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LAIRE/1282: Das pazifische Jahrhundert - US-Regierung forciert Vorstoß gegen China (SB)


US-Regierung sendet Salve an Attacken gegen die Volksrepublik China

Erster US-Militärstützpunkt in Australien


Angesichts von über 700 Militärbasen in Übersee könnte man annehmen, daß die Einrichtung eines weiteren Stützpunkts der USA, diesmal auf dem australischen Kontinent, keiner besonderen Erwähnung bedarf. Und doch ist der Vorgang Ausdruck einer neuen Phase, mit der die Vereinigten Staaten ihre imperialistischen Ambitionen in Handlungen umsetzen. Dabei wird regelmäßig über Bande gespielt, was in diesem Fall bedeutet, daß der Stützpunkt, der in der nordaustralischen Stadt Durban eingerichtet und im nächsten Jahr mit 2500 Soldaten besetzt sein soll, gegen China gerichtet ist. China deshalb, weil es erstens über Atomwaffen verfügt, die den USA gefährlich werden könnten, weil es zweitens die asiatische Führungsmacht ist und drittens wirtschaftlich stärker und stärker wird. Der allgemeine Ressourcenmangel, insbesondere bei fossilen Energieträgern, und die zu erwartenden Naturkatastrophen infolge des Klimawandels, geben das Bühnenbild, vor dem sich dieser Konflikt abspielt.

Bereits in den 1990er Jahren hatte der spätere US-Vizeverteidigungsminister und Irakkriegarchitekt Paul Wolfowitz in einer politischen Analyse geschrieben, daß eine Auseinandersetzung zwischen den USA und China unvermeidlich ist und daß sie auch militärisch geführt wird. Deshalb sei es für die USA vorteilhafter, China gar nicht erst erstarken zu lassen, sondern die Auseinandersetzung frühzeitig zu suchen. Genau das findet zur Zeit statt. Von Wolfowitz, der zwischenzeitlich auf den Posten des Weltbankchefs gehievt wurde, ist zur Zeit wenig zu hören, aber er stand mit seiner Einschätzung nicht allein da.

Die Zerstörung der chinesischen Botschaft in Belgrad 1999 durch eine Lenkwaffe der USA während des Angriffs der westlichen Alliierten auf Restjugoslawien dürfte unter chinesischen Analysten die allerletzten Zweifel an den Absichten der Abendländer hinweggefegt haben. Seitdem rüstet China unter Hochdruck auf - liegt technologisch und hinsichtlich der Rüstungsausgaben aber noch weit, weit hinter den USA zurück -, hat in den letzten zehn Jahren umfangreiche Handelsbeziehungen vor allem mit afrikanischen Staaten aufgebaut und unermüdlich US-Staatsanleihen aufgekauft. Damit hat es einerseits den US-amerikanischen Bellizismus mitfinanziert - Kriegsaufnahme gegen Afghanistan (2001) und Irak (2003) -, andererseits sich ein mutmaßliches Faustpfand in Form von 1,3 Billionen Dollar Schulden der USA erwirtschaftet.

Aber das läßt sich nicht einfach in Stellung bringen, zumindest nicht, ohne sich selbst dabei massiv zu schädigen. Würde China anfangen, im großen Stil Dollar abzustoßen, könnte die insgesamt kippelige Weltwirtschaft vollends außer Kontrolle geraten und es zu einem rapiden Wertverlust des Dollar kommen. Das wäre weder im Interesse der USA noch Chinas. Andererseits unternimmt die US-Regierung derzeit einiges dafür, daß der Dollar an Wert verliert, weil sich dadurch die Schulden in Luft auflösen und in der Zeit der Krise sogar heimische Arbeitsplätze geschaffen werden. In die gleiche Richtung zielen auch die Attacken der US-Regierung gegen China, es müsse seine Währung aufwerten. Das würde den Dollar vergleichsweise billiger machen.

US-Präsident Barack Obama hat nun vor dem australischen Parlament eine Ansprache gehalten, die in den Ohren der chinesischen Regierung wie eine Brandrede geklungen haben muß. Man werde die notwendigen Ressourcen aufbringen, um in dieser Region eine starke militärische Präsenz zu zeigen, sagte Obama, und fuhr fort: "Wir werden unsere einzigartige Fähigkeit der Machtprojektion bewahren und Bedrohungen des Friedens abschrecken. (...) Und wir werden unsere Fähigkeiten kontinuierlich ausbauen, um den Notwendigkeiten des 21. Jahrhunderts zu begegnen. Unsere dauerhaften Interessen in der Region erfordern unsere dauerhaften Anwesenheit in der Region. Die Vereinigten Staaten sind eine pazifische Macht, und wir sind hier, um zu bleiben." [1]

Nicht minder drohende Worte in Richtung China, ohne das Land beim Namen zu nennen, kommen von US-Außenministerin Hillary Clinton. Sie bezeichnete den "asiatischen Pazifik" als das "strategische und ökonomische Gravitationszentrum der Welt im 21. Jahrhundert" und erklärte, daß die USA mit dem Abzug von Kräften aus dem Irak und Afghanistan Bedingungen schafften, die es ermöglichten, "die Investitionen - diplomatischer, wirtschaftlicher, strategischer und auch sonstiger Art - in dieser Region deutlich zu erhöhen". [2]

Wenn die "Kräfte" aus zwei Kriegsgebieten abgezogen werden, um Investitionen "sonstiger Art" im Pazifikraum zu erhöhen - was kann damit nur gemeint sein? Die Konfrontation mit China ist nicht erst in den letzten Jahren entstanden. Der Konflikt geht mindestens bis ins 19. Jahrhundert in die Vorphase des sogenannten Boxeraufstands zurück und hat sich im Laufe der Geschichte nicht gewandelt. Nur die äußeren Bedingungen haben sich geändert. Es gibt mehrere Gründe, warum die USA zum jetzigen Zeitpunkt die Umzingelung der Volksrepublik forcieren. Eine wurde oben schon genannt: China gewinnt nicht nur wirtschaftlich, sondern auch globalpolitisch an Einfluß. Der bevölkerungsreichste Staat der Erde hat das Potential, die Führungsrolle vom wirtschaftlich stärksten Staat zu übernehmen.

Zudem stößt das kapitalistische Verwertungssystem an seine Grenzen, wie die jüngsten Unwuchten der Finanz- und Wirtschaftskrise zeigen. Die Europäische Union hat ihr erklärtes Ziel, zum führenden Wirtschaftsraum der Welt zu werden und den Euro neben den Dollar als Weltwährung zu etablieren, verfehlt. Die Euro-Zone könnte auseinanderbrechen; die Gläubiger treiben ihre Schulden ein, ganze Staaten der EU gelten als pleite. Und aus dem Hinterstübchen sondern die Rating-Agenturen ihr Gift ab, wodurch Volkswirtschaften in den Abgrund gerissen werden. Korrekturversuche der Krise verschaffen immer nur vorübergehend Entspannung, der grundlegende Kurs bleibt.

Ob nun eine neue Weltwährung kommt, wie es von einigen Analysten schon mal vorgeschlagen wird, oder ob das Geld abgeschafft und durch direktere Formen der Währung - beispielsweise Nahrung oder Medizin für Arbeitsleistung - ersetzt wird, oder ob es zu internationalen Waffengängen ultimativer Art mit dem Verlust von zig Millionen Menschenleben kommt, läßt sich im Augenblick nicht absehen. Aber eines ist gewiß, die USA (und mit ihr andere Staaten) verschaffen sich zur Zeit, je nach Vermögen, günstige Ausgangspositionen, um die Umbruchphase in ihrem Sinne überstehen oder aussteuern zu können. Wobei eben wegen der vielen Unwägbarkeiten wohl niemand so genau weiß, welche Entwicklung eingeschlagen wird, und deshalb alle Optionen offengehalten werden müssen.

Man kann davon ausgehen, daß die Ankündigung der Einrichtung eines US-Militärstützpunkts in Australien keine Entscheidung aus dem Bauch heraus war, sondern entsprechende Pläne schon vor Jahren ausgearbeitet wurden. Vielleicht ist es ja Zufall, aber es dürfte sich als vorteilhaft für Washington erwiesen haben, daß nicht Kevin Rudd, sondern Julia Gillard das Amt des Premierministers innehat. Gillard, die eher dem rechten Flügel der Australian Labor Party (ALP) angehört, hat ihren Parteigenossen Rudd, der als politisch links gilt, am 23., 24. Juni 2010 mehr oder weniger aus dem Amt gestoßen. Dem war eine beispiellose Kampagne gegen Rudd, in den Medien und auch der eigenen Partei, vorausgegangen. Dessen Stern sank auf nicht nachvollziehbare Weise innerhalb nur eines halben Jahres von einer extrem hohen Zustimmungsrate in der Bevölkerung auf so tiefe Werte, daß angenommen wurde, die Labor Party werde die für August 2010 angesetzten Parlamentswahlen verlieren.

So stellt sich die Frage, ob die USA auch unter einem Premierminister Kevin Rudd, der fließend Hochchinesisch spricht und gute Beziehungen zum Reich der Mitte unterhält, eine Zustimmung zur Einrichtung eines Militärstützpunkts erhalten hätten. Zwar hatte die Rudd-Administration im Mai 2009 ein neues Weißbuch veröffentlicht, in dem China deutlich als potentielle Bedrohung beschrieben wird. Aber Australien kündigt in dem Weißbuch an, selber eine stärkere militärische Position im asiatischen Raum einnehmen zu wollen. Die Einrichtung eines US-Stützpunkts verleiht der australischen Aufrüstungstendenz eine Note, die deutlich macht, daß Australien den Führungsanspruch der USA im pazifischen Raum anerkennt.

Nun, Rudd ist heute Außenminister, in dieser Position dürfte er nicht ohne Einfluß auf die Entscheidung Australiens zur neuartigen militärischen Kooperation mit den USA gewesen sein. Beide Staaten sind auch an der Trans-Pazifischen Partnerschaft, bei der eine Freihandelszone zwischen zwölf nord- und südpazifischen Anrainernationen geschaffen werden soll, beteiligt - nicht aber China. Das geplante Abkommen hat nicht einfach nur eine Richtung, sondern eine Stoßrichtung. In einem militärischen Konflikt würde man sagen, die USA versuchten Chinas Nachschubwege zu sabotieren - das Wort "Handelskrieg" fiel in den letzten Jahren nicht nur einmal bei den Analysten der amerikanisch-chinesischen Beziehungen.

Der Globale Krieg gegen den Terror, der das zurückliegende Jahrzehnt bestimmt hat, stellt somit ein Vorgeplänkel des eigentlichen Konflikts um Weltführerschaft dar. "Full spectrum dominance" lautet die Kerndoktrin der US-Streitkräfte: Vorherrschaft zu Wasser, Land, in der Luft und im Weltraum. Dabei steht China im Weg. Aber nicht nur China. Der Hegemonieanspruch bezieht sich auch auf inneramerikanische Verhältnisse. Zwar marschieren gegenwärtig noch keine Soldaten gegen die Demonstranten auf, die sich als Occupy-Bewegung formieren, aber das kann noch kommen, sollten die Proteste an Schärfe zulegen. Die US-Eliten bauen ihre Vormachtstellung nicht nur nach außen, sondern auch nach innen aus. Angestrebt wird eine unanfechtbare Position, in der die eigenen Vorteile nicht mehr verteidigt werden müssen, da die Verfügungsgewalt allumfassend ausgebaut wurde.



Anmerkungen:

[1] "Obama Says U.S. Will Maintain Pacific Presence", American Forces Press Service, 17. November 2011
http://www.globalsecurity.org/military/library/news/2011/11/mil-111117-afps03.htm

[2] "APEC-Gipfel: USA setzen China in Handelsfragen unter Druck", WSWS - World Socialist Web Site, 17. November 2011
http://wsws.org/de/2011/nov2011/apec-n17.shtml

18. November 2011