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AFRIKA/1788: Liberia - Nationaler Notstand wegen Raupenplage (SB)


Raupeninvasion in landwirtschaftlichen Hauptanbaugebieten Liberias


Liberias Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf hat am Montag den Nationalen Notstand ausgerufen, nachdem sich dort gefräßige Raupen ausgebreitet haben. Die Entscheidung der Staatsführerin bedeutet, daß sie nun leichter Gelder freisetzen kann und die internationale Aufmerksamkeit auf das Problem der Raupenplage gelenkt wird. Die Schadinsekten, die unter dem Namen "army worms" (Spodoptera exempta) firmieren und ein Vorstadium des Eulenfalters sind, bedrohen die gesamte Landwirtschaft in den befallenen Region.

Wenn in Deutschland oder anderen Ländern der mittleren Breiten Raupenplagen auftreten, bleibt das meist ein Einzelereignis, und um einen Lebensmittelmangel für die Bevölkerung muß sich niemand Sorgen machen. Anders in Liberia. Dort sind inzwischen 65 Städte von den Raupen betroffen, nachdem sie erstmals - offiziell - am 15. Januar in Bezirk Bong aufgetreten sind. Die Felder seien kahl, die Brunnen mit Ausscheidungen der Raupen kontaminiert, und auf den Märkten gebe es keine Lebensmittel, schreibt IRIN, der regionale Informationsdienst der Vereinten Nationen. [1] Von Bong aus haben sich die Raupen weiter nach Gbarpolu und Lofa, an der Grenze zu Guinea und Sierra Leone, ausgebreitet. Von sierraleonischer Seite aus wurden bereits Gegenmaßnahmen an der Grenze getroffen.

Nach Angaben des liberianischen Landwirtschaftsministeriums sind bis zu 20.000 Einwohner aus den befallenen Bezirken geflohen. Der Zota-Distrikt in Nordliberia ist zu 75 Prozent von Raupen verseucht. Der dortige Landwirtschaftskommissioner Joseph Urey berichtete, daß inzwischen Nahrungsmangel herrscht und dringend Hilfe in Form von Wasser und Nahrung benötigt wird.

Selbst Bananen und andere Früchte, die von den Raupen verschmäht werden, werden nicht geerntet, weil die Bauern vertrieben wurden. Es läßt sich leicht ausmalen, daß in einem Land, in dem noch immer die Mehrheit der Menschen unterhalb der Armutsgrenze lebt, jede Beeinträchtigung der Ernte sofort existentielle Probleme nach sich zieht. Wer Selbstversorger ist und nur ein kleines Feld bewirtschaftet, hat womöglich alles an die Raupen verloren, auf das er und seine Familie dringend angewiesen wären.

Wie so oft, wenn in einem marktwirtschaftlichen System Not herrscht, wird diese durch die Mechanismen des Handels noch verstärkt. Der Mangel an Nahrung führte in Gbarnga zu einem beträchtlichen Preisanstieg. Ein großes Bündel Bananen kostet nun zehn statt vier US-Dollar, und der Preis für ein Kilogramm Taros stieg von 38 Cent auf 2,25 Dollar.

Joseph Queliboh Subah, der für die Regierung die Bekämpfung der Raupen leitet, berichtete, daß die Raupen, nachdem sie mit Insektiziden besprüht wurden, in die Wälder weitergezogen sind. Das hat in den Nachbarländern die Befürchtung eines Übergreifens der Raupen geweckt. Bereits am 22. Januar bezeichnete der FAO-Vertreter in Liberia, der Entomologe Winfried Hammond, die Lage in Liberia als nationalen Notstand. Wenn die Invasion mit Raupen nicht rasch eingedämmt werde, wäre eine Ausbreitung der Plage auf die benachbarten Staaten Guinea, Sierra Leone und Elfenbeinküste "sehr wahrscheinlich". [2]

Die Bekämpfung der Raupenplage gestaltet sich schwierig. Liberia selbst, das sich noch immer von einem über zehnjährigen Bürgerkrieg, der (?) endete, erholen muß, verfügt nicht über die erforderlichen Mittel zur wirksamen und nachhaltigen Bekämpfung der Insekten. Die teilweise riesigen Bäume, die vom Boden aus mit Insektiziden besprüht wurden, sind nach kurzer Zeit wieder von Raupen befallen. Ein Besprühen von der Luft aus, erklärte Hammond, berge die Gefahr einer zusätzlichen Verseuchung der Region mit Chemikalien, nachdem viele Trinkwasserstellen bereits durch die Ausscheidungen der Raupen verdorben sind.

Um welche Raupenart genau es sich handelt, sollen Experten in Ghana herausfinden, damit das Insektizid darauf abgestimmt werden kann. Aus den verpuppten Raupen werden Motten, die weiterfliegen und Strecken von über 100 Kilometern in einer Nacht zurücklegen können. Jedes Weibchen legt in ihrem zehntägigen Leben zwischen 500 und 1000 Eier ab. Die Gefahr einer fortgesetzten Raupenplage, von der nicht nur Liberia betroffen sein wird, ist groß. Das Ausmaß des bereits entstandenen Nahrungsmangels läßt sich zur Zeit nicht bestimmen, zumal sich die Plage weiter ausbreitet, doch läßt sich die Raupenplage ohne weiteres mit den typischen Heuschreckenplagen in der Sahelzone vergleichen, durch die es in der Vergangenheit zu Ernteverlusten von 20 bis 30 Prozent eines Landes gekommen war.


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Anmerkungen:

[1] "Liberia: Markets Empty After Worm Invasion", 26. Januar 2009.
http://allafrica.com/stories/200901261751.html

[2] "Liberia: Caterpillar Plague Wreaks Havoc", Presseerklärung der Food and Agriculture Organization of the United Nations (Rome), 22. Januar 2009
http://allafrica.com/stories/200901220782.html

29. Januar 2009