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STANDPUNKT/842: Venezuela - "Den Zusammenbruch beschleunigen" (german-foreign-policy.com)


Informationen zur Deutschen Außenpolitik - 25. Februar 2019
german-foreign-policy.com

"Den Zusammenbruch beschleunigen"


BERLIN/WASHINGTON/CARACAS - Nach dem Scheitern der ersten Durchbruchsversuche mit vorgeblichen Hilfstransporten an der venezolanischen Grenze erhöhen Washington, Berlin und Brüssel den Druck auf Caracas. Das "Maduro-Regime" müsse "seine Blockade aufgeben", verlangt Bundesaußenminister Heiko Maas, während sein US-Amtskollege offen mit einem US-Überfall auf Venezuela droht. Auch eine Verschärfung der Sanktionen gegen das Land ist in Washington und in Brüssel im Gespräch. Um den gewünschten Umsturz in Caracas zu erreichen, sei es "vielleicht die beste Lösung, den Zusammenbruch zu beschleunigen", äußert ein einstiger US-Botschafter in Venezuela: Dazu müsse man bereit sein, die Notlage der Bevölkerung mit Sanktionen drastisch zu verschlimmern. Bereits das jetzige westliche Vorgehen bricht - unter anderem mit Aufrufen zum Putsch in Caracas - internationales Recht sowie eherne Grundsätze humanitärer Hilfe. Debatten venezolanischer Umstürzler, wie "Lösungen für Venezuelas Drama" erreicht werden könnten, werden auch von der Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU) organisiert.

Rechtsbrüche

Mit ihrer Unterstützung für die Durchbruchsversuche an Venezuelas Grenze haben die Bundesregierung und die Regierungen weiterer westlicher Mächte in gleich mehrfacher Weise grundlegende Normen des internationalen Rechts sowie eherne Grundsätze der humanitären Hilfe gebrochen. Bereits bei den Durchbruchsversuchen selbst hat es sich um einen offenen Angriff auf die venezolanische Souveränität gehandelt; beteiligt waren mit USAID zumindest eine US-Regierungsorganisation sowie mit der kolumbianischen Polizei, welche die Demonstranten an die Grenze eskortierte und sie Berichten zufolge teilweise steuerte [1], die Repressionsorgane des Nachbarlandes. Hinzu kommen anhaltende, auch von Berlin unterstützte Aufrufe zum Putsch; am Samstag appellierten die rechtsgerichteten Präsidenten Kolumbiens, Chiles und Paraguays sowie der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten an die venezolanischen Streitkräfte, sich gegen den gewählten Präsidenten ihres Landes zu stellen.[2] Auch dies ist ein Verstoß gegen die venezolanische Souveränität und spricht darüber hinaus jeglichem demokratischen Anspruch Hohn.

Humanität und Neutralität

Hinzu kommt, dass der Durchbruchsversuch eherne Grundsätze der humanitären Hilfe bricht, die offiziell auch die Bundesrepublik anerkennt. So heißt es auf der Website des Auswärtigen Amts, es müsse bei humanitärer Hilfe der "Grundsatz der Unabhängigkeit" eingehalten werden: Demnach müsse man "eine Trennlinie zwischen humanitären Zielen einerseits und politischen, militärischen, wirtschaftlichen oder sonstigen Zielen andererseits" ziehen.[3] "Der einzige legitime Zweck der humanitären Hilfe" dürfe es sein, "Leiden zu lindern". Das war bei den Durchbruchsversuchen an der venezolanischen Grenze, die von offenen Putschforderungen begleitet wurden, erkennbar nicht der Fall. Der Bruch mit einem der elementarsten Grundsätze humanitärer Hilfe hat jetzt zum Konflikt mit dem Roten Kreuz und mit der Caritas geführt: Beide haben es abgelehnt, sich an dem Durchbruchsversuch zu beteiligen. "Die Tätigkeit des Roten Kreuzes gründet auf zwei Prinzipien: Humanität und Neutralität", erklärt der Präsident der Internationalen Förderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften, Francesco Rocca; seine Organisation sei nicht bereit, ihre Neutralität preiszugeben.[4] Tatsächlich müsste das Rote Kreuz andernfalls damit rechnen, als Konfliktpartei wahrgenommen und unter Umständen sogar angegriffen zu werden. Das wäre für humanitäre Hilfe in künftigen Konflikten fatal.

"Mehr Sanktionen"

Ohnehin entlarvt sich die Behauptung der westlichen Mächte, humanitäre Hilfe leisten zu wollen, von selbst. Wäre es etwa Deutschland, der EU und den USA daran gelegen, die Lebensverhältnisse der Menschen in Venezuela zu verbessern, dann wäre die Aufhebung der Sanktionen der leichteste Schritt. Tatsächlich kündigt Washington bereits eine weitere Verschärfung an: Es müsse nun "mehr Sanktionen" geben, fordert US-Außenminister Mike Pompeo.[5] Die Logik dahinter hat kürzlich der ehemalige US-Botschafter in Venezuela, William Brownfield, erläutert. Demnach sei es im Kampf für einen Umsturz in Venezuela "vielleicht die beste Lösung, den Zusammenbruch zu beschleunigen". Dazu könnten Sanktionen dienen. Allerdings müsse man sich im Klaren darüber sein, dass das harte Auswirkungen "auf Millionen und Abermillionen von Menschen" haben werde, "die schon jetzt große Schwierigkeiten haben, genug zu essen aufzutreiben, gesund zu werden, wenn sie krank sind, oder Kleidung für ihre Kinder zu finden, bevor sie zur Schule gehen".[6] "Wir müssen die harte Entscheidung treffen", verlangte Brownfield offen: "Das gewünschte Ergebnis" rechtfertige auch Grausamkeiten gegenüber der Bevölkerung allemal.

"Alle Optionen"

Ohne Rücksicht auf die venezolanische Bevölkerung, die inmitten der Umsturzbemühungen der westlichen Mächte quasi zur Geisel zu werden droht, haben auch Berlin und die EU gestern ihren Druck auf Caracas weiter verschärft. So hat die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini erklärt, die venezolanischen Sicherheitskräfte müssten es unterlassen, "Gewalt anzuwenden".[7] Außenminister verlangt, "das Maduro-Regime" müsse "endlich seine Blockade aufgeben". Die Forderungen erfolgen, während Washington die Lage weiter zuspitzt und erneut offen mit Krieg droht. US-Präsident Donald Trump hat mehrfach einen Überfall auf Venezuela zu einer gangbaren "Option" erklärt.[8] Gestern hat US-Außenminister Pompeo bekräftigt: "Alle Optionen sind auf dem Tisch."[9] Schon seit Wochen weisen nicht nur kubanische Stellen, sondern auch US-Medien darauf hin, dass die US-Streitkräfte ihre Aktivitäten in relativer Nähe zu Venezuela inzwischen verstärkt haben.[10] Am Wochenende hat sich nun auch der venezolanische Umstürzler Juan Guaidó gegebenenfalls für einen US-Militäreinsatz offen erklärt. Vor einem für heute angekündigten Treffen mit einer Reihe rechtsgerichteter Staatsoberhäupter Lateinamerikas und US-Vizepräsident Mike Pence ließ er mitteilen, Washington solle "alle Optionen" in Betracht ziehen.[11]

Debatten organisiert

Berichten zufolge ist die Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU) in die Bemühungen um den Sturz von Präsident Maduro sowie um die internationale Absicherung des Umsturzes involviert. So berichtet der nach Kolumbien geflohene venezolanische Oppositionsaktivist Antonio Ledezma, man sei "in der Debatte über die Krise und Lösungen für Venezuelas Drama": "Diese organisiert die Konrad-Adenauer[-Stiftung]."[12] Gemeint ist offenkundig die Außenstelle der Stiftung in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá.

"Auf der falschen Seite der Geschichte"

Darüber hinaus bemüht sich der Repräsentant der Adenauer-Stiftung in Pretoria, die westlichen Umsturzbemühungen in Venezuela nun auch in Südafrika zu flankieren. Hintergrund ist, dass die südafrikanische Regierung den venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro weiterhin anerkennt und auch in der südafrikanischen Öffentlichkeit Kritik an der Umsturzpolitik laut wird. So hieß es kürzlich in einem Kommentar in der Wochenzeitung Mail & Guardian: "Die USA setzen die internationale Ordnung aufs Spiel." Der deutsche Stiftungs-Repräsentant erhebt schwere Vorwürfe gegen diese Position und gegen die Haltung der Regierung in Pretoria. "Während der Apartheid haben südafrikanische Freiheitskämpfer zu Recht alle kritisiert, die Beziehungen zur südafrikanischen Regierung aufrechterhielten", erklärt er in einem Debattenbeitrag: "Jetzt steht die ANC-geführte Regierung ihrerseits auf der falschen Seite der Geschichte."[13] Südafrika müsse stattdessen "eine konstruktive Rolle spielen" und die Umsturzversuche in Caracas unterstützen.


Mehr zum Thema:
Aufforderung zum Putsch.
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7856

Anmerkungen:

[1], [2] Philipp Zimmermann: Venezuela: Humanitäre Intervention von Anti-Maduro-Koalition vorerst gescheitert. amerika21.de 24.02.2019.

[3] Grundlagen der humanitären Hilfe. auswaertiges-amt.de 07.11.2018.

[4] Ciara Nugent: Dueling Concerts and Blocked Humanitarian Aid: What to Know About the Showdown at the Venezuelan Border. time.com 22.02.2019.

[5] Caroline Kelly: Pompeo says more sanctions on Venezuela to come. edition.cnn.com 24.02.2019.

[6] Jeremy Scahill: Pox Americana: Vijay Prashad on Venezuela, India, Mexico, Congo, and U.S. Hegemony. theintercept.com 10.02.2019.

[7] EU: Maduro soll Hilfslieferungen nicht länger blockieren. br.de 24.02.2019.

[8] Sarah Westwood, Devan Cole: Trump says use of military force in Venezuela is still on the table. edition.cnn.com 03.02.2019.

[9] Rebecca Morin: Pompeo keeps open military option for Venezuela. politico.com 24.02.2019.

[10] Tom Rogan: American military power is quietly massing near Venezuela. washingtonexaminer.com 13.02.2019.

[11] Harriet Alexander, Rozina Sabur, Chris Graham: Venezuela's Juan Guaido says "all options open" after soldiers set fire to aid convoys in deadly border clashes. telegraph.co.uk 24.02.2019.

[12] Ledezma: La ayuda humanitaria solo aliviará penurias y salvará vidas. el-nacional.com 08.02.2019.

[13] Henning Suhr: South Africa vs People of Venezuela. dailymaverick.co.za 30.01.2019.

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Quelle:
www.german-foreign-policy.com
Informationen zur Deutschen Außenpolitik
E-Mail: info@german-foreign-policy.com


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2019

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