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DILJA/1192: Putschistenregime in Honduras - FDP Wortführerin der deutschen Unterstützung (SB)


Wie die Spitze eines Eisbergs klammheimlicher Unterstützung für das Putschistenregime in Honduras nimmt sich die Haltung der FDP aus

Wolfgang Gerhardt, Vorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung, "bezweifelt" Tote, Verletzte und Vergewaltigungen "in der Dimension"


Es wäre durchaus interessant zu erfahren, ob Frank La Rue, der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für freie Meinungsäußerung, in den Augen des ehemaligen FDP-Vorsitzenden und jetzigen Vorsitzenden der FDP-nahen "Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit" (FNF) als glaubwürdig einzustufen ist oder nicht. La Rue hatte am 10. August der Presse seinen Bericht über die Verhältnisse in dem mittelamerikanischen Land Honduras nach dem Putsch vom 28. Juni vorgestellt, nachdem er sich am 3. und 4. August in der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa aufgehalten hatte. Dem Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zufolge gibt es in Honduras derzeit "keine Meinungsfreiheit, um die täglichen Ereignisse zu bewerten oder die gegenwärtigen Autoritäten und den Putsch zu kritisieren" [1]. Auf der Basis der Gespräche, die er mit Journalisten, Korrespondenten und Menschenrechtsaktivisten in Honduras geführt hat und bei denen er Vertreter beider Lager anhörte, stellte La Rue fest, daß seine Gesprächspartner mehrheitlich die Auffassung vertreten, daß "das, was in Honduras passiert ist, ein Militärputsch war, der verheerende Konsequenzen für die Zukunft des Landes nach sich ziehen wird."

Der UN-Repräsentant stellte in seinem Bericht die Lage in Honduras so dar, daß Demonstrationen gegen den Putsch sowie für die Rückkehr des gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya verboten sind und von der Staatspolizei unterdrückt werden, wobei es immer wieder zu willkürlichen Festnahmen der Regimegegner komme. "Kameraleute und FotografInnen, welche die Ereignisse dokumentieren wollen, sind insbesondere Ziel der politischen Aggression geworden. Sie werden geschlagen, Kameras und Filmmaterial wird konfisziert bzw. zerstört", hieß es in dem Bericht wörtlich. La Rue zufolge bestehe "eine der momentanen Hauptschwierigkeiten" darin, die Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren, denn es fehle "an einer Instanz, die Einrichtungen, inklusive militärischer, in denen die Menschen gefangen gehalten werden, besucht und die Situation bewertet, denn noch nicht einmal die Richter wagen sich an diese Orte" [1].

Mit dieser Einschätzung steht La Rue keineswegs allein da. Amnesty International hat in einer ersten, fast zwei Monate nach dem Putsch veröffentlichten Einschätzung die Menschenrechtslage in Honduras am 19. August als "äußerst besorgniserregend" bezeichnet. Derzeit befinden sich Mitarbeiter des Interamerikanischen Menschenrechtskomitees (CIDH), eine Instituion der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), in Honduras, um den bereits vielfach belegten und dokumentierten Vorwürfen weiter nachzugehen, aber auch, um durch ihre bloße Präsenz den minimalen Schutz zu gewährleisten, den sich die honduranische Bevölkerung, so sie sich in der nationalen Widerstandsfront gegen das Putschistenregime zusammengeschlossen hat und auch nach fast zwei Monaten in ihren Protesten nicht nachläßt, von ausländischen Beobachtern erwünscht.

Die insgesamt fünfte internationale Beobachtergruppe unter Leitung von Tom Loudon von der US-amerikanischen Nichtregierungsorganisation "Quixote Center" und der "Alliance for Responsible Trade" hatte sich in der Zeit zwischen dem 9. und 15. August in Honduras aufgehalten und festgestellt, daß die Menschenrechte durch das Putschistenregime in zunehmendem Maße verletzt und das Recht auf freie Meinungsäußerung eingeschränkt werden und daß der Generalstaatsanwalt auf entsprechende Anklagen nicht reagiere. Dies wurde mit der Einschätzung verbunden, daß eine stärkere internationale Präsenz notwendig sei, was nach Ansicht führender Repräsentanten der Demokratiebewegung ein effektiver Schutz vor Vergewaltigungen, Folterungen und politischen Morden sei. So vielfältig die unter den Bedingungen von Zensur und versuchter Einschüchterung vermittelten Berichte über die staatlichen Repression, mit denen sich das Regime in Honduras durch die Unterdrückung und gewaltsame Bekämpfung der demokratischen Opposition an der Macht zu halten trachtet, auch sein mag, sie ist keineswegs einhellig.

So vertritt insbesondere die bundesdeutsche FDP bzw. die ihr nahestehende Friedrich-Naumann-Stiftung, die sich international als eine der offensten Unterstützerinnen des Micheletti-Regimes erwiesen hat, eine konträre Position in diesen Fragen. Der Stiftungsvorsitzende Wolfgang Gerhardt nahm am 13. August gegenüber dem Deutschlandfunk [2] dezidiert Stellung und bestritt insbesondere die Schilderungen der politischen Lage in Honduras, wie sie von der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei, Monika Knoche, eine Woche zuvor gegenüber dem Sender abgegeben worden waren [2]:

Mit diesem Putsch hat sich das Militär und die Polizei aggressiver verhalten, denn je zuvor. Und es wird berichtet auch von Vergewaltigungen von politisch aktiven Frauen. Also es gibt so viel mehr an grässlicher Realität, die bisher wenig in die Öffentlichkeit gekommen ist. Unter den Umständen hier, wo Menschenrechtsverletzungen, wo Tötungen, wo Todesschüsse auch abgegeben werden, wo Entführungen stattfinden, wo politisch links orientierte Leute auch um ihr Leben bangen müssen, sind keine Voraussetzungen da, um demokratische Wahlen durchzuführen.

Wolfgang Gerhardt antwortete auf die Frage, ob er die Schilderungen Knoches, die sich in Honduras selbst ein Bild gemacht hatte, nämlich daß es Tote, Verletzte und Vergewaltigungen gebe, bestreite, mit den Worten: "Ich bezweifele sie, in der Dimension bestreite ich sie." Gerhardt beruft sich im wesentlichen auf den sogenannten Menschenrechtsbeauftragten des derzeitigen honduranischen Regimes, Ramón Custodio López, der sich auf Einladung der Friedrich-Naumann-Stiftung unlängst in Berlin aufgehalten hat und dort für die Anerkennung der Machthaber werben konnte. Gerhardt sucht Knoches Schilderung durch das Argument zu entkräften, sie könne "in dieser Dimension" keinen Wahrheitsbeweis antreten. Ein solches Argument ließe sich postwendend an Gerhardt zurückadressieren. Die Angaben Custodios entbehren zudem jeglicher Beweiskraft, gehört er doch zu den fünf Angehörigen der Putschistenregierung, denen die US-Regierung inzwischen die Einreise-Visa in die USA entzogen hat.

In Honduras selbst wie auch unter internationalen Menschenrechtsaktivisten ist Custodio vollkommen untragbar. Opfer der staatlichen Repressionsmaßnahmen haben sich mit der Forderung nach seiner Ablösung an den Nationalkongreß in Tegucigalpa gewandt, weil er durch seine Parteinahme für das Regime seinen ursprünglichen Arbeitsauftrag verletzt habe. Diese Forderung wird von dem Menschenrechtsverteidiger Leonel Casco Gutiérrez von der Organisation COFADEH unterstützt. Noch in den 1980er Jahren hatte Custodio die damalige Terrorkampagne gegen die linke Opposition, der hunderte Menschen zum Opfer fielen, massiv kritisiert. Nun jedoch behauptet er, die jetzige Demokratiebewegung sei für "Verbrechen gegen das menschliche Leben" verantwortlich. Die heutigen Aktivisten würden, so Custodio, Gewalt und Tote provozieren, um diese dann als Argumente gegen die Machthaber anführen zu können.

Die Iberoamerikanische Vereinigung für Menschenrechte (FIO) leitete bereits ein Untersuchungsverfahren gegen Custodio ein. Ihr Vorsitzender, Omar Cabezas, kam eigens nach Honduras, wo seine Organisation Ende Juli ein provisorisches Büro eröffnet hatte, weil Custodio die Putschregierung verteidigen und seinen Aufgaben nicht mehr nachkommmen würde. Für die Friedrich-Naumann-Stiftung war all dies jedoch mehr als Grund genug, um Custodio als Frontmann einer Pro-Putschisten-Propagandaarbeit nach Berlin zu holen. Mit Custodio wurde eine "Konferenz" abgehalten, von der die Presse wohlweislich ausgeschlossen wurde. In den Räumen des Bundestages konnte Custodio Behauptungen der Art aufstellen, daß es in Honduras seit dem Putsch keine systematischen Menschenrechtsverletzungen gebe und daß die Einschränkungen, die es vereinzelt gebe, im wesentlichen denjenigen zu verdanken seien, die gegen die De-facto-Regierung auf die Straße gingen.

Mit dieser "Konferenz" haben sich die FDP und die Friedrich-Naumann-Stiftung als Wortführerinnen einer Pro-Putschisten-Haltung innerhalb bundesdeutscher Regierungskreise erwiesen, die noch immer nicht in aller Offenheit zu Tage tritt, sondern einer kleinen Partei, die nicht in unmittelbarer Regierungsverantwortung steht, vorbehalten bleibt. Gäbe es nicht einen klammheimlichen Schulterschluß aller "demokratischen" Parteien zur Unterstützung des Militärputsches in Honduras, weil dieser angeblich höherwertigen Interessen, nämlich der Bekämpfung der allgemeinen Linksentwicklung in Lateinamerika, diene, hätte diese Veranstaltung ungeachtet der parlamentarischen Sommerpause wohl kaum so sang- und kritiklos - von den Protesten der Linkspartei einmal abgesehen - über die Bühne laufen können.

Anmerkungen

[1] Honduras: UN-Berichterstatter bestätigt nicht existente Meinungsfreiheit, von Karol Assunção, Poonal Nr. 859, Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 17. August bis 23. August 2009, 23. August 2009

[2] "Zelaya hat moralische Autorität verloren". Wolfgang Gerhardt (FDP) wirft gestürztem Präsident von Honduras versuchten Verfassungsbruch vor, Deutschlandfunk, 13.08.2009

24. August 2009