Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → MEINUNGEN

DILJA/1147: Vernichtung bis zum Letzten - Sri Lanka kündigt Tamilen ihr Waterloo an (SB)


Sri Lankas Präsident Rajapakse droht den Tamilen "ihr Waterloo" an

Kapitulation oder Tod - Sri Lankas kriegführende Regierung akzeptiert weder Waffenstillstandsangebote noch politische Verhandlungen


Sri Lankas Präsident Mahinda Rajapakse gab sich am Wochenende siegesgewiß. Mit dem Habitus eines triumphierenden Kriegsherrn vermeintlich längst vergangener Epochen in der Kriegführung der bisherigen Menschheitsgeschichte verkündete er am vergangenen Wochenende auf einer Veranstaltung seiner Freiheitspartei (SLFP), die tamilischen Befreiungstiger stünden vor ihrem Waterloo. Da die Kämpfer der "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) in dem perfiderweise von der srilankischen Regierung als "Schutzzone" ausgewiesenen, aufgrund der Einkesselung durch die srilankische Armee (SLA) auf etwa 20 Quadratkilometer reduzierten Kriegsgebiet ohne Fluchtweg umzingelt sind, bliebe ihnen, so Rajapakse, nur die Kapitulation oder der Selbstmord. Von drei Seiten ist dieses Dschungelgebiet, in dem sich beileibe nicht nur die verbliebenen Befreiungstiger, sondern über einhunderttausend tamilische Zivilisten befinden, durch 50.000 Soldaten der SLA eingeschlossen, und so bliebe den Tamilen als Ausweg nur der Sprung ins Wasser.

In den zurückliegenden drei Monaten - die srilankische Armee intensivierte ihre Großoffensive, nachdem sich im Januar im Gazakrieg herausgestellt hatte, daß die sogenannte internationale Weltgemeinschaft die militärische Vernichtung einer eingekesselten und praktisch wehrlosen Bevölkerung durch eine ihr weit überlegene Militärmaschinerie dulden würde - sind nach Schätzungen eines UN-Repräsentanten rund 4.500 Zivilisten getötet und über 10.000 verwundet worden. Da es für einen solchen Krieg gegen eine Zivilbevölkerung keine völkerrechtlich plausible Rechtfertigung gibt, hat die srilankische Regierung ihre offensichtlich auf die vollständige Liquidierung ihres Gegners abgestellte Militäroffensive von Anfang an mit einer systematischen Desinformationskampagne wie auch einer strikten Pressezensur begleitet.

Daß "die Wahrheit" im Krieg zuerst stürbe, ist mittlerweile ein geflügeltes Wort; gleichwohl wird durch die systematische Bezichtigung der LTTE, der im wesentlichen vorgehalten wird, die tamilische Bevölkerung gewaltsam in der Sicherheitszone festzuhalten, um sie als menschliche Schutzschilde mißbrauchen zu können, der SLA die Fortsetzung ihres genozidalen Vernichtungskrieges ermöglicht. Als inoffizielle Partner dieses Krieges treten die führenden internationalen Staaten zwar nicht in Erscheinung, sie sind gleichwohl Kombattanten, indem sie sich die Kriegspropaganda der srilankischen Regierung zu eigen machen, um ihre tatsächliche Komplizenschaft zu kaschieren. So wird nicht nur von den Vereinten Nationen, sondern auch von den USA und der EU das Leid der Zivilisten beklagt und vor einer humanitären Katastrophe, sprich dem Tod zehntausender Tamilen, die durch Hunger und Entkräftung, Bombardierungen und Angriffe der srilankischen Armee ums Leben zu kommen drohen, gewarnt.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon wertete die srilankische Regierung am 13. April international auf, indem er sie für die am Tag zuvor in Colombo verkündete Entscheidung lobte, den Tamilen eine 48stündige Feuerpause am 13. und 14. April, dem tamilischen wie singhalesischen Neujahrsfest, zu gewähren. Dabei machte die srilankische Führung im Zuge dieses Versprechens, das nach tamilischen Angaben sogar aufs brutalste gebrochen wurde, nur noch einmal ihre militärische Maximalposition deutlich. Im Geiste der Festsaison, so hieß es in einer vom Präsidentenpalast herausgegebenen Erklärung, sei es für die LTTE an der Zeit, ihre Waffen niederzulegen und zu kapitulieren, auch müsse sie "Terrorismus" und "Gewalt" abschwören. Dieses Kapitulationsangebot stellt die Option in Aussicht, daß die LTTE-Angehörigen, so sie sich nur bereit fänden, zu kapitulieren, also ihre Waffen niederzulegen und sich völlig wehrlos der srilankischen Armee zu ergeben, eine Überlebenschance hätten.

Tatsächlich jedoch herrschen unter den Tamilen in der vermeintlichen Schutzzone, ob sie nun der LTTE direkt angehören oder in den Tamilentigern die legitime Vertretung ihrer Interessen und die Verteidiger des tamilischen Volkes sehen, Angst und absolutes Mißtrauen vor. Die Forderung der Vereinten Nationen nach einer längeren Feuerpause, die diese damit begründet hatten, die über einhunderttausend Menschen sonst nicht mit dem Lebensnotwendigsten versorgen zu können, hatte der srilankische Verteidigungsminister Gotabhaya Rajapakse in der vergangenen Woche gegenüber dem UN-Beamten Vijay Nambiar bei dessen Besuch in Colombo mit der Begründung abgelehnt, die zweitägige Feuerpause habe "kein Ergebnis" gebracht. Nach Lesart der srilankischen Regierung soll dies bedeuten, daß die eingeschlossenen Zivilisten von dem Angebot, die Sicherheitszone zu verlassen, trotz der Einstellung der Angriffe keinen Gebrauch gemacht hätten, weshalb die Offensive nun wieder fortgesetzt werde.

Diese Version ist weder überprüft noch überprüfbar, weil es eine unabhängige Berichterstattung in diesem Krieg nicht gibt. Die stille Beteiligung nicht nur der westlichen Führungsstaaten, sondern auch der Weltsicherheitsratmitglieder China und Rußland, die sich allesamt für nicht zuständig erklärten und betonten, dies sei eine innere Angelegenheit Sri Lankas, mit der sich der Weltsicherheitsrat nie wieder befassen würde, läßt sich schon an dem Stillschweigen gegenüber der von der srilankischen Regierung ausgeübten Zensur ablesen, der auf tamilischer Seite nicht der geringste Versuch, eine Berichterstattung seitens Dritter zu unterbinden, gegenübersteht oder angesichts ihrer militärisch ausweglosen Lage auch nur gegenüberstehen könnte. Insofern ist die Tatsache, daß von verläßlichen Informationen in diesem Krieg nicht die Rede sein kann, Bestandteil einer Kriegführung, deren Nutzen allein auf srilankischer Seite liegt.

Weltweit haben Auslandstamilen schon über Ostern - die Proteste halten noch immer an - gegen den drohenden Genozid an ihren Landsleuten in Sri Lanka demonstriert. Die Regierung erklärte, die versprochene zweitägige Waffenruhe eingehalten zu haben. "Wir führen keine Offensivoperationen durch. Und wir sind auch nicht unter Feuer von der Gegenseite gekommen", behauptete am Mittag des 13. April Armeesprecher Brigadier Udaya Nanayakkara. Dem steht eine Stellungnahme von protestierenden Auslandstamilen gegenüber. So hieß es aus Kreisen tamilischer Aktivisten, die vor dem Düsseldorfer Landtag eine Mahnwache abhielten, um auf den drohenden Völkermord an den Tamilen aufmerksam zu machen, daß die vermeintliche Feuerpause eine regierungsamtliche Nachricht gewesen sei und daß tatsächlich am 13. April 400 Menschen, unter ihnen Frauen und Kinder, während der "Feuerpause" ums Leben gekommen seien.

Unmittelbar nach den beiden zur Feuerpause erklärten Tagen setzten sich die einander widersprechenden Meldungen fort. So wies die Armee am Mittwoch vergangener Woche Berichte pro-tamilischer Websites zurück, denen zufolge es am Mittwochmorgen bereits wieder Raketenangriffe und Schußwechsel nahe eines Gebietes, in dem sich Zehntausende Zivilisten aufhalten, gegeben habe, wobei bis zu einhundert Menschen getötet worden seien. Es mag zwar zutreffend sein, daß sich weder die eine noch die andere Seite bestätigen oder widerlegen läßt. Gleichwohl stellt die insbesondere auch von den Vereinten Nationen beanspruchte Lesart, das Leid der Zivilisten festzustellen und an beide Seiten gleichermaßen zu appellieren, so als wären sie gleichermaßen für den Tod von tausenden tamilischen und eben nicht singhalesischen Bürgern Sri Lankas verantwortlich zu machen, eine perfide mediale Begleitung dieses Krieges dar, der auf diese Weise von internationalen Einsprüchen, ganz so, wie es Präsident Mahinda Rajapakse unlängst noch einmal eingefordert hat, freigehalten werden kann.

Einen logischen Bruch gibt es in dieser Pseudoargumentation geradezu zwingend. Denn wenn es sich so verhielte, wie von der Regierung Sri Lankas und den maßgeblichen internationalen Organisationen und führenden Staaten unisono behauptet, daß hunderttausend Tamilen von der LTTE gewaltsam daran gehindert werden, das Angebot der Armee, die Schutzzone zu verlassen und sich in ihre Gewalt zu begeben, anzunehmen, warum protestieren die Auslandstamilen in Indien, Australien, Frankreich, Britannien, Norwegen und vielen weiteren europäischen Ländern dann gegen die Kriegführung der srilankischen Armee und versuchen verzweifelt, sich mit ihrer Forderung nach einem Waffenstillstand und politischen Verhandlungen Gehör zu verschaffen? Ein solches Gehör wurde einer Delegation der Tamilischen Nationalen Allianz (TNA), einer tamilischen Partei, die im Parlament Sri Lankas vertreten ist, unlängst in Neu Delhi zuteil.

Nach einem Gespräch mit dem indischen Außenminister Pranab Mukherjee erklärte die indische Regierung, die fortgesetzten Militärangriffe der SLA, die zu Opfern unter der Zivilbevölkerung führten, seien "völlig inakzeptabel". Auf einer Pressekonferenz wiesen die Vertreter der TNA, die mit weiteren Regierungsvertretern und Politikern Indiens Gespräche führten, die Behauptung der srilankischen Regierung, die LTTE würde Zivilisten als menschliche Schutzschilde mißbrauchen, zurück. Der Anführer der Delegation, R. Sampanthan, erklärte gegenüber der Presse, daß die Tamilen vielmehr in großer Angst vor der Armee lebten, weil diese hilflose Menschen, die auf Nahrung, Wasser und medizinische Hilfen warteten, töte. Die in der sogenannten Sicherheitszone eingeschlossenen Menschen hätten Angst vor den srilankischen Streitkräften, so Sampanthan, der in Neu Delhi auch von den von der Armee internierten Menschen berichtete, die in Konzentrationslagern gehalten und dort gefoltert werden.

Da dieser Krieg nicht unwesentlich an der internationalen Front der Information und Desinformation geführt wird, spiegelt sich die unterlegene Position der tamilischen Befreiungsbewegung in ihrem Unvermögen wieder, die interessengebundenen internationalen Medien für sich in Anspruch nehmen zu können - womit der tatsächliche Wahrheitsgehalt der Angaben der tamilischen Delegation nicht im mindesten widerlegt ist. Doch da die Wahrheit in und über diesen Krieg keine Frage der Neutralität, sondern einer der jeweiligen Interessen ist, wird die Regierung Sri Lankas weiterhin die Medienaufmerksamkeit und die Unterstützung erhalten, die sie von der schweigenden "internationalen Gemeinschaft" erwartet.

20. April 2009