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LAIRE/1069: Warnung vor sozialen Unruhen wirkt systemstärkend (SB)


Vorwurf der Panikmache an Sommer und Schwan unbegründet


Helle Aufregung im Hühnerstall: DGB-Chef Michael Sommer hat's getan. Er hat gesagt, was jeder weiß: Soziale Unruhen als Folge der Wirtschaftskrise sind in Deutschland nicht mehr auszuschließen. Ähnliches erklärte auch Gesine Schwan, SPD-Kandidatin für das höchste Amt der Bundesrepublik. Dabei stützen sich beide auf einen breiten Konsens unter Sicherheitspolitikern wie dem deutschen Innenminister Wolfgang Schäuble und seinen europäischen Amtskollegen, die nach den jüngsten Massenprotesten und Unruhen in Europa rege Aktivitäten entfaltet haben und sich austauschen, um mit neuen Repressionsmitteln den Gefahren für die vorherrschende Ordnung präemptiv zu begegnen.

Die isländische Regierung mußte in der Folge von Unruhen zurücktreten, in Polen, Rumänien, den baltischen Republiken, aber auch in Athen, London, Paris und anderen Städten kam es in jüngster Zeit zu Massenprotesten, unter anderem wegen des unverkennbaren Zusammenhangs zwischen staatlich verordneten Verarmungsprogrammen und der milliardenschweren Unterstützung vermeintlich unverzichtbarer Banken und anderer Spekulationsbetriebe.

Bundeskanzlerin Merkel, die Schwans Sorgen nicht teile, wie Regierungssprecher Ulrich Wilhelm betonte, ist der Ansicht, "daß niemand einen Beitrag leisten sollte, in dieser Diskussion die Menschen zu verunsichern". Da stellt sich die Frage, wer verunsicherter ist, derjenige, der demonstriert, oder derjenige, der zu Hause bleibt. Wer auf die Straße zieht und damit seiner Kritik an den bestehenden Verhältnissen eine Stimme verleiht, kann wohl kaum verunsichert sein. Wenn, dann findet die Verunsicherung vorher statt, also bei denjenigen, die zu Hause sitzen und feststellen, daß sie bloße Manövriermasse für die herrschende Klasse sind. Jedenfalls erwecken die Teilnehmer der meisten Demonstrationen keinen verunsicherten Eindruck, sie scheinen sich ihres Anliegens sogar häufig sehr sicher zu sein.

Auch Bezeichnungen wie "Panikmache", wie sie in der konservativen Presse als mutmaßliche Kritik an Sommer und Schwan verbreitet werden, greifen insofern nicht, als daß die Panik nicht von denen gemacht wird, die auf bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen aufmerksam machen, sondern von denen, die diese Entwicklungen zu verantworten haben.

Schwan und Sommer sind selbstverständlich keine Revolutionäre, sie verfolgen im wesentlichen Partei- bzw. berufsständische Interessen, wenn sie vorsichtig an einem Tabu rühren. Sie üben keine Systemkritik, geschweige denn daß sie angetreten wären, das System samt ihren Trägern aus den Angeln zu heben. Eigentlich sind sie sogar die besseren Sachwalter der vorherrschenden Ordnung, da sie den Eindruck erwecken, daß Gewerkschaft und Politik die Not der Menschen zumindest zur Kenntnis nimmt. Deshalb bleibt festzustellen: Mit der Warnung vor sozialen Unruhen wird keine Panik erzeugt, sondern es wird zu beruhigen versucht.

24. April 2009