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LAIRE/1116: Geostrategische Zuspitzung - USA streichen Mondprogramm (SB)


Konzentration aufs "Kerngeschäft"?

US-Präsident Obama streicht das Programm für bemannte Mondmissionen


Die schon im Wahlprogramm von US-Präsident Barack Obama angekündigte Verschiebung des Schwerpunkts für künftige Raumfahrtmissionen soll am heutigen Montag offiziell bekanntgegeben werden. Als wichtigste Neuerung bei der Festlegung des NASA-Budgets für 2011 gilt, daß darin keine Gelder für das Mondprogramm der Vorgänger-Administration vorgesehen sind.

Vor rund sechs Jahren hatte US-Präsident George W. Bush das Ziel ausgewiesen, daß die USA bis 2020 zum Mond zurückkehren sollen. Darüber hinaus entwarf er die Vision des Baus einer permanenten Mondstation und eines bemannten Flugs zum Mars. Damit wollte er an den Aufbruch- und Gründungsmythos anknüpfen, der nach wie vor eine große Bedeutung im Selbstverständnis zumindest der weißen US-Bürger und Eliten einnimmt. Daß die Eroberung Nordamerikas durch die europäischen Auswanderer auf dem Genozid an der ursprünglichen Bevölkerung, einer bis heute anhaltenden kulturellen Vernichtung der Restbestände ihrer erfolgreich folklorisierten Lebensweise sowie durch den Massenimport von Sklaven aus einem anderen Kontinent beruht, will man nichts wissen.

Mit der Eroberung des Weltalls wollte Bush das Volk hinter sich bringen und seine irdischen imperialistischen Raubzüge ideologisch absichern. Obama steht für eine neue Generation, mit neuen Formen des alten Strebens. Er folgt dem Rat einer Expertengruppe, läßt der NASA 5,9 Milliarden Dollar mehr zukommen, aber verlegt den Schwerpunkt auf den Weiterbetrieb der Internationalen Raumstation ISS über 2015 hinaus, die Einbindung von Privatunternehmen, die gegebenenfalls die Lücke aufgrund der Beendigung des Space-Shuttle-Programms füllen, sowie auf robotische Flüge zur weiteren Erkundung des Sonnensystems.

Der neue US-Präsident verabschiedet sich somit nicht grundsätzlich von der Weltraumfahrt, sondern er verzichtet auf den visionären Charakter, mit dem sein Vorgänger zu punkten bemüht war. Obama ist der nüchternere von beiden, trotz seiner "Change"- und "Yes we can"-Rhetorik, die vor einem Jahr einen wichtigen gesellschaftlichen Kitt bildete in Anbetracht der allgemeinen Unzufriedenheit ob des zunehmenden Mangels und der Verarmung. Die Arbeitslosigkeit ist auf neue Höhen gestiegen, die Zahl der Einwohner, die keinen Krankversicherungsschutz genießen, wächst ebenfalls, und noch nie zuvor gab es so viele Anspruchsberechtigte des Nationalen Food-Stamps-Programms. All diese Entwicklungen wurden schon unter Bush (und zuvor unter Bill Clinton) eingeleitet und ließen ein innergesellschaftliches Konfliktpotential entstehen, aus dem der Hoffnungsträger Obama zunächst einmal die Luft herauslassen konnte.

Die Vision von der Eroberung des Alls durch die Menschen (sprich: die USA) wird von ihm ersetzt durch eine sachbezogene Herangehensweise. Weltraumprogramme sind wichtig, um den technologischen Vorsprung zu wahren und die Vorherrschaft im All erfolgreich gegenüber Konkurrenten wie Rußland, China, Indien, etc. zu verteidigen. Bei allen Projekten der NASA wird geprüft, ob sich Kooperationen mit dem Militär anbieten, viele Vorhaben fallen unter die Kategorie "double use", da sie zivile wie militärische Interessen bedienen. Obama hat irdischere Probleme zu lösen als Bush, denn es stehen wirtschaftlich unsichere Zeiten bevor. Es könnte zu Verschiebungen des geopolitischen Gefüges kommen, bei dem die USA, wenn sie sich überstrecken (bildlich gesprochen: durch bemannte Flüge zum Mond und darüber hinaus), Angriffspunkte liefern und an Durchsetzungsfähigkeit verlieren. Wohingegen Weltraumaktivitäten im erdnahen Orbit und die technologische Weiterentwicklung von mehr als früher auf sich allein gestellter robotischer Fernerkundungssysteme einen direkten Nutzen für die hegemonialen Ambitionen der Vereinigten Staaten abwerfen.

31. Januar 2010