Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → MEINUNGEN

DILJA/1180: Honduras - Deutsche Politikberater mit im Geschäft der Putschisten (SB)


Hintergrundtätigkeit der Friedrich-Naumann- und Bertelsmann-Stiftung

Der Putsch in Honduras steht in Übereinstimmung mit den Kernthesen bundesdeutscher Politikberater


Die Funktion paramilitärischer Truppen besteht bekanntlich darin, für die offizielle und in Staaten mit Demokratieanspruch für das reguläre Militär verantwortliche Regierungsspitze die "Schmutzarbeit" zu erledigen, wobei das kleine Wörtchen "para-" dieser die Option liefert zu behaupten, von nichts gewußt und schon gar nicht gewollt zu haben, was diese aus solchen Gründen irregulären Kampfverbände an Menschenrechtsverletzungen und militärischen Gewalteinsätzen verübt haben. Dasselbe Prinzip scheint auch auf politischer Ebene aufgegriffen und umgesetzt worden zu sein. Inoffizielle Gremien, vorzugsweise Stiftungen, treten unter Nutzung all der Freiheiten, die demokratische Staaten bieten, in Erscheinung und propagieren politische Konzepte und Strategien, von denen sich die offizielle Politik tunlichst fernhält. Das Geschäft der Politikberatung blüht nicht etwa deshalb, weil externe Kräfte über eine größere Fachkompetenz verfügen, sondern weil sie Inhalte vertreten können, auf die von Regierungsseite aus bei Interesse sehr wohl zurückgegriffen wird, die jedoch in ihrer unverhohlenen Aggressivität schlecht geeignet sind, als offizielle Regierungsrichtlinie bekanntgegeben zu werden.

Angesichts des Militärputsches in Honduras, der mittlerweile in seine dritte Woche geht und ungeachtet der scheinbar einhelligen internationalen Verurteilung und Ablehnung kurz davor zu stehen scheint, in einen offenen Bürgerkrieg überzugehen, erscheint es durchaus angebracht, auf Verlautbarungen bundesdeutscher Stiftungen aus der jüngeren Vergangenheit zurückzukommen, die sich mit Stellungnahmen hervorgetan haben, die als Aufforderung zum Putsch aufgefaßt werden könnten oder eine solche Deutung zumindest nahelegen. Dabei wäre an erster Stelle die aus Bundesmitteln finanzierte und der FDP nahestehende Friedrich-Naumann-Stiftung zu nennen, die aus naheliegenden Gründen bereits wenige Tage nach dem Putsch ins Gespräch gebracht wurde schon allein deshalb, weil der gestürzte Präsident von Honduras, Manuel Zelaya, wie auch der zivile Putschanführer, Roberto Micheletti, der Liberalen Partei angehören, die über intensive Verbindungen zur Friedrich-Naumann-Stiftung und damit auch zur bundesdeutschen FDP verfügt.

Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNS) stellt dabei so etwas wie die Speerspitze einer zivilpolitischen Gegenoffensive der kapitalistischen Welt dar, die ihre Interessen in Mittel- und Südamerika so massiv bedroht sieht, daß sie sich zu direkten Maßnahmen herausgefordert sieht. So legte die FNS vor einem Jahr ein neues Programm auf, um die "neoliberalen", das heißt die der Linksentwicklung in vielen lateinamerikanischen Staaten, allen voran in Kuba, Venezuela und Bolivien, entgegenarbeitenden Kräfte zu vernetzen. Konkret beinhaltete dieses Programm, das zweite seiner Art, ein zweimonatiges Schulungsprogramm für "liberale politische Anführer und ihre Aktionsgruppen", die sich, wie das Internetportal german-foreign-policy bereits am 1. Juli 2008 berichtete, auf die "Lösung aktueller soziopolitischer und ökonomischer Probleme" vorbereitete. Dabei arbeitete die Stiftung mit dem von ihr selbst 2003 ins Leben gerufenen neoliberalen Netzwerk "Red Liberal de América Latina" (RELIAL) zusammen, dem bereits 46 Organisationen aus 17 Staaten angehören, unter ihnen Regierungsgegner aus Kuba, Venezuela und Bolivien.

RELIAL ist kein reiner Schulungs- oder Debattierclub, sondern machte bereits mit der Unterstützung von Sezessionsbestrebungen, selbstverständlich in den Staaten, die zu destabilisieren das Netzwerk offenkundig angetreten ist, auf sich aufmerksam. Gleichwohl nehmen sich die Aktivitäten von RELIAL und FNS zunächst einmal eher harmlos aus, wenngleich offenkundig ist, daß sie zur Verteidigung neoliberaler Positionen, so etwa die Maxime, von Staatsseite aus nicht in der Wirtschaft zu intervenieren sowie die "Märkte" für die westlichen kapitalistischen Staaten "offen" zu halten, angetreten sind. Von August bis November 2007 veranstaltete RELIAL ein erstes Online-Seminar, durch das die teilnehmenden Repräsentanten der jeweiligen neoliberalen Eliten in "Planung, Strategien, Ziele, Aktionspläne, Führung, Kommunikation und Marketing" geschult wurden. Im vergangenen Sommer wurde diese "Schulung" in einem Folge-Seminar fortgesetzt. Unbemerkt blieben diese Aktivitäten allerdings nicht, und so kam es mancherorts bereits zu Protesten. Als der deutsche FDP-Politiker und FNS-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt im März 2008 in die argentinische Hafenstadt Rosario anreiste, um dort an einem RELIAL-Kongreß teilzunehmen, wurde der Bus, in dem er sich befand, von aufgebrachten Demonstranten mit Steinen attackiert.

Den naheliegenden Verdacht, daß es sich bei diesen "Schulungen" um eine verdeckte Intervention ausländischer, in diesem Fall sogar auch bundesdeutscher Kräfte gehandelt haben könnte, deren Knowhow-Vermittlung de facto einer Vorbereitung politischer Umsturzbewegungen gegen aus der Sicht der führenden westlichen Staaten unliebsame linke Regierungen Lateinamerikas gedient haben könnte, bekam ad hoc neue Nahrung, als aus Kreisen der FDP unmittelbar nach dem Putsch verlautbart wurde, Zelaya habe zumindest eine Mitschuld gehabt. Da die deutsche Bundesregierung wie alle übrigen westlichen Staaten inklusive der USA nicht umhinkamen, den Putsch zu verurteilen und, zumindest pro forma, Zelaya als den einzigen rechtmäßigen Präsidenten von Honduras anzuerkennen, nahm sich dieser vermeintliche Ausrutscher einer wenn auch kleinen Partei aus der Mitte des Bundestages ein klein wenig peinlich oder vielmehr aufschlußreich aus.

Bezeichnenderweise nahm das offizielle Berlin keinen Anstoß an diesen vermeintlichen Entgleisungen, die sich plausibel erklären lassen mit der Entrüstung in der Friedrich-Naumann-Stiftung über die "Undankbarkeit" Zelayas, der nach Angaben von German-Foreign-Policy im Jahre 2005 mit Unterstützung des FDP-Beraters Peter Schröder den Sprung ins Präsidentenamt geschafft hat, nur um dann, wenige Jahre später, einen "Verrat" an der Festlegung auf neoliberale Prinzipien zu verüben, wie er aus Sicht seiner damaligen Förderer und heutigen Gegner wohl kaum fundamentaler sein könnte. Eben dieser Schröder soll sich zwei Wochen vor dem Putsch mit dem Präsidentschaftskandidaten Elvin Santos der Liberalen Partei von Honduras in Tegucigalpa getroffen haben, was eine Komplizenschaft zu den Putschisten nahelegt, zumal Santos schon erklärt hat, als Präsident den von Zelaya durchgeführten und vom Parlament beschlossenen Beitritt des Landes in die "Bolivarische Alternative für die Völker Unseres Amerika" (ALBA) rückgängig machen zu wollen.

Eine weitere Stiftung, die Bertelsmann-Stiftung, scheint ebenfalls im Geschäft der Politikberatung und womöglich nicht nur -beratung tätig zu sein. So erschien im Herbst vergangenen Jahres in dritter Fassung ein von der Bertelsmann-Stiftung vorgelegtes Dokument namens "Bertelsmann Transformation Index" (BTI), in dem insgesamt 125 Staaten in Afrika, Asien und Lateinamerika in Hinsicht auf ihre "Regierungsführung" bepunktet und benotet werden. Nach Kriterien, die einzig und allein nach den Verwertungsinteressen und Hegemonialabsichten der westlichen Eliten definiert und bemessen wurden, lieferte der "Bertelsmann Transformations Index" mit wissenschaftlicher Akribie ausgearbeitete Vorlagen für etwaige Maßnahmen, die von seiten der Bundesregierung wie auch internationaler Finanzorganisationen wie etwa der Weltbank ergriffen werden, um gegebenfalls bei den von der Bertelsmann-Stiftung festgestellten Defiziten für Abhilfe zu sorgen.

Zu dem Wissenschaftlerteam gehören neben Konzernmitarbeitern auch Personal des Zentrums für Angewandte Politikforschung, des Deutschen Industrie- und Handelstages sowie der bundeseigenen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit. Die Bertelsmann-Stiftung erklärt nicht ohne Stolz, daß ihr Tranformations-Index von der Bundesregierung zur Evaluation ihrer "Entwicklungszusammenarbeit" mit den Ländern der sogenannten Dritten Welt herangezogen wird. Liest man den Bericht genauer, zeichnet sich jedoch schnell ab, daß es hier möglicherweise um weitaus mehr als um eine "Entwicklungszusammenarbeit" geht, die die deutsche Bundesregierung mit den Staaten der Peripherie eingeht oder eben nicht. So wird in dem "Transformation Index 2008" schlichtweg vom Leder gezogen und die politische Situation in vielen Staaten Lateinamerikas, die sich mehr und mehr des Einflusses, um nicht zu sagen der Vorherrschaft der USA und der EU zugunsten einer eigenständigen, zu sozialistischen Ideen tendierenden Entwicklung entziehen, aufs übelste diffamiert.

Der venezolanische Staatspräsident Hugo Chávez sei ein "populistischer Diktator", der eine "sozialistische Revolution" durchführen wolle und eine "mangelnde Bindung" an die "Idee" der Marktwirtschaft offenbare, der gegenüber er sogar eine "offen feindliche" Einstellung hege. Was die Autoren des Bertelsmann-Werkes jedoch noch mehr beunruhigt, ist ihre Einschätzung, daß weitere Staaten Lateinamerikas - genannt wird neben Bolivien auch Argentinien - angesichts der extremen Armut und Marginalisierung breiter Bevölkerungsschichten versucht sein könnten, dem Beispiel Venezuelas zu folgen. Es sei, so steht's in Bertelsmanns "Transformation Index 2008", eine geradezu verständliche Versuchung für weitere Staaten Lateinamerikas, eine solch "radikale" Politik zu betreiben.

Die Stiftung trifft jedoch nicht nur Feststellungen dieser Art, sie erklärt in ihrem Bericht auch, daß die Wirtschafts- und Sozialpolitik Venezuelas einer "harten Anpassung" (an die neoliberalen Dogmen) bedürfe und daß dazu die "externe Unterstützung" durch die USA und die EU erforderlich seien. Im Klartext wird damit nichts anderes als ein durch ausländische Interventionen initiierter Staatsstreich in Venezuela eingefordert, zumal alle bisherigen Versuche, die Regierung Chávez zu stürzen, kläglich gescheitert sind. Die Bertelsmann-Stiftung, die sich zugute halten kann, mit ihrem Transformations-Index Entscheidungsgrundlagen für die bundesdeutsche Außenpolitik zu liefern, forderte in ihrem im Oktober 2008 fertiggestellten Bericht "Maßnahmen" gegen den gewählten Präsidenten Venezuelas und seine lateinamerikanischen Bündnispartner, zu denen sich im Sommer vergangenen Jahres auch der durch den Putsch vom 28. Juni 2009 gestürzte Präsident von Honduras, Manuel Zelaya, zuvor ein nach Einschätzung der Friedrich-Naumann-Stiftung wohl vertrauenswürdiger Gewährsmann bundesdeutscher Interessen, gesellt hat.

22. Juli 2009