visionen von einer gerechten Weltordnung ohne Weltmachtbestrebungen der einen Nation über die anderen durchsetzen können?

Die China-Berichterstattung in unseren Medien ist oft durch die westliche Brille geschrieben und leidet unter der Projektion unserer Lebensphilosophie auf eine völlig andere und auch ältere Kultur. Da steckt schon ein wenig Arroganz drin, besonders wenn Empfehlungen für die Lösung dortiger interner Probleme erteilt werden.

Auch Politikwissenschaftler und Sinologen stützen sich auf westliche oder japanische Quellen.

Sicherheitsrelevante und militärische Belange Pekings unterliegen der Geheimhaltung und werden nicht veröffentlicht. Da ergibt sich Raum für Spekulationen, Übertreibungen und Mutmaßungen.

So entsteht oft ein einseitiges und verzerrtes Bild über China, über die gesellschaftlichen und politischen Strukturen sowie über die Grundprinzipien der Außen-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik Pekings.

In China finden seit Beginn der 1980er Jahre Reformen statt, die einer Revolution gleich kommen. Aber nicht alles wurde dabei vernichtet und durch Neues ersetzt. Vor allem wurde nicht alles privatisiert.

Die Disziplin in den Schulen, die Intensität des Lernens tragen ihre Früchte. Die chinesischen Studenten an deutschen Universitäten gehören zu den fleißigsten und erfolgreichsten.

Das Land im Fernen Osten, wo die Sonne im Sommer sechs Stunden früher aufgeht, erscheint vielen von uns so grundlegend anders, dass sie sich einen Aufenthalt dort höchstens zu touristischen Zwecken vorstellen können. Aber als Tourist lernt man nicht das wahre China kennen.

Ein dichtes Netz chinesischer Restaurants überspannt Deutschland und Westeuropa. Mangelnde Nachfrage brauchen die meisten davon nicht zu beklagen. Immer mehr Textilien aber auch hochwertige elektronische Erzeugnisse erfreuen sich zunehmender Beliebtheit bei den deutschen Kunden.

Umgekehrt bestimmen Fahrzeuge deutscher Marken das Straßenbild in China. Haushaltsgeräte der Firma Siemens sind begehrt.

Und trotzdem gibt es bei uns Deutschen nicht selten Abneigungen und Vorurteile gegenüber den fremden Traditionen und Gewohnheiten im Reich der Mitte. Sicher sind das noch immer Auswirkungen der antikommunistischen Manipulation. Die Angst vor dem Kommunismus ist tief im Unterbewusstsein unserer Menschen verankert, vor allem bei denen, die nie Berührungen mit ihm hatten.

Umgekehrt haben die Chinesen keine Angst vor dem Kapitalismus. Sie schließen ihn mitsamt seiner menschenfeindlichen Auswirkungen bewusst oder unbewusst in ihren Alltag ein.

Der Vermittlung eines einseitigen China-Bildes durch die meisten westlichen Medien muss mit Aufklärung begegnet werden. Diese Aufklärung unserer Menschen ist aus aktuellem Anlass besonders notwendig. Erst am 20.10.2013 ist mit der ARD "Tatort"-Sendung "Die chinesische Prinzessin" wieder der Versuch unternommen worden, China zu kriminalisieren und den Zuschauern als ein Land vorzustellen, in dem die Menschenrechte mit Füßen getreten würden.

Viel konstruktiver ist die Verbreitung ausgewogener und realistischer Informationen über das Leben in China und über die Wirkungen auf den Rest der Welt.

Dabei sollen die bitteren Erfahrungen und die Fehlentwicklungen während des Prozesses der Selbstfindung der größten Nation nicht ausgeblendet werden.

Jedoch erscheint die Feststellung wesentlich, dass die erfolgreiche Entwicklung der letzten dreißig Jahre nur unter den Bedingungen eines relativen inneren und äußeren Friedens stattfinden konnte.

Die Menschen haben verinnerlicht, dass Frieden auch künftig die Voraussetzung für die Verbesserungen ihres Lebens bleibt. Sie wollen einen stabilen Frieden.

Wird die Pekinger Führung diesen Wunsch umsetzen können?


Die Nichtduldung von privaten Profitinteressen an Rüstung und Krieg - notwendige und hinreichende Bedingung für Stabilität, Sicherheit und Frieden?

Kriege sind dann vermeidbar, wenn die an Rüstung und Krieg interessierten, vor allem aus dem Hintergrund agierenden Kräfte, erkannt und neutralisiert werden.

Es muss nicht das pazifistische Konzept umgesetzt werden, nach dem Kriege erst dann als vermeidbar gelten, nachdem die Streitkräfte abgeschafft wurden.

Vor allem die USA haben in den letzten Jahrzehnten Kriege weit ab vom eigenen Territorium geführt. Die vor gegebenen Kriegsziele sind in keinem Fall erreicht worden.

Die Verlierer waren immer die beteiligten Soldaten, die Gesundheit und Leben gefährdeten, die Steuerzahler, deren schwer erarbeitetes Einkommen in den Sand gesetzt sowie die Politiker, deren Image beschädigt wurde.

Gewonnen haben stets die privaten Rüstungskonzerne. Für die Erzielung ihres Erfolges reicht der Beginn und die möglichst lange andauernde Kriegführung. Ihre Waffensysteme werden unter extremen Bedingungen getestet und verschlissen oder zerstört.

In China befinden sich die Großunternehmen der Hochtechnologie und Rüstungsindustrie sowie die großen Banken in staatlichem Besitz. Private Interessen an Rüstung und Krieg sind in diesen Bereichen nicht geduldet.

Damit wäre in China die notwendige Bedingung für Stabilität und Frieden gegeben.

Aber ist damit auch die hinreichende Bedingung erfüllt? China ist vor einigen Jahrzehnten militärisch z.B. gegen Vietnam vorgegangen. Politisch bedingte Fehler, die längst korrigiert worden sind. Heute gehört Vietnam wie auch andere Nachbarländer Chinas zu den Abnehmern chinesischer Waren. Und China braucht den Export, damit die ständig steigende Produktion nicht kollabiert.

Die Politiker in Peking wissen zu gut, dass die Zeit ohne Beteiligung an Kriegen für sie arbeitet und dass Stabilität und Frieden die günstigsten Bedingungen für das weitere wirtschaftliche Erstarken der Republik sind.

Der chinesische Außenminister Wang Yi hat am 28.09.2013 auf der allgemeinen Debatte der 68. UN-Vollversammlung die Entwicklungsideen und Außenpolitik der neuen chinesischen Regierung und die internationale Rolle Chinas erläutert. China werde unbeirrt den friedlichen Entwicklungsweg gehen und hoffe, dass andere Länder sich auch so verhalten, um internationale und regionale Konflikte auf friedliche Weise beizulegen. Gleichzeitig wolle China jederzeit die staatliche Souveränität und die territoriale Integrität verteidigen und die legitimen Rechte und Interessen entschlossen wahren, so Wang Yi. China werde konsequent an der Reform und Öffnung sowie an der nachhaltigen Entwicklung festhalten. Zudem werde China seinen gebührenden internationalen Pflichten nachkommen, betonte Chinas Außenminister ferner.(1)

Im Verteidigungsweißbuch Chinas vom April 2013 ist zu lesen, dass "die Welt immer noch unruhig" sei und "Hegemonie, Machtpolitik und Neo-Interventionismus" zunehmen würden. Und an anderer Stelle ist die chinesische Sicherheitspolitik wie folgt beschrieben: "Den Weg der friedlichen Entwicklung zu gehen, ist der unbeirrbare Wille und die strategische Wahl Chinas. China verfolgt konsequent eine unabhängige und selbstständige Außenpolitik des Friedens und eine defensive Verteidigungspolitik, kämpft gegen jede Form von Hegemonie und Machtpolitik, mischt sich nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Länder ein und wird niemals nach Vorherrschaft, Hegemonie und militärischer Expansion streben. China vertritt ein neues Sicherheitskonzept des gegenseitigen Vertrauens, des gegenseitigen Nutzens, der Gleichberechtigung und der Kooperation, verfolgt umfassende Sicherheit, gemeinsame Sicherheit und Sicherheit durch Zusammenarbeit."(2)

Warum sollte man diesen Worten keinen Glauben schenken?

Die Zeit wird beweisen, dass hinter diesen Erklärungen viel geschichtliche Erfahrung steckt.

China ist trotz seiner Blockfreiheit längst nicht mehr isoliert, sondern fest in verschiedene internationale Organisationen integriert. Die Modernisierungen setzten die Öffnung des Landes voraus.

Als UN- und Sicherheitsratsmitglied stellt es den größten UN Truppenanteil. In der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) verfolgt China eine aktive Politik für die Eindämmung des Terrorismus und für die Stärkung der Sicherheit zwischen den Mitgliedstaaten (China, Russland, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Usbekistan), den Beobachtern (Indien, Pakistan, Iran, Afghanistan, Mongolei) und Dialogpartnern (Weißrussland, Sri Lanka, Türkei, GUS und ASEAN). Besonders die Kooperation mit dem NATO-Mitglied Türkei und den Staaten der ASEAN stellt einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung in der Region und darüber hinaus dar. Im Staatenbund der BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) wird der Aktionsradius der Zusammenarbeit noch wesentlich erweitert.

Das bedeutet aber nicht, dass Peking weltweite Führungsansprüche stellt. Das Reich der Mitte ist in seiner langen Geschichte immer dann besonders erblüht, wenn ein friedliches Umfeld gegeben war. Einer Gesellschaft, in der traditionell Harmonie und Ausgeglichenheit eine zentrale Rolle spielten, sollte ein bestimmtes Grundvertrauen entgegen gebracht werden. Die Außen-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik Pekings wird zeigen, dass auch die hinreichende Bedingung für dauerhafte und stabile Sicherheit und für Frieden erfüllt sein wird.

Dies wird nicht durch Verzicht auf Militär und Rüstung erfolgen, sondern durch die konsequente Nichtduldung von inneren Kräften, die an Destabilisierung und militärischen Auseinandersetzungen interessiert sind. Das aus dem wirtschaftlichen Wachstum und dem erfolgreichen Welthandel erwachsende politische, diplomatische und militärische Selbstbewusstsein Chinas wird diese Positionen stützen.

Die Strategie von Pekings Entwicklungspolitik ist zielstrebig und konsequent, aber weder kolonialistisch und missionarisch, noch ideologisch beeinflusst. Sie ist auf gegenseitige Vorteile gerichtet, nicht mit politischen oder anderen Forderungen und Bedingungen verknüpft und schließt eine Einmischung Chinas in die inneren Angelegenheiten der Entwicklungsländer strikt aus. Chinesische Entwicklungshelfer treten nicht mit überlegenen Anleitungen und Empfehlungen auf, sondern legen selbst Hand an. Besonders in Afrika genießen dadurch die Chinesen großes Ansehen.


Wirtschaftliche statt militärischer Expansion

Während die USA in den letzten zwölf Jahren lange andauernde Kriege weitab vom eigenen Territorium führten, beschritt Peking den Weg der wirtschaftlichen Expansion. Die Exporte stiegen drastisch an. Unter anderem dadurch sicherte sich China ein stabiles finanzielles Polster. So konnte China allein im Jahr 2011 US-Staatsanleihen im Wert von 1,3 Billionen Dollar, ungefähr 27 Prozent erwerben.(3)

Der chinesische Staat investierte nicht vorrangig ins Militär, sondern zunächst in das staatseigene Wirtschafts- und Bankensystem.

Der militärischen Expansion der USA setzt China erfolgreich eine wirtschaftlich-finanzielle, vor allem eine Expansion durch Investition entgegen.

Die Konzentration amerikanischer Wertpapiere in den Händen des asiatischen Schwellenlandes birgt neben Risiken aber auch Abhängigkeiten für beide Staaten in sich.


Die staatlichen Strukturen der Volksrepublik China als Voraussetzung für Stabilität und Frieden in der Region

Begünstigende Bedingungen für die dauerhafte Erhaltung von Frieden und Stabilität in der Region ist eine ausgeglichene innere Balance im Riesenreich. Dabei gilt es in der Zukunft den sich immer extremer gestaltenden Naturgewalten zu begegnen und auch demographische Herausforderungen zu bewältigen.

Ein ausgeglichenes inneres Gleichgewicht in China wird auch in der Zukunft eine der Voraussetzungen für regionale Stabilität sein.

Die westliche Entwicklung basiert auf Konzeptionen und theoretischen Modellen, die dann in einem langen Prozess in die Praxis überführt werden. Die Chinesen ticken da anders: wenn sie in der Vergangenheit nach sehr guter Beobachtung bestimmte Dinge und Prozesse einfach kopierten, so gilt noch immer, dass sie in der Regel sehr praxisorientiert und experimentierfreudig sind. Das gilt auch für wirtschaftsstrukturelle und politische Entwicklungen. Vor der landesweiten Einführung wirtschaftlicher Modelle und Neuerungen werden diese im kleinen Maßstab in Sonderwirtschaftszonen erprobt. Chinesen stellen einerseits nicht die eigenen Erfahrungen als universell, auch für andere Kulturen gültig dar und andererseits sind sie nicht bereit, Empfehlungen anderer eins zu eins für ihre Belange zu kopieren. Sie untersuchen ggf. deren Eignung für ihre spezifischen chinesischen Bedingungen.

Staatseigene und staatlich geführte Betriebe wurden in Aktiengesellschaften umgewandelt ohne die Eigentumsverhältnisse zu ändern. Dann sind diese der Kooperation und der Konkurrenz mit neu entstehenden kleinen Privatunternehmen ausgesetzt worden. Das Experiment hat im Großen und Ganzen funktioniert. Wirtschaftswachstum und soziale Errungenschaften sind die Beweise dafür. Und ähnlich gestalten die Chinesen auch ihr politisches System: nach den eigenen Traditionen und für ihre eigenen spezifischen Belange. Und es funktioniert.

Wenn von westlicher Seite in arroganter Weise das politische und ökonomische System der Volksrepublik China kritisiert wird, so sollte man sich stets vor Augen halten, dass es eben durch dieses System gelungen ist, die überwiegende Mehrheit des Milliardenvolkes in weniger als vierzig Jahren aus Rückständigkeit, Armut und Hunger in einen bescheidenen Wohlstand zu führen.

Dies honoriert die Mehrheit des Volkes mit der Akzeptanz und Achtung gegenüber der Führungselite. Denn letztendlich ist es ihr gelungen, nach all den Irrungen und Wirrungen bis in die 1970er Jahre einen optimalen Weg für die absolute Mehrheit der Menschen zu finden. So kann man die KP Chinas durchaus als eine Volkspartei bezeichnen. Die innerparteiliche Informationsdynamik scheint zu funktionieren, denn Kritik von unten kommt bei der Führung an.

Warum sollten die Chinesen, wenn das derzeitige politische System funktioniert, ein anderes wünschen? Und welches? Ein schlecht funktionierende Vielparteiendemokratie, die von den ausartenden Turbulenzen der Finanzmärkte aus den Fugen zu brechen droht? Oder ein System zweier Parteien, die die Interessen unterschiedlicher Elitegruppen repräsentieren und sich periodisch gegenseitig blockieren?

Wichtig erscheint vor allem: Die gesellschaftlichen Strukturen der chinesischen Gesellschaft lassen keine Kräfte zu, die privat an Krieg und Aggression interessiert sind, weil sie davon profitieren! Die Rüstungsindustrie wird per Gesetz vom Staat kontrolliert und geführt. Staatliche Mechanismen verhindern, dass profilbestimmende Industrieunternehmen oder Großbanken eigene Interessen verfolgen. Lobbyismus durch Schlüsselpersonal der Wirtschafts- und Finanzbranchen oder deren Einflussnahme auf Regierung, Volksvertretungen oder Justiz sind nicht möglich. In der Öffentlichkeit und in den Medien herrscht keine Kriegspropaganda und eine Militarisierung der Gesellschaft ist nicht zu bemerken.

Die Pekinger Führung hat inzwischen der wirtschaftlichen Wachstumspsychose ein Ende gesetzt. In Erkenntnis, dass die ständige Beschleunigung der Expansion der Wirtschaft zu Deformierungen und zu unkalkulierbaren Konflikte führen könnte, wurde diese Tendenz korrigiert. So liegen die Wachstumsraten der chinesischen Wirtschaft nicht mehr im zweistelligen Bereich. Der Schwerpunkt liegt auf Qualität statt Quantität.

China hat im Unterschied zu den USA seit Jahrhunderten keine Kriege in weit entfernten Regionen geführt. Seit drei Jahrzehnten hat sich das Reich der Mitte auch nicht zu militärischen Handlungen entlang seiner Grenzen provozieren lassen.

Die Marine der Volksbefreiungsarmee ist erst seit einigen Jahren auf den Weltmeeren präsent, während die US Navy auf eine 200jährige Erfahrung zurückgreifen kann.

Und dennoch - in westlichen Medien werden die Volksbefreiungsarmee und die Marine überbewertet - wie z.B. auch das chinesische Flugzeugträgerprogramm. Kaum war der Prototyp "Liaoning" in Dienst gestellt, schon begannen Spekulationen. Dabei ist klar, dass es noch länger dauern wird bis die Besatzungen eine hinreichende Ausbildung haben, die ein Minimum an Kampffähigkeit garantiert.

In den vergangenen Monaten hat China bewiesen, dass es sich weder im Ost- oder Südchinesischen Meer, noch an der schwer zugänglichen indisch-chinesischen Grenze provozieren lässt. Immer wieder gelang es, militärische Gefechte zu verhindern und diplomatische Regelungen für entstandene Spannungen zu finden.

Die Lage in den für China lebenswichtigen Seegebieten im Westpazifik war auch Thema auf dem Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsforums APEC in diesem Monat auf Bali. "Angesichts des Streits um Bodenschätze im Südchinesischen Meer mit Amerikas Verbündeten Japan, Vietnam und den Philippinen rief Xi die Region auf, an einem "harmonischen Zusammensein" zu arbeiten."(4)

Und all dies findet in einer Phase moderat steigender Verteidigungsausgaben und der Modernisierung der Verteidigungskräfte statt.

Das Reich der Mitte hat eine lange Tradition von Frieden, Ausgleich und Harmonie. Dies widerspiegelt sich auch in der Mentalität der Menschen. Der chinesische Kriegsphilosoph Sun Tzu schrieb vor über 2500 Jahren in seinem Werk "Die Kunst des Krieges":

"In all deinen Schlachten zu kämpfen und zu siegen ist nicht die größte Leistung. Die größte Leistung besteht darin, den Widerstand des Feindes ohne einen Kampf zu brechen. In der praktischen Kriegskunst ist es das Beste überhaupt, das Land des Feindes heil und intakt einzunehmen; es zu zerschmettern und zu zerstören ist nicht so gut".

Der Reformer und Vater des modernen China Deng Jiaoping wandte eine alte chinesische Weisheit auf Chinas Außenpolitik an: "Verdeck deine Stärke und warte ab".

Im März 2012 erklärte Generalmajor Jin Yinan, ein bekannter Wehrexperte, Mitglied der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes und Direktor des Instituts für strategische Studien der Universität für Landesverteidigung der Volksbefreiungsarmee in einem Interview mit der Peking Rundschau:

"Unsere Militärdoktrin geht vom Gewinnen regional begrenzter Kriege unter den Bedingungen der verstärkten Anwendung der Informationstechnologie aus. Unsere Verteidigungsstrategie und das Weißbuch für Verteidigung betonen vor allem die aktive Verteidigung. Seit der Antike, aber vor allem auch in der Neuzeit hat sich China hauptsächlich verteidigt. China hat keine militärischen Interventionen großen Umfangs unternommen. China hat nicht angekündigt, im Ausland Militärstützpunkte zu errichten. China braucht dies auch gar nicht, weil wir kein Interesse daran haben, ein Sprungbrett für Interventionen in anderen Ländern zu schaffen ... Wir streben nicht nach globaler Herrschaft. Wir müssen die Abschreckungskraft unserer Armee verstärken. Denn Abschreckung heißt nicht, Krieg zu führen, sondern dem Gegner Einhalt zu gebieten, bevor er das Risiko des Kampfes auf sich nimmt. Durch so ein Gesamtkonzept wird Krieg vermieden."(5)

Die regierungsnahe chinesische Nachrichtenagentur Xinhua veröffentlichte am 13.10.13, als die Haushaltskrise in den USA sich weiter zuspitzte, seine Vorstellungen von einer neuen Weltordnung: dies sei "möglicherweise ein guter Zeitpunkt, um eine de-amerikanisierte Welt zu formen... Eine neue Weltordnung sollte geschaffen werden, in der die Interessen aller Nationen, ob groß oder klein, arm oder reich, respektiert und gleichberechtigt geschützt werden."(6)

Es sind überprüfbare Tatsachen: China hat keine Kriege weitab vom eigenen Land geführt und ist seit den Gefechten mit Vietnam generell an keinem Krieg beteiligt gewesen. Peking verfügt über keine Kampftruppen in Militärstützpunkten im Ausland. Die chinesischen Rüstungsunternehmen sind nicht in Privatbesitz. Der Staat lässt aus Privatkapital resultierende Interessen an militärischer Gewalt nicht zu. Staat und staatliche Unternehmen investieren in Afrika und Asien erfolgreich und erzielen Gewinne - ohne militärische Präsenz. Die Investitionen großer westlicher Unternehmen in China wachsen stetig. Die Friedenswirtschaft floriert also. China wuchs zur zweitgrößten Volkswirtschaft auf, als Amerika seinen vernichtenden Krieg gegen den Terror führte. Im Frieden kann China in weiteren Jahren zur größten Volkswirtschaft der Erde erwachsen.

Warum sollte Peking bei so viel Erfolg im Frieden an Krieg und Hochrüstung interessiert sein?


Kausalität der strategischen Aktivitäten im asiatisch-pazifischen Raum, einschließlich der militärischen richtig darstellen!

Die erstmals im Herbst 2011 öffentlich dargelegte Ausrichtung der US Strategie auf den asiatisch-pazifischen Raum wird trotz der extremen Haushaltsprobleme politisch, diplomatisch und auch militärisch umgesetzt.(7)

Wer hätte noch vor einigen Monaten gedacht, dass das Treffen des Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsforums APEC und der US-ASEAN-Gipfel ohne den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika stattfinden müssten. Die innenpolitische Krise lähmt die außenpolitischen Aktivitäten der USA. Das bedeutet nicht, dass die militärische Komponente der Implementierung der neuen Strategie auch gelähmt war. Für sie galt die Haushaltssperre nicht.

Bereits im Jahre 2010 ist das Konzept des "Air-Sea Battle" in den US-Streitkräften eingeführt worden - eine Strategie, die das effektive Zusammenwirken zwischen der Navy und Luftwaffe auf dem Pazifischen Seekriegsschauplatz regelt. Die USA bauen auf ihren technologischen Vorsprung.

Auch die US-dominierte NATO als Nordatlantikpakt hat ihren militärischen Arm in Form von ISAF bis an die Westgrenze Chinas ausgestreckt und baut die militärpolitische Zusammenarbeit mit Anrainerstaaten des Pazifischen und Indischen Ozeans verstärkt aus.

Neue Militärbasen werden geschaffen. US-Truppen werden umgruppiert. Kampfverbände werden von Okinawa (Japan) nach Guam und Nordaustralien verlegt. So soll eine günstigere Ausgangslage für die Kontrolle der Meerengen zwischen dem Pazifischen und Indischen Ozean eingenommen werden. Dies ist das Nadelöhr, durch das Chinas Ausfuhren und die Rohstoffimporte transportiert werden müssen.

China verkündete im Gegenzug kein Interesse auf einer maritime Präsenz im Ostpazifik oder entlang der Territorialgewässer der Vereinigten Staaten.

Der Ring der US-Militärbasen von Afghanistan, über Südkorea, Japan (Misawa, Sasebo, Yokosuka, Okinawa), Guam, Australien bis zur arabischen Halbinsel schließt sich immer weiter um China. Der weitere Ausbau schließt u.a. US Militärbasen auf den australischen Kokosinseln und der philippinische Insel Palawan ein. Hinzu kommt die Intensivierung der militärpolitischen Zusammenarbeit mit den Stationierungsländern und darüber hinaus mit den Philippinen, Singapur und Vietnam. Dies könnte schnell zur weiteren Verlegung und Dislozierung von US Kräften führen. Alles sind Schritte zur Eindämmung des chinesischen regionalen Interessengebietes.

Admiral Samuel Locklear, Chef des amerikanischen Pazifik-Kommandos, spricht Klartext und hatte im Februar im Verteidigungsausschuss des US Senats erklärt: "Wir sind eine Großmacht in Asien. Die Chinesen und die anderen Länder der Region müssen begreifen, dass die USA bereit sind, dort ihre nationalen Interessen zu verteidigen."(8)

Es ist nur folgerichtig, dass China dies als Bedrohung seiner vitalen Lebensinteressen wahrnehmen und entsprechende Gegenmaßnahmen einleiten musste.

Die US-Streitkräfte verfügen im Unterschied zur Volksbefreiungsarmee über frische Kampf- oder Einsatzerfahrungen.

Der Ausbau der chinesischen Seekriegsflotte dient ausschließlich der Verteidigung des eigenen Territoriums gegen ein mögliches US Engagement. Das Operationsgebiet der chinesischen militärischen Hochseeflotte beschränkt sich derzeit schwerpunktmäßig auf den Westpazifik innerhalb eines Gebietes, das durch zwei Inselketten begrenzt ist. Die Schaffung einer strategischen Verteidigungszone Chinas im Westpazifik schließt geografisch bedingt u.a. die Seegebiete vor Südkorea, Japan, Vietnam, Taiwan, Singapur, den Philippinen und Malaysia ein. Diese Staaten nehmen Pekings Seeherrschaft, die ausschließlich der Verteidigung dienen soll, als eine Bedrohung wahr, weil sie ihr nichts Äquivalentes entgegensetzen können.

Da auch das politische Selbstbewusstsein des Reiches der Mitte wächst und Peking nicht bereit ist, sich in ihrer eigenen Region dem Willen Washingtons unterzuordnen, versuchen die Vereinigten Staaten, einen Keil zwischen China und seine Nachbarn zu treiben. Die USA und andere westliche Staaten sind bestrebt, bei den Völkern der Region Angst vor Peking zu schüren und den Wunsch nach Beistand seitens des Westens zu verstärken.

Die US-Eliten haben erkannt, dass sie dem wirtschaftlichen, finanziellen und politischen Erstarken Chinas nur schaden können, wenn sie die militärische Karte spielen. Frieden und Stabilität als die besten Bedingungen für die weitere Stärkung der Volksrepublik sollen so gestört werden.


Die weltweit führende Militärmacht sind die Vereinigten Staaten

Die Vereinigten Staaten haben weltweit mit Abstand die höchsten Militärausgaben und sind der größte Rüstungsexporteur. Das wird sich auch nicht so schnell ändern.

China strebt weder eine militärische Überlegenheit, noch eine militärische Bedrohung gegenüber den USA oder anderen Staaten an.

Besonders während des Krieges gegen den Terror sind die Militärausgaben Washingtons massiv erhöht worden. Dies ist auf Grund der Erschöpfung der Staatsfinanzen derzeit nicht mehr möglich. Das Pentagon sucht nun nach noch effektiveren Methoden zur Erreichung der militärischen Ziele durch weitere technologische Vervollkommnung. Völlig neue Führungs- und Waffensysteme sind bereits konzipiert, produziert und in Dienst gestellt worden. Washington repräsentiert das Land mit dem größten und modernsten Waffenarsenal und der leistungsfähigsten Rüstungsindustrie. Amerika stellt jedoch nicht nur eine potentielle militärische Bedrohung dar, sondern führte auch real Krieg in großer Entfernung vom eigenen Territorium. Hinzu kommen die nicht erklärten Drohnenkriege der Amerikaner und die geheimen Einsätze von unbemannten Aufklärungsmitteln der CIA. Auch in diesen Tagen werden Menschen durch US-Kampfdrohnen in Afghanistan, Pakistan und im Jemen getötet.


Die westliche Lüge von den überhöhten Militärausgaben Pekings

Im Jahre 2012 betrugen die Rüstungsausgaben der USA laut SIPRI 677.9 Milliarden $. China gab nur 166,1 Milliarden $ aus. Setzt man diese Zahlen ins Verhältnis zur Bevölkerungszahl oder zur Truppenstärke, verändert sich diese Konstellation weiter. Im Jahre 2012 hat China nach SIPRI-Angaben nur 2,0 Prozent seines BIP für Verteidigung ausgegeben, während die USA 4,4 Prozent von ihrem wesentlich höheren BIP aufgewandt haben.(9)

Viele Jahre wären erforderlich, bis China bei andauerndem Wachstum das Niveau der amerikanischen Rüstung in Quantität und Qualität erreichen würde. Chinas Technologieniveau liegt nach SIPRI noch immer ein bis zwei Generationen hinter dem amerikanischen.


Perspektiven und Erwartungen

Das Reich der Mitte steht vor der Lösung sehr vieler innerer Herausforderungen. Klimatische und demografische Konflikte, die weitere Erschließung des ländlichen Raumes, die Folgen der Urbanisierung gilt es zu meistern - und dies bei stetiger Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen. Da wären militärische Auseinandersetzungen das Letzte, was China braucht.

Wer die Leiden, Entbehrungen und den Terror, den die Chinesen während der japanischen Okkupation, in den Wirren des Bürgerkrieges und im Verlaufe der Kampagnen des Großen Sprunges und der Kulturrevolution auch nur im Ansatz zu beurteilen vermag, kann verstehen, dass die gegenwärtige Staatsführung alles unternimmt, um sein Milliardenvolk künftig vor den Folgen solcher Ausartungen zu bewahren. Da sind außenpolitische Experimente und Konfrontationen völlig Fehl am Platz.

Das moderne China ist weder etwas ein für allemal Gegebenes, noch etwas Fertiges.

Es entwickelt sich ständig weiter - und dies auf der Grundlage seiner eigenen Erfahrungen, Regeln, Traditionen und Gesetze. Die größte Nation dieser Welt hat die Kapazitäten und Potenzen, auch aus den Fehlern seiner eigenen Vergangenheit zu lernen.

Die Volksbefreiungsarmee ist beliebt, auch weil sie regelmäßig den Bürgern bei Naturkatastrophen hilft.

Innenpolitisch zunehmend stabil und außenpolitisch berechenbar - das sind die Koordinaten, die China in die Weltordnung einbinden.

Das Reich der Mitte ist nicht imperialistisch und strebt nicht nach globaler Dominanz.

Multipolarität statt Unipolarität - das sind die Markenzeichen, die neben China auch die anderen wirtschaftlich aufstrebenden BRICS-Staaten vertreten.

So ist die chinesische Außen-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik sehr viel gerechter als die der sich selbst als demokratisch einstufenden Staaten.

Ob auch dies eine weitere notwendige und vielleicht sogar hinreichende Bedingung für die Schaffung einer globalen Friedensordnung ist, bleibt abzuwarten.

Beim Abwägen von Argumenten und Gegenargumenten zur Beantwortung der Frage nach der Rolle des modernen China in der Region und in der Welt neigt sich die Waage sichtbar zu Stabilität, Sicherheit und Frieden.

Im Bildungsbereich gibt es große Hoffnungen für ein künftiges Zusammenrücken mit China.

China entsendet jährlich über 404.000 Studenten ins Ausland. Auch an den deutschen Universitäten sind rund 25.000 Studenten aus China eingeschrieben. Sie sind aus dem Straßenbild unserer Universitätsstädte nicht mehr wegzudenken. Deutsche Hochschulen rekrutieren zunehmend aktiv im Reich der Mitte Nachwuchs. Der Deutsche Akademische Auslandsdienst (DAAD) fördert jährlich rund 1.600 chinesische Studenten in Deutschland. Umgekehrt konnten 1.200 deutsche Studenten und Wissenschaftler mit Unterstützung des DAAD in China forschen.(10)

Die besten chinesischen Hochschulabsolventen werden von deutschen Unternehmen umworben.

Offiziere der Volksbefreiungsarmee und Flotte nehmen an Generalstabslehrgängen an der Führungsakademie der Bundeswehr teil.(11)

Diese Entwicklung ist von gegenseitigem Nutzen, denn da werden Partner- und Freundschaften begründet, die überaus nützlich sind. Wenn sich Menschen offen und freundschaftlich begegnen, entsteht gegenseitiges Verständnis und Vertrauen.

Es bleibt zu erwarten, dass die deutsche Politik sich weiter gegenüber China öffnet und damit der deutschen Wirtschaft und den deutschen Universitäten und Hochschulen folgt.

Warum bleibt die deutsche Öffentlichkeit so weit auf Distanz zu China?

Große Teile unseres Wirtschaftslebens und unseres Wohlstandes hängen inzwischen von China ab.

Die China-Restaurants und chinesische Konsumgüter (Smartphones, Laptops, Schuhe und Textilien) erfreuen sich größter Beliebtheit und Nachfrage. Chinesische kulturelle Darbietungen und Ausstellungen sind sehr begehrt.

Das moderne China eröffnet neue Hoffnungen und Chancen für eine friedliche Entwicklung in Asien und der Welt.

Aufklärung ist erforderlich! Aufklärung statt einseitiger Berichterstattung.

Gehen wir auf China zu!
Öffnen wir uns also gegenüber dem erwachenden Drachen im Fernen Osten!

Die westliche Geschäftswelt hat dies längst getan.


Jürgen Heiducoff

Der Autor lebt nach fast 40 Jahren Dienst als Offizier in der NVA und Bundeswehr regelmäßig in China - hautnah an der Basis, in den Familien guter Freunde.
Er kennt das Land nicht nur aus der touristischen Perspektive, aus der Hauptstadt oder aus deutschen Unternehmen und Einrichtungen.

Anmerkungen/Quellen:

(1) http://www.china-botschaft.de/det/zgyw/t1082560.htm

(2) http://german.china.org.cn/pressconference/2013-04/17/content_28570003.htm

(3) F. Mayer-Kuckuck, China will raus aus US-Anleihen - kann aber nicht, vom 09.08.2011, unter:
   http://www.handelsblatt.com/finanzen/boerse-maerkte/anleihen/china-will-raus-aus-us-anleihen-kann-aber-nicht/4475458.html?p4475458=all.

(4) http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/weltwirtschaft-china-will-fuehrung-im-pazifikraum-uebernehmen-12607892.html

(5) http://german.beijingreview.com.cn/german2010/Video/2012-03/19/content_442359.htm

(6) http://news.xinhuanet.com/english/indepth/2013-10/13/c_132794246.htm

(7) http://www.foreignpolicy.com/articles/2011/10/11/americas_pacific_century

(8) http://de.rian.ru/politics/20120406/263284572.html

(9) www.sipri.org/yearbook/2013

(10) http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Aktuelle_Artikel/China/091116-Staatsministerin%20Pieper%20in%20Peking_node.htm

(11) http://www.fueakbw.de/lehre/militaerische-lehrgaenge/lehrgruppe-lehrgang-generalstabs-admiralstabsdienst-international-europaeische-sicherheit-lgrp-lgai-esich/

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Quelle:
© 2013 by Jürgen Heiducoff
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Oktober 2013