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AFRIKA/1922: Panzerlieferung an Hungerregion Südsudan (SB)


Vor dem Referendum im Januar 2011 rüsten Nord- und Südsudan massiv auf

Mehrere Millionen Einwohner auf Lebensmittelhilfe angewiesen

Angeblich für Kenia bestimmte Panzer in Südsudan gesichtet


Die südsudanesische quasi-autonome Regierung erhält bei ihren massiven Aufrüstungsbemühungen Unterstützung von Kenia und anderen Staaten. Dabei werden die Bestimmungen des Friedensabkommens CPA (Comprehensiv Peace Agreement), das 2005 nach Vermittlung des US-Gesandten Senator John Danforth zwischen der Regierung in Khartum und den Rebellen der SPLM abgeschlossen wurde, sehr strapaziert, teils ignoriert.

Im September 2008 hatte die Entführung der MV Faina, die 33 Panzer vom Typ T-72 und andere Waffen sowie tonnenweise Munition aus der Ukraine geladen hatte und sich auf dem Weg zum kenianischen Hafen Mombasa befand, durch somalische Piraten für internationales Aufsehen gesorgt. Nach Zahlung eines Lösegelds wurde das Schiff freigegeben. Obgleich in den Schiffspapieren als Empfänger Südsudan angegeben war [1], beharrte das kenianische Militär lange Zeit darauf, daß die Panzer für die eigene Armee bestimmt waren. [2] Diese von Anfang an wenig glaubhafte Behauptung - Kenia verwendete bis dahin keine T-72 - wurde im vergangenen Jahr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit widerlegt. Das US-Militärmagazn "Jane's Defense Weekly" berichtete [1], es habe die Panzer auf Satellitenaufnahmen verfolgt, höchstwahrscheinlich seien sie schlußendlich in Südsudan angekommen. Demnach hatte es sich bei der Ladung der MV Faina um die letzte von drei Chargen mit insgesamt 100 MBTs (main battle tanks) gehandelt. Sie wurden anscheinend bereits Anfang 2005, in etwa zu der Zeit, als Khartum und die SPLM das Friedensabkommen unterzeichneten, geordert. [3]

Im September 2009 wurde durch die "Sudan Human Security Baseline Assessment", einer Untersuchung des unabhängigen Forschungsprojekts Small Arms Survey des in der Schweiz ansässigen Graduate Institute of International and Development Studies, bestätigt, daß die Panzer auf Satellitenaufnahmen von südsudanesischen Militärstützpunkten zu erkennen sind. [4]

Es ist nicht zu übersehen, Südsudan rüstet auf und erhält dabei unter anderem von Kenia Hilfe. Die Regierung in der südsudanesischen Hauptstadt Juba rechnet anscheinend damit, daß es zum Krieg mit dem Norden kommen könnte, sollten sich die Sudanesen im Januar nächsten Jahres bei einem Referendum für die Separation Südsudans aussprechen. Sicherlich wird auch die erst beim Referendum zu klärende Frage, zu wem die erdölreiche, zentralsudanesische Region rund um die bei Kampfhandlungen zerstörte Stadt Abyei gehört, die Spannungen beträchtlich verstärken. Die Aufrüstung Südsudans erfolgt keineswegs einseitig. Auch der Norden hat umfangreiche Waffenkäufe getätigt. Unter anderem wurden chinesische und russische Kampfflugzeuge (vom Typ MiG-29), Kampfhubschrauber und Boden-Luft-Raketen erworben.

Am 26. Januar 2010 antwortete die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Susan Rice, im Anschluß an die Sitzung des UN-Sicherheitsrats zum Thema Sudan auf die Frage eines Reporters nach Kenias Beteiligung am illegalen Waffenhandel mit Südsudan nur ausweichend und behauptete, daß die Waffen "zweifellos aus allen Richtungen" ins Land gelangten. [4] Kenia ist ein wichtiger Verbündeter der USA in Ostafrika.

Im vergangenen Jahr sind in Südsudan mit über 2000 Toten mehr Menschen gewaltsam ums Leben gekommen als im selben Zeitraum in der westsudanesischen Provinz Darfur. Nach UN-Angaben waren an den Kämpfen teils mehrere tausend schwer bewaffnete Angreifer beteiligt. Dieser auf Südsudan beschränkte Konflikt ergibt mit dem latenten Nord-Süd-Konflikt und den Machenschaften diverser Akteure, die jeweils eigene Interessen verfolgen, eine kaum aufzulösende, gefährliche Gemengelage. Am ehesten vergleichbar mit der verfahrenen Situation in Darfur.

Die Rolle der kenianischen Regierung im sudanesischen Konflikt ist, gelinde gesagt, undurchsichtig. Schwer vorstellbar, daß größere Waffenlieferungen unbemerkt von den kenianischen Behörden über den Hafen von Mombasa nach Südsudan geschleust werden können. Aber wenn das kenianische Militär dann auch noch behauptet, die ukrainischen T-72 seien gar nicht für Südsudan bestimmt, dann muß Kenia eine aktive Rolle bei der Kriegsvorbereitung im Süden Sudans attestiert werden. Und wenn darüber hinaus der kenianische Präsident Mwai Kibaki behauptet, sein Land habe sich einem friedlichen Sudan verpflichtet [5], dann erweckt das um so mehr den Verdacht, daß der enge Verbündete der USA und Großbritanniens hier seine eigenen Interessen oder die der westlichen Staaten verfolgt. Die Zeitung "Sudan Tribune" behauptete im vergangenen Sommer, daß die südsudanesische Armee von rund 200 kenianischen Militärs ausgebildet wird - angeblich an der Bedienung der T-72. Auch die USA haben angeblich Militärausbilder in den Südsudan gesandt, wohingegen Deutschland durch die Entsendung einiger Bundeswehrsoldaten und Polizisten im Rahmen zweier UN-Missionen in den sich Schritt für Schritt zuspitzenden Konflikt involviert ist. [7]

Letztlich wird das sudanesische Volk darüber abstimmen, ob der Süden Sudans ein eigener Staat werden soll oder nicht. Die Regierungen der USA und anderer westlicher Staaten scheinen eine Separation dem gegenwärtigen Zustand einer Einheitsregierung Sudans mit quasi-autonomen Rechten des Südens vorzuziehen, wohingegen die Vereinten Nationen und die Afrikanische Union zu befürchten scheinen, daß eine Loslösung des Südens zum Wiederaufflammen des rund zwei Jahrzehnte dauernden Bürgerkriegs, diesmal mit moderneren Waffen, führen wird.

Südsudan rüstet auf, obgleich die Überlebensvoraussetzungen auf breiter Front schlechter werden. Waren im vergangenen Jahr "nur" rund eine Million Einwohner auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen, so sind es in diesem Jahr bereits 4,3 Millionen, wie das Welternährungsprogramm und das südsudanesische Ministerium für Landwirtschaft und Forsten am Montag mitteilten. [8] Auch ein so hohes Ausmaß an Not wird andere Staaten nicht davon abhalten, ihren Einfluß auf Südsudan stärken zu wollen.


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Anmerkungen:

[1] "IMINT tracks T-72 tanks towards South Sudan", 7. Juli 2009
http://www.janes.com/news/defence/jdw/jdw090707_1_n.shtml

[2] "Army Major defends T-72 tanks purchase", Nairobi Chronicle, 20. Februar 2009
http://nairobichronicle.wordpress.com/2009/02/20/army-major-defends- t-72-tanks-purchase/

[3] "Satellite Imagery Shows South Sudan Undergoing Arms Buildup", Voice of America, 29. Juli 2009
http://www.globalsecurity.org/military/library/news/2009/07/mil-090729-voa11.htm

[4] "Sudan: Kenya 'Conduit' of Weapons As South 'Arms Race' Begins", The East African (Nairobi), 31. Januar 2010
http://allafrica.com/stories/201002010248.html

[5] "Kenya to Help Resolve Conflict in Sudan", 8. Februar 2010
http://www.newstimeafrica.com/archives/10790

[6] "Kenya dispatches military experts to train South Sudan army", 31. August 2009
http://www.sudantribune.com/spip.php?article32298

[7] "Deutschland weiter an VN-Missionen im Sudan beteiligt", Website des Auswärtigen Amts, abgerufen am 9. Februar 2010
http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Aussenpolitik/ RegionaleSchwerpunkte/Afrika/AktuelleArtikel/090702-UN- MissionenBundestag,navCtx=269434,__page=6.html

[8] "Dire Situation in South Sudan Amid Drought and Conflict", 2. Februar 2010
http://www.newstimeafrica.com/archives/10689

9. Februar 2010