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LAIRE/1222: Feigenblatt Entwicklungshilfe (SB)


Bundesregierung will Entwicklungshilfe-Einrichtungen zusammenführen


... und er hat einen Plan. Es ist Plan B, nachdem die vollständige Abschaffung des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) außer Reichweite lag: FDP-Minister Dirk Niebel will das von ihm übernommene Ministerium umbauen und hat dazu eine Reihe von in der Entwicklungspolitik wenig, dafür in militärischen Belangen bestens erfahrenen Personen an leitende Positionen gesetzt. Es hat den Anschein, als solle aus dem BMZ ein schlagkräftiges Instrument deutscher Hegemonialinteressen werden. Dazu paßt es, daß die Zergliederung der Ausführungsorganisationen der deutschen Entwicklungshilfe beendet werden soll.

Die Entwicklungshilfe wird derzeit von den drei Organisationen GTZ (Gesellschaft für technische Zusammenarbeit - weltweit 16.000 Beschäftigte), DED (Deutscher Entwicklungsdienst - 300 Beschäftigte) und die Weiterbildungsgesellschaft Inwent (800 Beschäftigte) betrieben. Sie sollen nun unter ein administratives Dach kommen. Als viertes könnte auch noch die KfW Entwicklungsbank genannt werden, die schwerpunktmäßig Entwicklungsprojekte finanziert, doch bleibt diese weiterhin eigenständig. Zunächst jedenfalls. Als Schirmherren der Projekte der drei Institutionen treten mehrere Bundesministerien auf, teils werden die Projekte auch von einzelnen Bundesländern betrieben. Dabei kommt es nach Einschätzung von Regierung und Opposition zu unnötigen Überschneidungen, Kompetenzgerangel und einer uneinheitlichen Außendarstellung.

Mit weniger Verwaltung mehr erreichen, könnte das Motto lauten, mit dem die Entwicklungsorganisationen zusammengeführt werden, so wie es auch im Koalitionsvertrag beschlossen wurde. Problematisch bleibt jedoch, daß Deutschland nicht einmal seine Zusage, 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts für die Entwicklungshilfe bereitzustellen, einhält und daß von einem liberalen Minister, der wegen der breit angelegten Hinzuziehung externer Mitarbeiter in leitende Funktionen in die Kritik geriet, zu erwarten ist, daß am Ende vielleicht ein eng gestrafftes Ministerium dabei herauskommt, aber daß es zu einem Monolithen mutiert, der Mittel mehr denn je nach rein utilitaristischen Kriterien vergibt.

Die heutige Entwicklungshilfe besitzt zwar nicht mehr den Charakter paternalistischer Bevormundung, aber auch die Entwicklungszusammenarbeit auf Augenhöhe, wie sie inzwischen propagiert und von den Beteiligten in den genannten Organisationen in der Regel auch angestrebt wird, erfüllt eine systemische Funktion als Befriedungsmittel. Das wird an einem einfachen Beispiel deutlich: Wenn deutsche Entwicklungshelferinnen oder -helfer in Kenia einen Brunnen bohren und den Bewohnern eine Pumpe zur Verfügung stellen, so daß sie auch in Zeiten der Dürre und des mangelnden Oberflächenwassers an das kostbare Naß gelangen, dann bedeutet das für die Menschen vor Ort ohne Abstriche ein Zugewinn an Lebensqualität. Sie sind befristet zufrieden und halten still. Entscheidend für die Funktion der Entwicklungshilfe ist jedoch, was NICHT geleistet wird.

Der relative Reichtum der bundesrepublikanischen Gesellschaft wie allgemein Westeuropas, der technologische Vorsprung auf Gebieten der Energieversorgung, Mobilität, Medizin, der Nahrungsproduktion, Rüstung, etc. wäre ohne die Eroberung und jahrhundertelange Ausbeutung der übrigen Welt nicht zustande gekommen. Allzu leicht gerät in Vergessenheit, daß es die Europäer waren, die ganze Kontinente erobert und mit Mann und Maus ihren Verwertungsinteressen unterworfen haben. Hierbei handelt es sich um keinen historisch abgeschlossenen Vorgang, denn über die Wertschöpfungskette, die globale Gültigkeit besitzt, werden Armutsländer arm und Wohlstandsländer reich gehalten. Das schließt innergesellschaftliche Widersprüche der Wohlstandsregionen nicht aus. Im Gegenteil, Arm und Reich innerhalb Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, der USA, etc. spiegeln treffend den internationalen Nord-Süd-Widerspruch wider.

Durch Entwicklungshilfe, wie sie jetzt in Deutschland gebündelt werden soll, wurde dieser fundamentale Widerspruch der gesellschaftlichen Wirklichkeit nicht behoben, sondern verschleiert. Mittels staatlicher Entwicklungshilfeeinrichtungen wurde und wird die Dauerperspektive aufrechterhalten, als existiere ein quasinatürlicher Antrieb, der aus einem Entwicklungsland einen Industriestaat macht, und es wird das Versprechen genährt, daß diejenigen, die den Vorgang bereits hinter sich haben, nun über die staatlich organisierte Zusammenarbeit anderen dabei helfen wollen, diese Entwicklung zu beschleunigen. Bei diesem Glaubenssatz werden die Interessen der das Geschehen beherrschenden Akteure ignoriert, ihre Zwangsmittel verkannt und die Ergebnisse ihrer Politik schöngeredet.

Wenn nun eine Partei wie die FDP geglaubt hatte, auf die Funktion eines deutschen Entwicklungshilfeministeriums verzichten zu können, dann galt der Verzicht nicht der Beschwichtigungsfunktion an sich, sondern den institutionellen Strukturen, die eine gewisse Eigenständigkeit entwickelt und sich die Vorstellung bewahrt haben, daß die Aufgabe der Hilfeleistung ernst zu nehmen sei.

So könnte am Ende der Zusammenführung der Entwicklunghilfeeinrichtungen ein börsennotiertes, profitorientiertes Unternehmen namens "Deutsche Entwicklungspartnerschaftspolitik" (DEPP) stehen, mit einem Wirtschaftsliberalen als CEO und einem Mindesjahresumsatz von 1,5 Mrd. Euro, das noch daran verdient, wenn es afrikanischen Kindern EU-subventioniertes Magermilchpulver eintrichtert oder im Rahmen einer Public-Private-Partnership in Trockengebieten Bezahlautomaten als Wasserspender aufstellt.

Übertrieben? Vielleicht ein bißchen, aber es liegt in der Verwertungslogik, daß ein Plan B zur nicht durchsetzbaren Abschaffung des BMZ so oder so ähnlich aussehen wird. Jetzt liegt es nicht zuletzt in den Händen von GTZ, DED und Inwent, ob sie sich gegeneinander definieren und darüber ausspielen lassen, oder ob sie ihren Einfluß auf die Umstrukturierung ihrer Institutionen dahingehend nutzen, daß sich Entwicklungszusammenarbeit künftig sogar mehr als bisher an den Interessen derjenigen orientiert, für deren Nutzen sie vorgeblich gedacht ist.

24. März 2010