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LAIRE/1271: Globalhegemon USA strebt volle Überwachung des Weltraums an (SB)


Militarisierung des Alls durch die USA

DARPA entwickelt innovatives Teleskop zur Überwachung des Orbits


Die von der internationalen Gemeinschaft mit Ausnahme der Vereinigten Staaten von Amerika strikt abgelehnte Militarisierung des Weltraums schreitet unablässig voran. Die US-Strategen machen keinen Hehl daraus, daß sie eine "full spectrum dominance" anstreben, also die globale Vorherrschaft zu Wasser, Land, in der Luft und im Weltraum. Dieser globalhegemoniale Anspruch fordert alle anderen Staaten, die sich nicht den USA unterordnen wollen, heraus, mit Blick auf zukünftige Weltraumkonflikte aufzurüsten.

Nicht alle weltraumtechnologischen Innovationen tragen das Signum des Militärs, und nicht immer ist bei Neuerungen auf Anhieb zu erkennen, daß der zivile Nutzen nachrangig behandelt wird oder daß sich über die eigentliche Funktion hinaus ein weiterer militärischer Verwendungszweck eines Systems ergibt. So überschreibt das Wissenschaftsmagazin "Nature" [1] vergangene Woche eine Meldung über ein neues Teleskop mit "Telescope will track space junk", als ginge es allein um die Beobachtung und Verfolgung von Weltraummüll.

Zwar stellt die zunehmende Vermüllung des Weltraums durch ausgebrannte Raketenstufen, havarierte Satelliten, Treibstoffreste, Trümmerteile, etc. tatsächlich eine Bedrohung für sämtliche Weltraumsysteme dar, aber die Entwicklung des beschriebenen neuen Space Surveillance Telescope (SST) wird nicht zufällig von der führenden Ideenschmiede und Tüftlerwerkstatt des US-Militärs, der DARPA (US Defense Advanced Research Projects Agency), vorangetrieben. Zur Durchsetzung der Weltraumhegemonie, der "dominance in space", kann auf sogenannte State-of-the-art-Technologien für umfassende Überwachungsfunktionen nicht verzichtet werden. Da reicht das bestehende Space Surveillance Network (SSN), bei dem von verschiedenen Orten aus Geschwindigkeit und Richtung von rund 22.000 orbitalen Objekten laufend erfaßt werden, nicht mehr aus.

Innerhalb der nächsten sechs Monate soll das SST so weit sein, daß es einen Bereich des Alls beobachtet, in dem sich die meisten geostationären Satelliten befinden, als rund um den 35.000-Kilometer-Orbit. Neun Jahre hat die Entwicklung des SST gedauert, 110 Millionen Dollar ließ sich das US-Militär die neue Anlage, die viel lichtschwächere Objekte zu erfassen vermag als die bisherigen Beobachtungsplattformen des SSN, kosten. Sollte sich das neue Teleskop bewähren, werden weitere Exemplare rund um den Globus aufgestellt, um am Ende eine 360-Grad-Überwachung zu ermöglichen.

Der Prototyp steht auf dem weitläufigen Raketenabwurfplatz White Sands Missile Range in der Nähe von Socorro, US-Bundesstaat New Mexico. Für zivile Forscher sei das SST nicht vorgesehen, stellte Joseph Gambrell, leitender Mitarbeiter des Air Force Space Command, in dem "Nature"-Bericht klar. Aber ein Teil der Daten könnte vielleicht auf einer vom US Strategic Command (dem das Weltraumkommando untergeordnet ist) betriebenen Website eingesehen werden.

Aus militärischer Sicht besteht das grundsätzliche Interesse daran, die eigenen weltraumgestützten Systeme schützen und die gegnerischen ausschalten zu können. Die letzten Kriege, die die USA und ihre NATO-Verbündeten vom Zaun gebrochen haben, richteten sich gegen militärisch sehr viel schwächere Staaten: Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Libyen. Auf dem Gebiet der Weltraumwaffen (und nicht nur dort) hatten bzw. haben diese Staaten den USA nichts entgegenzusetzen. Doch wie ist es mit China? Der frühere US-Vizeverteidigungsminister Paul Wolfowitz stellte bereits in den neunziger Jahren fest, daß sich ein Waffengang mit China kaum vermeiden lasse und daß dieser um so schwieriger zu gewinnen sein werde,je länger die USA zögerten.

Washingtons Strategen bereiten sich rüstungstechnologisch auf solch einen großen Krieg - der auch gegen Rußland geführt werden könnte - vor, ob er dann angefangen wird oder nicht. Dazu ist es erforderlich, die eigenen Satelliten beispielsweise gegenüber angreifenden "Killersatelliten" zu schützen. Es gibt Konzepte, Minisatelliten zu bauen und zu programmieren, damit sie sich an andere Satelliten anheften und dieses ausschalten. Einen solchen Angriff abzuwehren, ist technologisch schwierig, aber je genauer der Weltraum überwacht werden kann, desto besser die Erfolgschancen. Das bedeutet aber, daß das erdgebundene SST aus der Sicht der Militärs anderer Staaten schlicht und ergreifend Bestandteil der Aufrüstung des Weltraums ist.

Darüber hinaus könnte das SST dazu verwendet werden, eigene "Killersatelliten" genauer ins Zielgebiet zu lotsen, und hier kommt das Mini-Shuttle ins Spiel, das unbemannte Experimentalraumschiff X-37B. Die US-Luftwaffe schweigt sich über den genauen Verwendungszweck dieser fünf Tonnen schweren, 8,90 Meter langen Raumfähre aus. Darum bleibt nur zu spekulieren. Experten nehmen an, daß X-37B in der Lage ist, Satelliten auszusetzen. Könnte es sich um "Killersatelliten" handeln? Das wäre eine naheliegende Vermutung, die um so plausibler erscheint, je vehementer sich die USA gegen eine internationale, rechtsverbindliche Ächtung von Weltraumwaffen sträuben. Diese Beharrlichkeit legt nur jemand an den Tag, der vorhat, anderen Staaten nicht auf Augenhöhe, sondern von oben herab zu begegnen. Das neuartige Weltraumüberwachungsteleskop fügt sich nahtlos in die Strategie der USA ein, ihre hegemonialen Ziele auch vom Weltraum aus zur Durchsetzung zu verhelfen.


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Quelle:
[1] http://www.nature.com/news/2011/110422/full/news.2011.254.html?WT.ec_id=NEWS-20110426

27. April 2011